Oberösterreich, 21. Jahrgang, Heft 2, 1971

Auge bin, kann es sehr leicht geschehen, daß ihm, um die Kinder irgendeines Öster reichers zu betreuen, die Furcht vor der calvinischen Religion entgegenstehen wird. In der Versammlung der Stände waren be treffs meines Gehalts sehr viele aus dem Ritterstand, die mich bekämpften, die Barone aus dem Herrenstand verteidigten mich. Ich siegte, ohne von der Sache zu wissen,mit mehreren Stimmen. Es wurde mir zum Trost für die schimpf liche Bekämpfung am 1. Januar eine Ehren gabe für eine Buchwidmung gereicht. Ich fürchte, daß dies von den Siegern geschah, um den Ärger der unterlegenen Partei zu erwecken. Denn niemand ist die Miß gunst meiner Feinde unbekannt: Jeder mann weiß, daß es der Religion wegen ge schieht, was auch andere vorgeben mögen." Hier klingt zum ersten Male die katastro phale Verwirrung auf religiösem Gebiet an, in die Kepler besonders während seiner Linzer Zeit hineingezogen wird. Die Aus einandersetzung wird mit einer unglaub lichen Härte geführt, wobei vielfach eine Verzeichnung der Hauptakteure erfolgt. Nachdem Rudolf II. und Matthias vergeb lich bemüht waren, einen modus vivendi zwischen den einzelnen christlichen Be kenntnissen herzustellen, hat Ferdinand II. sich für die radikale Gegenreformation ent schieden. Im April 1600 wurde der be rühmte Jesuitenprediger P. Georg Scherer nach Linz berufen, um die Protestanten zur Rückkehr in die katholische Kirche zu über reden. Begreiflich, daß auch von protestan tischer Seite etwas unternommen werden mußte, die Glaubensbrüder zu stärken. Man wandte sich nach Tübingen, von wo 1611 der glänzende Disputator Daniel Hitzler mit dem Rang eines Superintenden ten nach Linz entsandt wurde. Er stand vor einer kritischen Situation: Das promi nenteste Mitglied seiner Kirche, Johannes Kepler, stand zwischen den Parteien. Es war allgemein bekannt, daß er gute Bezie hungen zu den Jesuiten unterhielt. Keplers Ablehnung der Konkordienformel machte ihn auch als Calvinist verdächtig. Hitzler versuchte zwar nochmals, von Kepler die bedingungslose Unterschrift unter die Kon kordienformel zu erlangen, aber Kepler weigerte sich abermals. Um eine klare Linie in seine Kirchengemeinde hineinzubringen, mußte sich Hitzler entschließen, ein Exempel zu statuieren, und so wurde Kepler exkommuniziert. Ob noch menschliche Lei denschaften und Eifersüchteleien diese Ent scheidung beeinflußt haben (Hitzler war Lehrerkollege Keplers und zugleich sein Schulinspektor; er war aber auch Musik theoretiker — wie Kepler in der Welt harmonik), läßt sich nicht beweisen. Jeden falls dürfte es doch zu einer menschlichen Keplerhaus in Linz, Rathausgasse 5. — Auf nahme: Fr. Michalek, Bildarchiv des Magi strates der Landeshauptstadt Linz. Aussöhnung gekommen sein, was auch da durch wahrscheinlich wird, daß Hitzler spä ter bei Keplers bestem Freund Bernegger, einem Hallstätter, der in Straßburg wirkte, Zuflucht fand. Wer Keplers Linzer Zeit beschreibt, muß wohl auch die Sorgen erwähnen, die der Hexenprozeß gegen seine Mutter verur sachte. Mehr als einmal nahm Kepler von den Landständen Urlaub, um in seine württembergische Heimat zu reisen, damit er seiner siebzigjährigen Mutter beistehen könne. Viele diesbezügliche Eingaben sind von Linz datiert, und diese Bemühungen führten auch zu einem befriedigenden Er folg. Trotz all dieser Widerwärtigkeiten muß sich Kepler in Linz wohl gefühlt haben. Seine Frau Susanne hat viel dazu beigetra gen, viele Freunde halfen ihm über manche Enttäuschung hinweg. Wiederholt bezeich net er Oberösterreich als seine zweite Hei mat, und vielleicht wäre er zeitlebens in Linz geblieben, hätte der Bauernaufstand von 1626 ihn nicht vertrieben. Von Seiten der Behörden gab es keine Schwierigkeiten mehr: die evangelischen Abgeordneten der Landstände waren durch katholische ab gelöst worden, die protestantische Landschaftsschule hatte 1624 ihre Tätigkeit ein stellen müssen. Kepler hätte sich ganz sei ner wissenschaftlichen Tätigkeit, insbesoni 1 I 37

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