Oberösterreich, 21. Jahrgang, Heft 2, 1971

den sich plötzlich in einer finanziellen Krise, die ihren Znsammenbruch beschleunigte. Als Kaiser Matthias 1619 starb, überstürz ten sich die Ereignisse. Die protestantischen Stände Oberösterreichs weigerten sich, sei nen Nachfolger Ferdinand II., den sie als Gegenreformator der Steiermark und Zer störer der evangelischen Freiheit ansahen, anzuerkennen. Sie faßten daher in einer Ständeversammlung den entscheidenden Beschluß, die Landesverwaltung bis zur Er wählung des künftigen Landesfürsten selbst zu übernehmen. Ihren Entscheidungen widersetzte sich nur der Prälatenstand. Un ter der Führung Tschernembls, der das nö tige historische und diplomatische Rüstzeug lieferte, beschriften die Stände immer mehr den Weg des Abfalles vom Hause Öster reich. Noch 1619 beschloß man einen Bund mit den aufständischen böhmischen Stän den, die sogenannte Konföderation, obwohl der Abt von Kremsmünster, Anton Wolfradt, entschieden dagegen Stellung genom men hatte, da sie ohne Zustimmung des ge krönten böhmischen Königs, Ferdinand II., zustande gekommen sei. Dieses Dokument der böhmisch-österreichischen Vereinbarun gen stellt ein wichtiges Werk des ständi schen Widerstandsrechtes dar und zeigt, daß man bei Abfassung den Vorstellungen Tschernembls, der schon lange Jahre mit diesem Gedankengut vertraut gewesen war, weitgehend entsprochen hat. Inzwischen war Ferdinand II. zum römisch deutschen Kaiser gewählt worden und schickte sich an, die widerspenstigen Erb lande mit Hilfe des Herzogs Maximilian von Bayern zu erobern. Nun zeigte es sich, daß die militärische Kraft der Stände äußerst gering war, denn die bayrischen Truppen fanden 1620 bei ihrem Einmarsch in das Land ob der Enns keinen nennens werten Widerstand. Der Herzog von Bayern erzwang die Auslieferung der Konfödera tionsurkunde und die Huldigung der Stände, die am 20. August 1620 im Linzer Schloß stattfand. So war das Ende der stän dischen Libertät gekommen, eine neue Zeit unter dem bayrischen Statthalter Adam Graf Herberstorff war angebrochen. Georg Erasmus Tschernembl war den bay rischen Truppen entkommen. Sicherlich wä ren sie seiner gerne habhaft geworden, da sie ihn als obersten Rädelsführer und Re bellen betrachteten. Er weilte zunächst bei den aufständischen niederösterreichischen Ständen und begab sich von dort nach Prag. Die Schlacht am Weißen Berg, am 8. No vember 1620, die mit der Katastrophe der Armee des Winterkönigs endete, war auch der Untergang der politischen Laufbahn Tschernembls. Nur die schnelle Flucht ret tete ihn vor der Gefangennahme und dem sicheren Tod. Seine letzten Lebensjahre ver brachte er in Genf, der Stadt des Reforma tors Calvin, wo er auch am 18. 11. 1626, nicht ganz 60 Jahre alt, gestorben ist. Tschernembls Kampf um ständische Rechte und religiöse Freiheit war vergeblich gewe sen; das aufkommende Landesfürstentum hatte den Sieg davongetragen und den Ständen nur mehr die alten Formen ohne den politisch-wirksamen Inhalt überlassen. In seiner Person hatte sich noch einmal das altständische Prinzip, verbunden mit einem leidenschaftlichen Fanatismus für die Si cherung des evangelischen Bekenntnisses, manifestiert, sein unbeugsamer Wille und seine politisch-diplomatische Fähigkeit hatten die Stände mitgerissen, in einer großen pro testantisch-ständischen Union dem Landes fürsten Widerstand zu leisten. Mitten im Kampfe fanden sie sich dann allerdings allein und ohne Hilfe. Die Truppen des bayrischen Herzogs, dem das Land ob der Enns für etliche Jahre ver pfändet wurde, bereiteten der ständischen Macht für immer ein Ende. Oberösterreich ging einer unruhigen und Ungewissen Zu kunft entgegen. Die fremde Pfandherrschaft empfand man als sehr drückend, wie dies der 1625/26 aufflammende große Bauern krieg beweist, und die dreißig langen Kriegsjähre waren auch für die obderennsische Bevölkerung voller Mühsal und Schrecken. Das war nun nicht mehr jenes gastliche Land,in dem Künste und Wissen schaften blühten und von dem ein Johannes Kepler einstmals gemeint hatte: „das son derlich diser Griten vil adeliche gemüther sich finden, welche nach dem hochlöblichen Exempl ihrer Landsfürsten und Herren von dem Hauß Österreich den mathematischen Künsten und Betrachtung der allerweisesten und zierlichsten Werckhe Gottes in Erschaf fung Himmels und der Erden, hindangesetzt aller anderer Khurzweil, vernünftigelich ergeben" seien. Zum vorliegenden Aufsatz wurde folgende Literatur herangezogen: Otto Brunner, Land und Landstände in Öster reich. Mitteilungen des Oberösterreichischen Landesarchivs 5 (1957), S. 61—73; Anna Gräfin Coreth, Job Hartmann von Enenkel, ein Gelehrter der Spätrenaissance in Österreich. Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung 55(1944), S. 247—302; Herta Eberstaller, Zur Finanzpolitik der Ober österreichischen Stände im Jahre 1608. Mit teilungen des Oberösterreichischen Landes archivs 8 (1964), S. 443—451; Karl Eder, Glaubensspaltung und Landstände in Österreich ob der Enns 1525—1602(= Stu dien zur Reformationsgeschichte Oberöster reichs 2, Linz 1936); Georg Criill, Das Linzer Bürgermeisterbuch (2. Aufl., Linz 1959); Othmar Hageneder, Die Entstehung des Lan des ob der Enns. Oberösterreich 18. Jg., 2. Heft (1968/69), S. 17—22; Herbert Hassinger, Die Landstände der öster reichischen Länder. Zusammensetzung, Or ganisation und Leistung im 16. bis 18. Jahr hundert. Jahrbuch für Landeskunde von Niederösterreich N. F. 36/2 (1964), S. 989 bis 1035; Hugo Hebenstreit, Die Hebenstreit in Linz. Historisches Jahrbuch der Stadt Linz 1964 (1965), S. 11—40; Alfred Hoffmann, Die Oberösterreichischen Landstände und Landtage in alter Zeit(= Verfassung und Verwaltung des Landes Oberösterreich vom Mittelalter bis zur Gegenwart, Linz 1937), S. 5—34; Altman Kellner, Profeßbuch des Stiftes Kremsmünster (Kremsmünster 1968), S. 205 bis 207; Gerhard Rifschel, Die Förderung von Kultur und Wissenschaft durch die oberösterrei chischen Landstände 1574—1624 (Wiener phil. Dissertation 1968); Eduard Straßmayr, Die Ämter-Organisation der Stände im Lande ob der Enns. Mittei lungen des Oberösterreichischen Landes archivs 1 (1950), S. 239—274; HansSiurmberger,Georg Erasmus Tschernembl: Religion, Libertät und Widerstand (Forschun gen zur Geschichte Oberösterreichs 3, Linz 1953); Derselbe, Die Anfänge des Bruderzwistes in Habsburg. Mitteilungen des Oberösterr. Lan desarchivs 5 (1957), S. 143—188; Derselbe, Aufstand in Böhmen. Der Beginn des 30jährigen Krieges (= Janus-Bücher 13, München-Wien 1959); Derselbe, Oberösterreich in der Geschichte. Oberösterreich 18. Jg., 2. Heft (1968/69), S. 1—10; Derselbe, Melchior Hainhofers „Christliches Werk". Mitteilungen des Oberösterr. Lan desarchivs 8 (1964), S. 452—462; Georg Wacha, Linz zur Zeit Keplers(= Johan nes Kepler, Werk und Leistung. Katalog der Ausstellung im Steinernen Saal des Linzer Landhauses, Linz, 1971), S. 5—34; Othmar Wessely, Linz und die Musik. Von den Anfängen bis zum Beginn des 19. Jahr hunderts. Jahrbuch der Stadt Linz (1950), S. 96—197; Heinrich Wurm, Die Hohenfelder in Öster reich und Württemberg. Jahrbuch für Ge schichte der Oberdeutschen Reichsstädte: Esslinger Studien 11 (1965), S. 192—209.

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