Oberösterreich, 21. Jahrgang, Heft 2, 1971

'-.^V .■^■-V Sii t.'-'^.^üMk^ rK^^> M^m9. r-^j^:».-!'ri sc< Steyr zur Zeit Kepiers • W. Hausser, Kupferstich 1611 (Detail) JOHANNES KEPLER UND STEYR Als im August des Jahres 1608 die welt lichen Landstände die Wiedereinführung des Protestantismus in den landesfürst lichen Städten Oberösterreichs durchsetz ten, wurde in Steyr die evangelische Latein schule, die gegen Ende des 16. Jahrhunderts im Zuge der Gegenreformation gesperrt worden war, wieder eröffnet. Konrektor Egidius Weixelberger aus Regensburg, ein berühmter Gelehrter, erhielt die Rektor stelle. Magister Jakob Tydeus aus Horn wurde 1609 als Konrektor und Georg Taubenrackh aus Eferding als Kantor ange stellt. Von diesen und anderen Pädagogen, die damals in Steyr wirkten, sagt Valentin Preuenhueber in seinen Annalen, daß sie „eine solche schöne Lateinische Schul, in stattlicher Frequenz, sowohl von einheimi schen als sonderlich fremden Knaben, Edel und Unedel, anrichteten, daß sie dem Landschaffts Gymnasio zu Linz nichts bevor gäbe". An der adeligen Landschaftsschule in Linz, die ebenfalls wieder ihre Pforten geöffnet hatte, sollte Weixelberger das Rektorat übernehmen, doch Steyr verhinderte diese Berufung. Bekanntlich wirkte an dieser An stalt seit Mai 1612 auch Johannes Kepler als Mathematikprofessor. Während seines Aufenthaltes in der Lan deshauptstadt kam der berühmte Astronom mehrmals in die Eisenstadt. Nachweisbar sind zwei Besuche im Jahre 1616. Am 20. Jänner dieses Jahres berichtete aus Steyr ein unbekannter Freund Kepiers an dessen Gattin: „Liebe Frau Kepplerin. Es hatt mich ewer Hausswürth gebetten, euch anzuzeigen, das er bis heutt, donnerstag am Morgen allhie zu Steur verpliben, und jetzo von hinnen zu fuess mit eim Boten nach Enz (Enns) und Schweitzberg (Schwertberg) raise, vermuthe, wan der Herr von Tschernemel daheimen, werde er vor Montag nit nach Haus khomen khönen." Wie mit Georg Erasmus Tschernembl, dem Führer der protestantischen Stände Ober österreichs, war Kepler wohl auch mit den Professoren der Steyrer Lateinschule be freundet. Daß er auch zu Bürgermeister, Richter und Rat der landesfürstlichen Stadt Beziehungen hatte, bezeugt folgende Ein tragung im Ratsprotokoll vom 5. August 1616: „Johann Kepler p. recompens Ver ehrter Exemplar", Ratsbeschluß: „Dem Herrn Suppl. (Supplikanten) sein 8 Taller Zuuerehren gewilligt." Der Titel der Dedikationsexemplare ist nicht angeführt. Da aber Kepler sein Buch „Auszug auss der Uralten Messekunst Archimedis und newlich in Latein aussgangener Ergentzung betref fend Rechnung der Körperl. Figuren, holen Gefessen und Weinfässer", das im Jänner dieses Jahres in Linz von dem aus Erfurt stammenden Buchdrucker Hans Plank, den der Astronom zur Übersiedlung in die Donaustadt bewogen hatte, gedruckt wor den war, den Bürgermeistern, Richtern und Räten der Städte im „Erzherzogtum Öster reich unter und ob der Enns" gewidmet hatte, kann mit Recht angenommen wer den, daß er dem Magistrat zu Steyr dieses Werk verehrte. Die Schrift handelt von der Raumausmessung der Weinfässer und an derer Gefäße mit einer Visierrute. Kepler hatte sie in lateinischer Sprache schon 1615 unter dem Titel „Stereometria Doliorum Vinariorum" veröffentlicht. In der deut schen Ausgabe fehlen die gelehrten Be merkungen, dafür wurde aber ein Anhang mit Gewichts- und Maßangaben beigefügt. Ob der Gelehrte in den folgenden Jahren noch andere Werke dem Magistrat zu Steyr überreichte, ist nicht bekannt. Von dem Drucker Hans Plank wissen wir, daß er am 11. Jänner 1619 dem Stadtrat etliche Kalen der zur Verfügung stellte und dafür 4 Ta ler erhielt. Zu den Bekannten Kepiers in Steyr ge hörte wahrscheinlich auch der Kleinuhr macher Daniel Scheyrer, von dem berichtet wird, daß er um 1624 einen Himmelsglobus aus Messing anfertigte. Vermutlich erfolgte die Herstellung unter Anleitung des Astro nomen, der sich gerne mit Leuten aus dem Volke unterhielt. Gehörte ja auch in Prag der Uhrmacher Jost Bürgi zu seinen Freun den. In der Zeit der konfessionellen Wirren und des Bauernkrieges verließen Scheyrer und Kepler das Land ob der Enns. Vermutlich kehrte der Uhrmacher zurück in seine Vaterstadt Augsburg, Kepler zog 1626 mit seiner Familie nach Ulm und trat später in denDienst Wallensteins. An den großen Ge lehrten erinnert in der Eisenstadt eine Straße im Stadtteil Ennsleite. Dr. Josef Ofner

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