Oberösterreich, 21. Jahrgang, Heft 2, 1971

mith-Interpret einen weltweiten Ruf. Der Meister wäre mit seiner Auslegung sicher sehr zufrieden gewesen. Ich hatte doch noch die authentischen Tempi (soweit es solche überhaupt gibt) in mir. Gerade die Passacaglia war von Wöss mutig langsam ge nommen worden. Was man nicht verstehen konnte, war, — und hier hätte F. H. wieder ein Glas Sekt zur Beruhigung gebraucht —, daß der Opernchef Wöss nach der Premiere das Werk im Stiche ließ und es in die Hand des Studienleiters legte, um auf Konzert reise zu gehen. Noch dazu war die Oper am Ende der Spielzeit angesetzt worden, so daß es nur zu fünf Vorstellungen kam. Begrüßenswert war der gut besuchte Ein führungsvortrag von Gallee; Frau Fölser (die Susanne auch der Uraufführung) und ich sangen zum Abschluß als Werkprobe die Szene, die im Garten des Starhemberg'schen Schlosses zu Eferding spielt. Die Linzer Kritiken, soweit sie sich mit der Aufführung und nicht mit den internen Zuständen befaßten, waren ausgezeichnet. Der Linzer Theaterchronist Dr. Heinrich Wimmer schrieb u. a.: „Es ist klar, daß die Bühnenwiedergabe eines so grandiosen Werkes höchste Ansprüche an den Theater apparat stellt. Daß diese vom Landesthea ter erfüllt werden konnte, ist auf einem Ehrenblatt der Linzer Theatergeschichte zu verzeichnen." Wie soll es mit dem klingenden Keplerdenkmal weitergehen. Dieses Werk wird es nicht deshalb schwer haben, weil es keine gute Oper ist, sondern weil es einem Thea ter alles abverlangt. Wie wäre es, wenn sich z. B. ein Dirigent wie Karajan, oder mit den Möglichkeiten eines Karajan (Oster festspiele, Salzburger Festspiele — das Große Festspielhaus würde sich geradezu anbieten) mit aller Kraft der „Harmonie" annehmen würde? Vielleicht fänden sich erstklassige Sänger, die sich der Zeit und Mühe unterziehen würden, die heiklen Partien zu studieren — aber wirklich zu studieren. Ohne den kommerziellen Hin tergrund: „Wo kann ich die Partie noch singen — wo bringt sie Geld?" (Wieland Wagner z. B. dachte daran, den „Mathis" in Bayreuth zu bringen!) Man muß es wohl für gewisse Kreise wie der einmal ganz deutlich sagen: Hindemith sitzt am Künstlerhimmel in bester Gesell schaft, sicher nicht auf einem Plüschsessel wie Wagner oder Strauß — vielleicht nur auf einer Holzbank, wie er es in seinem geliebten Blonay zu tun pflegte —,aber auf gleicher Höhe. Es wird Zeit, in die Privat bibliothek eine Hindemithbiographie ein zureihen und nachzulesen, welch vorbild lich einfacher, mutiger, gütiger, aufrechter und gläubiger Mensch er war. (Hochge bildeten rutscht oft noch immer ein engli sches „th" über die Zunge, wenn sie sei nen Namen aussprechen!) Vor Jahrzehnten schrieb Dr. Erich Steinhard (Prag): „Be neidenswert die Nation, die einen solchen Kopf hervorgebracht hat, der mit Schubert'schem Genie singt, mit tiefer Inbrunst betet, mit der Naivität eines Kindes lacht und revolutionär ist, ohne zu kämpfen." Dem Landestheater Linz obläge jetzt noch die Pflicht, nachdem es so viel Mut und Enthusiasmus für „Mathis der Maler" und „Die Harmonie der Welt" aufgebracht hat, des Meisters letztes Bühnenwerk „Das lange Weihnachtsmahl" würdig herauszu bringen. Wohl ist diese eine Stunde dauernde Oper mit dem Text von Thornton Wilder wirklich nur ein Werk für Kenner: „Wie in einer Zeitrafferaufnahme werden in diesem Stück 90 Jahre durchlebt — die 90 Weihnachtsmähler der Bayards."

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