Oberösterreich, 21. Jahrgang, Heft 2, 1971

Hellmut Tursky Johannes Kepler in Linz „Linz, Anfang Juni 1611. An die Stände von Österreich ob der Enns in Linz. Ich habe nunmehr in das zwölfte Jahr der kaiserlichen Majestät Hofstatt beigewohnt, in der Hoffnung, das Werk ,Astronomiae restaurandae' und ,Tabularum Rudolphi condendandarum', zu welchen mich Ihre Majestät nach Abgang des Herrn Tycho Brahe mit einem jährlichen Salär bestellt, zu Ende zu bringen. Da aber sich allerhand Ungelegenheiten am Hof ereignet, die mich in Vollführung meines Werks auch in Bestellung meines Hauswesens und Vorse hung von Weib und ICindern gehindert, solche auch täglich überhandnehmen ohne Hoffnung auf Besserung, also hin ich wil lens geworden, mich nach vorerlangter kai serlicher Genehmigung an einem geruhige ren Ort häuslich niederzurichten und meine angefangenen Studien zu Ehren Ihrer Maje stät und des Hauses Österreich zu voll führen. Wenn ich dann von nicht wenigen von Euer Gnaden Herren- und Ritterstands al lerhand Affektion gespürt, daneben in Er wägung ziehe, daß dieser Orten viele ade lige Gemüter sich finden, welche den ma thematischen Künsten ergeben, also hätte ich Neigung, meine Wohnung allher zu transferieren, da es zeitlicher Nahrung hal ber sein möchte, und meine angefangenen Werke zu enden. Hierum habe ich auf Rat meiner Freunde und Gönner bei Gelegen heit meiner Ankunft allhero meine Dienste in mathematischen, philosophischen und hi storischen Studien, in welchen ich mich bis her geübt und durch Bücher gezeigt, anbie ten wollen. Ich zweifle nicht, weil meine Studien weitläufig werden. Daß Euer Gna den sie zu des Landes Nutzen zu gebrau chen loissen und auch als Ruhm halten, die Beförderung meines Werkes der Tabularum Rudolphi auf sich zu nehmen und mir eine billige jährliche Bestallung machen. Wie ich solche mit getreuestem Fleiß und deutscher Redlichkeit zu erkennen willens Linzer Landhaushof aus 1568—74 mit dem Planetenbrunnen. — Aufnahme: M. Eiersebner, 33

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