Oberösterreich, 21. Jahrgang, Heft 2, 1971

Mathis Auf denn zum letzten Stück des Wegs. Leicht will ich die Schwelle übertreten. Wie sich alle Furcht von mir löste sei auch das letzte Blatt aus reifem Herbst dem Boden übergeben. Hohl wie das Grab die Truhe dem Schlaf reicht die Hand die kleinen Leichname,sie mögen noch bewahren,wenn man mich begraben hat einen Hauch dessen, was ich an Gutem übte, was ich erstrebte, was ich erschuf, was mir an Ehren war, was mich bedrängte, was ich liebte. Kepler Mißton ist noch des Todes Lockgesang So hoff ich auf des Himmels Wohlklang Mensus eram coelos. Überhöhte dabei mein eigen Maß, Nunc terrae metior umbras, Harmonie suchend in der Erde Schoß Mens coelestis erat, des Klanges,den ich nie erspäht — Corporis umbra iacet. Der sich vergeblich erhoben hat. Vergeblich — das wichtigste Wort am End, Das man als Wahrheit tiefinnerst erkennt. Die Linzer Probenarbeit war sehr ange nehm unter der Regie von Reinhold Schubert. Mein Freund und „Mathis"-Mitstreiter Bruno Gallee schwirrte eifrig über die Bühne und so fühlte ich mich nicht ver lassen. Gallee brachte aus den vorher er wähnten Gesprächen mit fiindemith für die Bebilderung der Kepler-Oper reiche Er fahrung mit. Hindemith (so Gallee) konkretisierte den pytagoräischen Gedanken der Sphärenhar monie Keplers, die er in der Bewegung der Planeten wiedererkannte, daher verläuft auch der dramatische und musikalische Spannungsbogen durch die ganze Oper in einem Rhythmus. Aus Fugato und Passacaglia, die wir in Oktaeder und Tetraeder wiedererkennen, steigert sich der Schluß in kreisende, strömende Bewegungen. Diese „Musica mundana" führt Hindemith un vergleichlich als Synthese von Harmonik und Polyphonie über das Ordnungsgefüge in die große Harmonie. Das habe ich schon im Grundriß versucht auszudrücken, die jeweiligen Hintergründe und Schauplätze waren nur Staffage für das musikalische Gefüge, das am Schluß in Zusammenklang aller klanglichen, gestischen, räumlichen und farbigen Komponenten die sphärischen Harmonien auszudrücken versuchte. Die Realistik des Geschehens, die handfeste dramatische Handlung war auf das Oktae der im Grundplan und seinen Aufbauten beschränkt. Die Symbolik der Planeten bahnen war durch Schleier erkennbar, ähn lich der „Musica humana" (seines zweiten Satzes der Sinfonie). Hier wurde Musik und Astronomie, Theologie und Philoso phie zur Proportion von Mensch zur Welt. Kurt Wöss war der Initiator und musikali sche Betreuer des Werkes. Er hat als Hinde-

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