Oberösterreich, 21. Jahrgang, Heft 2, 1971

reitet werden konnte. Um mit Beckmesser zu sprechen:„... und die Tinte noch naß". Ich habe die Münchner Aufführung nicht gesehen, jedenfalls blieb damals dem Werk der durchschlagende Erfolg versagt. Einer der maßgeblichen Bremer Herren dachte so gar an die Absetzung der Oper, die drei Monate später dort kommen sollte. Aber voran Generalintendant Albert Lippert mit seinen Getreuen ließen sich nicht entmutigen. Sie glaubten an das Werk. Entscheidungen über neue Kunstwerke fal len nicht immer in den großen Musikzen tren der Welt. Mit einem Fanatismus son dergleichen ist in Bremen an dem anforde rungsreichen Werk gearbeitet worden. Der dem Linzer Publikum als großartiger Schauspieler bekannte Albert Lippert führte Regie. (Es bewahrheitete sich wieder ein mal die alte These, daß nur ein von be rufener Hand geführtes und in steter Dis ziplin angehaltenes Ensemble dem Theater nützen kann). Ich hatte Gelegenheit, in den vorhergegangenen Theaterferien mit Lip pert in seinem Heim am Kochelsee und während der Probenzeit viele Probleme, die das Stück mit sich brachte, durchzudenken. Dem inzwischen weltbekannten Bühnen bildner Günther Schneider-Siemssen ver schaffte ich (wieder wurde Dr. Krezci zum verläßlichen Helfer) Fotos, u. a. vom Linzer Landhaus. Große Freude bereitete mir natürlich das Wiedersehen mit dem Meister und dessen Gattin. Bald wurden Linzer Erinnerungen ausgetauscht — die Zeit schien stehenge blieben zu sein. Ich muß hinzufügen, daß ich in Bremen nicht den Kepler, sondern den Tansur — eine sehr wirkungsvolle, interessante Par tie — sang. Hindemith schenkte mir zur Premiere ein Buch mit der Widmung:„Dem der ,Harmonie der Welt' zur Vollkommen heit verholfen habenden Saturn-Tansur Fritz Bramböck herzlichst dankend." Man kann sich also leicht vorstellen, daß es einen gebürtigen Linzer in Norddeutsch land sehr „eigen" berührt, wenn er auf der Opernbühne statt Sevilla, Venezia, Pa lermo... plötzlich den Namen „Linz" sin gen hört,z. B. Kepler: „Da Frau, Kind, Gönner, Arbeit von mir gehn, Muß ich nehmen, was Linz mir bot"(Vor hang) Linz war Tansurs, also mein Stichwort — die Scheibe drehte sich. Auf der fast stock finsteren Bühne mußte ich mich akrobatisch zwischen hastig umbauenden Bühnenarbei ten auf meinen Platz begeben — einen un krautbewachsenen Ruinenhügel auf der Prager Kleinseite. Der Vorhang ging hoch — das Orchester wurde lauter — und Ein satz: Tansur: „Da wart ich auf den großen Herrn Was er mir jetzt zu tun anv/eist" (Wallenstein) Der nächste Schauplatz: Linz — der Arka denhof des Landhauses mit dem schönen Portal, die Frauen tragen Landestracht mit den dazugehörigen Goldhauben. Herrlich, wenn einem im Ausland die Heimat nach läuft! Publikum und Kritik waren sich klar dar über: Ein souveränes Werk höchster Mei sterschaft. Die Stärke des Schlußbeifalls steigerte sich zu einer Ovation für den an wesenden Komponisten und die über 100 Mitwirkenden. Der Komponist und Kritiker Roselius schrieb: „Das hohe Ethos und der rein musikalische Wert jener mit dem Ge schick des Astronomen J. Kepler verwobenen Oper bestimmten den nachhaltigen Eindruck. Dieses persönliche Bekenntnis Hindemiths, der als deutscher ,Klassiker der Modernen' in der Gegenwart auf ein samer Höhe steht, war ausschlaggebend für den einzigartigen Erfolg. Wenn ein rei fer, abgeklärter Tondichter wie Paul Hinde mith den Mut hat, in der Unrast und Wirr nis unserer Tage nicht nur die chaotische Zerrissenheit aufzuzeigen, sondern auch die große Frage nach dem Warum, nach dem Ausweg aus der Aussichtslosigkeit eines solchen Daseins aufzuwerfen — und wenn ein schöpferischer Geist dann, aus der Pa rallele der Vergangenheit jene Trostlosig keit in so glaubensstarker überzeugender Weise zu erhellen vermag, dann gehört ihm unsere Aufmerksamkeit. Den Formenreich tum dieser Partitur zu beschreiben, würde ein Kompendium für sich erfordern." Hindemith war mit unserer Arbeit zu frieden. Das machte uns stolz und glück lich. Der Hansestadt Bremen verehrte er während einer schlichten Premierenfeier die Originalpartitur der „Harmonie". Albert Lippert dankte in einer launigen Rede dem Meister und überreichte ihm dankbarst eine Links: Weihnachtskarte Paul Hindemiths an Dr. Hanns Kreczi aus dem Jahre 1956. Rechts; Paul Hindemith während eines Kon zertes. — Aufnahme: Elfriede Broneder, Wien. Beide Abbildungen stellte freundlicherweise Fritz Bramböck zur Verfügung.

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