KEPLER IN OBERÖSTERREICH Dr.Herta Hageneder Die Stände des Landes ob der Enns zur Zeit Keplers Dr. Wilhelm Freh Johannes Kepler, Werk und Leistung — Ausstellung im Steinernen Saal des Linzer Landhauses vom 19. Juni bis 29. August 1971 Dipl.-Ing. Anton Wilhelm Uhren und Instrumente aus der Zeit Johannes Keplers im Linzer Schloß Dr. Josef Ofner Johannes Kepler und Steyr Fritz Bramhöck Ein klingendes Keplerdenkmal Dr. Hellmut Tursky Johannes Kepler in Linz Dr. Wilhelm Rausch Linz und seine Keplerdenkmäler Dr. Aldemar Schiffkorn Keplers Jünger in Apoll — Zu Arthur Fischer-Colbries Drama,Johannes Kepler" Superintendent Dr. Leopold Temmel Johannes Keplers Sonderstellung als evangelischer Christ in Oberösterreich Rudolf Walter Litschel Johannes Kepler und sein Linzer Freundeskreis Rudolf Walter Litschel Johann Planck,der erste Linzer Buchdrucker, und seine Nachfolger Schriftleitung: Dr. Otto Wutzel Das nächste Heft der Zeitschrift „Ober österreich" (Sommerheft 1972, Erschei nungstermin Juni 1972) behandelt das Thema: Landwirtschaft in Oberöster reich. Umschlagbild: Kepler-Wappen, Feder und Tempera, 1463, Wappenkonfirmation Kaiser Fried richs III. für die Brüder Heinrich und Konrad Kepler. österreichisches Staats archiv Wien, Verwaltungsarchiv, Adels akten IV. D.1. Kulturzeitschrift OBERÖSTERREICH Kunst, Geschichte, Landschaft, Wirtschaft, Fremdenverkehr. Halbjahreszeitschrift. Erscheinungstermine Juni und Dezember. 21. Jahrgang, Heft 2, Winterheft 1971. Die verehrten Leser werden daraufaufmerksam gemacht, daß diesem Heft ein Prospekt des im Verlag St. Peter, Salzburg, erschienenen Kunst führers von Benno Ulm, Das Mühl viertel, beigelegt ist. Eigentümer, Herausgeber und Verleger: Ober österreichischer Landesverlag; verantwortlich für den Inhalt im Sinne des Pressegesetzes: Doktor Otto Wutzel, sämtliche Linz, Landstraße 41, Ruf 26 7 21. — Druck: Oö. Landesverlag Linz. — Jahresabonnement (2 Hefte) S 60.— inkl. Porto. Einzelverkaufspreis S 35.—.
Herta Hageneder Die Stände des Landes ob der Enns zur Zeit Keplers Die Stände des Landes ob der Enns, die sich in Prälaten-, Herren-, Ritterstand und in die sieben landesfürstlicben Städte glie derten, sind nicht erst im 16. Jahrhundert entstanden, sondern reichen in ihren An fängen bis in die Zeit der Landeswerdung um die Mitte des 13. Jahrhunderts. Als Landesgemeinde, als „Landschaft", fanden sie sich mit dem Landesherren zum gemein samen Handeln im Gericht und in der Lan desverteidigung. Das war möglich, seit das Land seine Gestalt gewonnen, einen eige nen Namen erhalten und ein spezifisches Landrecht ausgebildet hatte. Der Landes fürst konnte ohne Mitwirkung der Stände keine Steuern einheben, er blieb an ihre Bewilligung gebunden, da sein eigener, en gerer Herrschaftsbereich, das Kammergut, nicht ausreichte, seinen vielfältigen Pflich ten und Aufgaben gerecht zu werden. Die Bedeutung der Landtage, die für diese Ver handlungen seit dem ausgehenden 14. Jahr hundert ausgeschrieben wurden, stieg da durch — besonders in kriegerischen Zeit läuften — immer mehr. Die Stände konnten an ihre Zustimmung gewisse Bedingungen knüpfen, die u. a. die Abstellung von Be schwerden oder die Einflußnahme auf die Besetzung der landesfürstlichen Behörden bewirken sollten. Denn nicht als ständi sches Organ, sondern als vom Landesfür sten selbst ernannter Vertreter erscheint der Landeshauptmann, wenn er auch zumeist dem Herrenstand des Landes entstammte und den ständischen Interessen zutiefst ver bunden blieb. Begreiflich, daß diese Dop pelstellung nicht frei von Spannungen war. Dem Landeshauptmann — oder Hauptmann ob der Enns, wie er bis 1478 genannt wurde —,oblag die Sicherung der Ordnung und Ruhe im Lande; ihm gebührte außerVorderseite: Linzer Landhaus, Blick aus dem Landhausturm (gotisches Fenstergitter) in den Arkadenhof mit Planetenbrunnen von Peter Guet aus dem Jahre 1582. — Aufnahme; H. G. Prillinger. Links: Blick in den Steinernen Saal des Linzer Landhauses während der Kepler-Ausstellung 19. Juni bis 29. August 1971. Vor dem Stuck portal Johann Kaspar Modlers aus 1758 das barocke Holzstandbild Keplers von Sebastian Remele aus dem Mathematischen Turm (Stern warte) des Stiftes Kremsmünster. — Auf nahme: M. Eiersebner. dem der Vorsitz im obersten Adelsgericht, dem Landrecht. Als Gehilfe und Vertreter stand ihm der Anwalt zur Seite, der ge wöhnlich dem Ritterstand angehörte und sich erst langsam zu einem selbständigen landesfürstlichen Beamten entwickelte. Zur Bewältigung seiner Aufgaben waren dem Landeshauptmann außerdem der Land schreiber, der Leiter der Landkanzlei, und der Landrichter beigesellt. Diese Einrichtung der ständigen landes fürstlichen Behörden, die besonders unter Maximilian 1. ausgebaut worden war, zwang nun die Stände, die um ihren Ein fluß auf die Geschicke des Landes bang ten, auch ihrerseits eine eigene Verwal tungsorganisation zu schaffen. So entstan den in der Folge drei Kollegien, denen eine nicht geringe Bedeutung innerhalb des stän dischen Verwaltungsapparates zukam: 1. Das Kollegium der Verordneten, das mit je zwei Vertretern eines jeden Standes acht Mitglieder umfaßte. 2. Das Ausschußrats kollegium, welches die ständischen Rechte und Interessen wahrzunehmen hatte, und 3. das Raitratskolleglum, das der Kontrolle des landständischen Rechnungswesens diente. Neben der Veranlagung und der Einhebung der Steuern zählte der militä rische Schutz des Landes zu der wichtigsten Aufgabe der Landstände. Wesentlich bestimmend für das Land ob der Enns wurde im 16. Jahrhundert die rasche Ausbreitung des reformatorischen Gedankengutes. Der Adel und die Städte waren der neuen Lehre bald ergeben und standen nun als Gegenpol dem katholischen Landesfürsten gegenüber, den die ständige Türkengefahr zu immer neuen Zugeständ nissen in der konfessionellen Frage zwang. Das Jahr 1568 stellt einen Höhepunkt in diesem Ringen zwischen den beiden Ge walten dar: damals erhielten die Stände von Maximilian II. für 1 Million Gulden Türkenhilfe die sogenannte Religionskon zession, die ihnen weitgehende Freiheiten sicherte. Diese Zeiten einer geschwächten landesherrlichen Macht sah die obderennsischen Stände auf dem Gipfel ihres Einflus ses. Unter ihrem Schütze erblühte eine Adelskultur, die besonderen Wert auf die Heranbildung der Jugend legte, die zu nächst in der eigens für sie geschaffenen Landschaftsschule erzogen und dann noch an auswärtige Universitäten geschickt wurde. Das 1564 bis 1571 erbaute Land haus zu Linz zeugt ebenfalls sinnfällig vom Selbstverständnis und von der Bedeutung der Landstände. Indes zeichnete sich be reits langsam der Niedergang dieser Macht stellung ab; das Ende des 16. Jahrhunderts eröffnete so recht die nach dem Konzil von Trient verstärkt einsetzende Gegenreforma tion des katholisch gebliebenen Landesfür sten. In den Städten, die zum landesfürst lichen Kammergut gehörten, begann eine systematische Rekatholisierung. Der 1592 zum Landeshauptmann ernannte Hans Jakob Löbl von Greinburg, der sich vor allem als kaiserlicher Beamter und Voll strecker der landesfürstlichen Befehle be trachtete, nahm entschlossen den Kampf gegen die protestantischen Stände auf. Mit äußerster Energie zwang er die Magistrate zur Ausweisung der Prädikanten und setzte überall im Lande wieder katholische Seel sorger ein. Auch der Herren- und Ritter stand mußte sich beugen und zunächst wohl oder übel die Schließung des evangelischen Gottesdienstes im Landhaus und der Land schaftsschule dulden. Erst der Ausbruch des Bruderzwistes im Hause Habsburg, dessen Anfänge sich bereits in die frühen Zeiten Kaiser Rudolfs II. zurückführen lassen, brachte noch einmal einen Umschwung der allgemeinen Lage. Nun waren es wieder die Stände, die ihr Gewicht in die Waag schale warfen und politisch handelnd auf treten konnten. Klug ersahen sie ihren Vor teil und unterstützten den ehrgeizigen, nach Macht und Herrschaft drängenden Erzher zog Matthias gegen seinen Bruder, den Kai ser, der ihm wohl schon lange — nicht un begründet — zutiefst mißtraut hatte. Nach dem Vertrag von Lieben, am 25. Juni 1608, in dem Matthias die Krone von Ungarn nebst der Anwartschaft auf die böhmische sowie die beiden Länder ob und unter der Enns erhielt, präsentierten ihm die obderennsischen Stände bald ihre Rechnung, die in ihrem Wunsche nach völliger Religions freiheit gipfelte. Zugleich suchten sie für alle Fälle gerüstet zu sein, entschieden sich für verstärktes Kriegswesen, wachsame Verteidigungsbestimmungen an den Lan desgrenzen und knüpften allenthalben
M Pkivil C M ij^Sl A\(,\.-n>>iMO Ei^ZoRfWissiNto Rom iMri KMORi 1\\ POl.PHO il CitRMAS'lA, 11\'V.AK I.V., noiltMl.V l.Tv: HK.I iJXv^ -'VO c.i.t\|t:.s' ri,A-iMo lUbxnsii.Mv.s cuhn;.-- .v.iaiaw-; ?.-\i">ti.ni in El llU'.ii.-V. vMi.-'HAAS:ILt .-l.A'XM ASNO MÖv'VllH l'R.\r,.t' Oben: Johannes Kepler: Astronomia nova, 1609, Titelkupferstich von Egidius Sadeler mit Porträt Kaiser Rudolfs II. Rechts: Wappenpyramide der Verordneten des Herrenstandes von 1526 bis 1729 (Oberöster reichisches Landesarchiv, Landschaftsarchiv, Hs. 150). — Die nachfolgenden Aufnahmen aus der Bildstelle des OÖ.Landesarchivs. freundschaftliche Beziehungen zu evangeli schen Ständen und Reichsfürsten. Diese Politik ohne solide finanzielle Grundlage war von vornherein zum Scheitern ver urteilt; das wird später noch zu zeigen sein. Zunächst gilt es, das kulturelle Wirken die ser Stände, die sich eben anschickten, einen Johannes Kepler, der sich in Prag nach einer ruhigeren Arbeitsstätte sehnte, 1612 in ihre Dienste zu ziehen, näher zu beleuchten. Ohne Übertreibung kann von einem echten Mäzenatentum gesprochen werden: Der starke Kulturwille der Stände zeigt sich schon in der großzügigen Ausgestaltung der Landschaftsschule, deren Ruf weit über die engeren Grenzen drang, und in der Errichtung einer bedeutenden Bibliothek. Eifrig waren die Stände bestrebt, aus allen Teilen Deutschlands berühmte und ver dienstvolle Gelehrte zu gewinnen, um das Ansehen ihrer Schule zu heben. Ebenso lie ßen sie sich die Pflege der Musik angelegen sein. So wurde — ganz im Sinne des Prote stantismus — der Unterricht in Gesang und Instrumentalmusik stark gefördert. Beru fungen ausländischer Kantoren, die sich auch als Literaten versuchten und interna tionale Verbindungen herstellten, rechtfer tigen vielleicht den Ausspruch, daß wir es damals tatsächlich mit einem Linzer Musik schaffen und nicht nur mit einer Musik pflege zu tun hatten. Die Wissenschaft an sich kam nicht zu kurz; das beweist ja deutlich das Beispiel Johannes Keplers. Hier wollen wir aber eines Mannes gedenken, an dessen Zusage den Ständen des Landes viel gelegen war: nämlich des Polyhistors Hieronymus Megiser. Er hatte bereits in Graz und Klagen furt gewirkt, 1601 Kärnten der Gegenrefor mation halber verlassen. 1613 traf er in Linz ein und wurde mit der Aufsicht über die ständische Bibliothek betraut. Die Stände zeigten auch großes Interesse für seinen Plan, die österreichischen Geschichts quellen herauszubringen. Als eine vorläu fige Probe der künftigen Scriptores gelang es Megiser 1618, das Fürstenbuch des Jans Enikel drucken zu lassen. Im Jahr 1616 vollendete er ein Theatrum Caesareum,eine kurze lateinische Habsburgergenealogie, die er den Ständen dedizierte. Dieses nach Mei nung der Herren Verordneten „sonder nuzlich schöne werckh" brachte seinem Autor eine ständische Zubuße von 200 Gul den ein. 1619 schloß Megiser zu Linz sein reich bewegtes Leben; es blieb ihm also der Niedergang der ständischen Herrlichkeit er spart. Wenn wir uns nun im Kreise der Stände des Landes umsehen, so fällt uns — gerade in Verbindung mit Megiser — ein adeliger Gelehrter der Spätrenaissance auf, der auch einige Jahre als Landedelmann und Inspek tor der Landschaftsschule in Oberösterreich verlebte: Job Hartmann von Enenkel. Mit ihm betreten wir den späthumanistischen protestantischen Adelskreis in Österreich ob und zugleich unter der Enns, denn er verließ unser Land bereits 1613, um einem Ruf seiner niederösterreichischen Standes genossen zu folgen. Job Hartmann von En enkel zählt zu jenen außergewöhnlichen Sammlernaturen, die aber trotzdem als typisch für das Leben eines Adeligen der damaligen Zeit gelten können. Am 14. Sep tember 1576 wurde er zu Heinrichschlag bei Spitz in Niederösterreich als Sohn des Albrecht Enenkel und der Elisabeth von Kirchberg geboren. Er erhielt eine sorgfäl tige Erziehung und besuchte die protestan tische Schule in Loosdorf, die angesehenste unter den niederösterreichischen Latein schulen. Später wurde der Knabe in die Landschaftsschule nach Groß Meseritsch in Mähren gesandt, um dann 1592 die Uni versität Jena zu beziehen, die als ein Hort des Luthertums galt. Einige Jahre später führte ihn eine Kavalierstour nach Italien; so lernte er Bologna, Siena und Padua ken nen. 1601 ließ er sich nach seiner Heirat mit Marusch von Lappitz, der Witwe nach dem
bekannten humanistischen Dichter Chri stoph von Schallenberg, im Lande ob der Enns nieder. Bis 1613 war das Schlößchen Leombach sein bevorzugter Wohnsitz, in dem er wahrscheinlich seine herrliche Biblio thek anlegte, die nachmals (1624) 8000 Bände umfaßte und Zeugnis für seine vielfältigen Interessen ablegt. Job Hart mann begann Münzen, Medaillen und alte Chroniken zu sammeln oder selbst abzu schreiben. Vor allem aber widmete er sich genealogischen Arbeiten, die auch heute noch von unschätzbarem Wert sind. Bald nahm ihn aber die öffentliche Tätigkeit in Anspruch,denn seit 1606 begegnen wir ihm im Dienst der Stände. Von 1610 bis 1613 wirkte er als Inspektor an der Linzer Land schaftsschule, dem einerseits die Vermitt lung zwischen Schule und Ständen oblag, anderseits als Aufsichtsorgan die Übermitt lung der ständischen Anordnungen zukam. Neben seiner Sammler- und politischen Tä tigkeit pflegte Enenkel einen regen gesell schaftlichen Verkehr, über den wir aus sei ner Leombacher Zeit durch sein Gästebuch unterrichtet sind. Auch mit Gelehrten hatte er Umgang: Wie schon oben erwähnt, kannte er Hieronymus Megiser persön lich, ja er war es, der ihm eine selbst bear beitete Kopie des Fürstenbuches von Jans Enikel lieh, die Megiser dann im Druck herausgab. 1613 riefen ihn die niederöster reichischen Stände nach Wien. Leider war ihm auch dort die Muße versagt, aus seinen reichen Sammlungen ein Geschichtswerk zu formen,zu dem er vielleicht schon den Plan gefaßt hatte. Er starb 1627 mitten in seiner aktiven politischen Laufbahn. Job Hart mann von Enenkel war — obgleich Prote stant — niemals in kaiserliche Ungnade ge fallen. Seine Haltung war eine stets loyale gewesen, er hatte Ferdinand II. auch 1619 die Huldigung nicht verweigert und scheint sich aus allen Tagesfragen weitgehend her ausgehalten zu haben. In seinen gelehrten Neigungen steht er in einer folgerichtigen Linie mit den Sammlern des 16. Jahrhun derts. In ihm manifestiert sich noch einmal das historische und politische Interesse eini ger bedeutender Adeliger seiner Zeit, um dann erst wieder — ebenfalls von einem obderennsischen Landedelmann — von Jo hann Georg Adam von Hoheneck in seinem grundlegenden Werk über die Stände neu aufgegriffen zu werden. Wir sind dem historischen Ablauf etwas vorausgeeilt und wollen uns nun wieder auf den Vorabend des Dreißigjährigen Krieges besinnen, der den Ständen des Lan des ob der Enns noch eine kurze ruhigere Entwicklungsphase gönnte, wenn auch die Vorboten des nahenden Sturmes sich schon allenthalben ankündigten. Mit Job Hartmann von Enenkel haben wir das Leben eines adeligen Gelehrten ge streift, der dem Herrenstande angehörte. Ein Vertreter des Ritterstandes, Ludwig Hohenfelder (1576 bis 1644), soll uns kurz ; ■ --r- I-'/l" ,(• A' («i'S .l'.V beschäftigen, der einige Jahre als Verord neter der Stände des Landes gewirkt hat. Er war ein Sohn des mit der Universität Tübingen eng verbundenen Achaz Hohen felder, der im lutherischen Adel des Landes besonders in Kirchen- und Schulfragen ein gewichtiges Wort mitzureden hatte. Auch Ludwig Hohenfelder zählte — wie übrigens die Mehrheit der Ständemitglieder — zu den Anhängern der Augsburgischen Konfession. Er war eine friedliebende, dem reinen Luthertum ergebene Natur und dachte nie mals an einen Abfall vom Hause Öster reich; dies wurde ihm später sogar vom kaiserlichen Hofe bestätigt. Er selbst hatte einmal die Spaltung, in welche der Herrenund Ritterstand durch das Eindringen des Kalvinismus in seine Reihen geraten sei, höchst beklagt und gemeint, einer Festi gung der Confessio Augustana im Lande ob der Enns stünden vor allem diejenigen im Wege, „die in den vornehmsten Ämtern
stehen und durch Talente und Beredsam keit sich auszeichnen". Kein Zweifel, daß hier der fähigste und aktivste Kopf der adeligen Stände, Georg Erasmus von Tschernembl, angesprochen wurde! Über ihn wird später noch ausführlicher zu han deln sein. Nach der Schlacht am Weißen Berg und dem Sieg des katholischen Landesfürsten tums hieß es auch für Ludwig Hohenfelder, entweder den katholischen Glauben anzu nehmen oder die Heimat, an der er innig hing, zu verlassen. Für ihn gab es kein Zaudern; obgleich er immer kaisertreu ge blieben war, wählte er die Auswanderung und begab sich mit seiner Familie nach Ess lingen. Freilich, seine Lage war bei weitem günstiger als die der Geächteten, konnte er doch in Ruhe sein Gut Weidenholz an den Meistbietenden — es war Hans Ludwig Graf Kuefstein — verkaufen. Dennoch war sein Lebensabend getrübt, da er zeitweise in schwere Melancholie versank und das Heim weh an ihm zehrte. 1644 erlöste ihn der Tod. In der Pfarrkirche zu Esslingen fand er seine letzte Ruhestätte. Auch des Prälatenstandes bzw. eines seiner Hauptvertreter soll an dieser Stelle gedacht werden. Wenn Anton Wolfradt (1613 bis 1639) genannt wird, so kommt mit ihm der langjährige Abt eines der größten und ältesten Klöster des Landes zu Wort. 1581 war er in Köln geboren worden und stu dierte nach Absolvierung des dortigen Gymnasiums in Rom. Er wurde Zisterzien ser und trat 1604 in Heiligenkreuz ein. Nach der Priesterweihe wurde er 1612 Abt von Wilhering. Der Kaiser, der ihn sehr schätzte, berief ihn 1613 nach Kremsmün ster, nachdem der Papst in seine Transferie rung gewilligt hatte. Die oberösterreichi schen Stände wählten ihn 1614 zu einem ihrer Verordneten. Er muß die Achtung auch der protestantischen Seite genossen • mm haben, obzwar er sehr stark im gegenreformatorischem Sinne tätig war.Johannes Kep1er widmete ihm 1618 seine „Epitome astronomiae Copernicanae". Das Vertrauen des Kaisers trug Wolfradt hoch empor. 1623 bis 1630 war er Hofkammerpräsident und zeichnete sich durch seine politische Klugheit in den Jahren der bayrischen Pfandherrschaft aus. Die Krönung seines Daseins stellt aber zweifellos seine Ernen nung zum Bischof von Wien 1630 dar. Da neben behielt er bis zu seinem Tode 1639 die Abtei Kremsmünster bei, die ihn zu ihren bedeutendsten Vorstehern zählen kann. Um allen vier Ständen des Landes ob der Enns einigermaßen gerecht zu werden, darf auch ein Vertreter der landesfürstlichen Städte nicht fehlen. Der vierte Stand, des sen Mitglieder ebenfalls zum größten Teil der evangelischen Lehre ergeben waren, hatte es an und für sich am schwersten. Die landesfürstlichen Städte blieben als Kam mergut von der Religionskonzession Maxi milians II. ausgeschlossen, obgleich ihr Streben immer dahin ging, dem Adel in der Freiheit der Religion an die Seite gestellt zu werden. Sie befanden sich in einer äußerst schwierigen Situation; denn waren sie einerseits die natürhchen Verbündeten des protestantischen Herren- und Ritterstandes, so trennte sie eine jahrhundertealte wirt schaftliche Gegnerschaft von ihren Konfes sionspartnern. Im letzten Jahrzehnt der ständischen Macht schlössen sich aber die Städte eng an die beiden adeligen Stände an; auf Gedeih und Verderb waren sie nun an sie gebunden, falls sie an ihrer prote stantischen Religionsausübung festhalten wollten. Einer der Verordneten der landesfürstlichen Städte in der Zeit Keplers war der Linzer Ratsbürger Ludwig Hebenstreit, ein Sohn des reichen Handelsmannes Kaspar Heben streit und der Barbara, geb. Wibmerin. Seit 1609 sehen wir ihn in Gemeindeangelegen heiten tätig. Er war etliche Male Bürgermei ster und Stadtrichter von Linz und trotz der Ungunst der Zeiten gelang es ihm im mer wieder, eine führende Stelle im Stadt rat zu bekleiden. Es muß nämlich gesagt werden, daß er nicht nur in geschäftlichen Dingen sehr klug und wendig war, sondern auch in politischer und religiöser Hinsicht sein Mäntelchen nach dem Winde drehen konnte. Sein großer Hausbesitz und sein ^ nicht unbeträchtliches Vermögen veranlaßten ihn wohl, seine Glaubenszugehörigkeit des I öfteren zu ändern. Zunächst gehörte er der evangelischen Gruppe im Stadtrat an, um dann — wahrscheinlich im Zuge der Rudolfinischen Gegenreformation — zur katholi schen Religion überzutreten. Von 1613 bis 1636 treffen wir Ludwig Hebenstreit, der Sammelband aus der Reformationszeit 1565 (Oberösterreichisches Landesarchiv, Sammel bände aus der Reformationszeit,Bd 93).
Titelblatt des Fürstenbuches von Jans Enikel, herausgegeben von Hieronymus Megiser 1618. anscheinend ein sehr ehrgeiziger Mann ge wesen ist, als Verordneten der Stände an. Seine Konfession hat er vor 1620 nochmals gewechselt; er war wieder Protestant ge worden. Nach der Schlacht am Weißen Berg entschloß er sich aber endgül tig, der katholischen Lehre anzuhangen. Er rettete dadurch seine Habe und setzte auch seine politische Laufbahn nicht aufs Spiel. Seinen Besitz konnte er um wenig Geld be achtlich vermehren, da die Häuser der Emi granten spottbillig zu haben waren. Heben streit erwarb allein sechs dieser Behausun gen. Der auf äußere Ehren sehr bedachte Mann wurde vom Kaiser geadelt und mit dem Titel Kaiserlicher Diener ausgezeich net. Bald nach 1637 dürfte er gestorben sein. Untrennbar mit der Geschichte des Landes ob der Enns ist aber der Name Georg Eras mus Tschernembls verbunden. Er führte so wohl den letzten Höhepunkt der ständi schen Machtfülle herbei, wie er auch ihren tiefsten Fall miterlebte. Der Sproß eines alten, aus Krain stammenden freiherrlichen Geschlechtes wurde 1567 als Sohn des Hans von Tschernembl und der Barbara von Star hemberg auf Schloß Schwertberg geboren und trug damit nicht nur das Blut des krainischen, sondern auch des obderennsischen Adels in sich. Die entscheidenden Impulse für sein Leben erhielt er aber ferne von Oberösterreich. Zunächst studierte er an der Akademie in Altdorf bei Nürnberg, um dann mit dem gelehrten calvinischen Dich ter Paulus Melissus eine Bildungsreise durch Deutschland, Frankreich, England, Italien und die Schweiz zu unternehmen, von der er als überzeugter Calviner zurück kehrte. Diese seine Abkehr von der Confessio Augustana erklärt vielleicht seine politische Wirksamkeit und jene Aktivität, die dem Luthertum eigentlich fremd war. Durch seine auserlesene Bildung und seine leidenschaftliche Kämpfernatur schien er immer mehr geeignet, der geistige und poli tische Führer der obderennsischen Stände zu werden. Mehr wie jeder andere sei er fähig, die Stände zu repräsentieren, so meinte einmal sein Vetter Reichard von Starhemberg, der gleich ihm ein überzeug ter Calviner war. Im Bruderzwist zwischen Rudolf II. und Erzherzog Matthias sah Tschernembl die erwünschte Gelegenheit, die protestantischen Stände ob und unter der Enns zum gemeinsamen Handeln zu be wegen. Er nützte die Gunst der Stunde und schloß enge Kontakte mit dem mährischen Ständemitglied Karl von Zierotin, der die Regierung des Kaisers als unerträglich empfand. So plante Tschernembl, der selbst schon lange mit dem eigentlichen Leiter der Politik am kurpfälzischen Hofe in Heidel berg, dem calvinischen Fürsten Christian II. üon £)ff!er5e!cö önD ©teuclanb: ef®rieBent)on ^etni ^anfcn tent €ncnbepna^entt>orDi(t(>unt)et;t Sab'.en. #(et)öK niemo!^ im ^rucC außgandtn: aber nacg fleifTiaer £561« ©tdnt)en baxbtt £aDt>tf(d&afftfn Deß ßerzei® onOrr poO ob bec ®nß/ fonbcrn ^ publicifc onnD fcbctben: IDutcb Hicronymum Megiferum, Co: p.tct gcgbttgDfltn/ roie autb Oft 2a;In £>(^((»1(6 ob b((@ng / btgdUn Hiftoricum. ©rtmJt ju gltt§/ beo Sogaan Sölaacftn / 3m 3a{)J 1618. 9Ja®8e&ruatjuging/bcöiö^ni'äi^t: gdO<nmot)t/ gin« ^ocblbbl.Sb. Scli, 3m3aDi;i740, von Anhalt, in Korrespondenz stand, eine große Union aller evangelischen Stände, die sich von Ungarn über Böhmen und Mäh ren und die beiden österreichischen Lande bis zu den Reichsständen erstrecken und gleichermaßen Lutheraner wie Calviner um fassen sollte, da nur die Einigkeit beider Bekenntnisse die Stärke und die Erhaltung des Protestantismus zu garantieren ver möge. Unter seinem Einfluß stellten sich nun die Stände des Landes ob der Enns auf die Seite des Erzherzogs Matthias und er warteten von ihm — nach dem Vertrag von Lieben — als Gegengabe die Bestätigung ihrer Religionsfreiheiten. Einige Tage nach der Beendigung des Bruderzwistes hatten eine Anzahl von Herren und Rittern außer dem zu Sterbohol ein geheimes Bündnis zum Schütze ihrer Privilegien und konfes sionellen Vorrechte geschlossen. Dieser
# ^ ■>. &NJO HOJPITXLI , X4(^, ■ : • « . HOiPlTty, v/i^i, p./!fAriA'>(£ : - HVl c'c VJLüi WXXVi v/Ai A:Byc^T/T£, - h v/jp /.< vxx; T K 47^ px v/ßvj [v. CQOfiiJJCt'rt. ■<AIV£/U VOSßTNt, F£licBj»ZV£ J>1 V VIVE^ £ lV5£r. IT JLOGA-J ^ ^VAM:Dü Vy^i^/LEAICLV£ JIXV(S^NXfi CAVSSA ' ' i/HTAAvßß^lTi::^^ -t Kf/na.vt:fVA/tiߣffii cc^/>t^vi~v£Aii:iSj . SiBl AL.tQvA M£maß^lA £ASTAAtT^ " ' l^'iVlC LI&EL.L.J Sc*AUMA l'fJTAA UILtn^ . ClVJH CVAl:> Ißt I Ul vjspv/k^ *' » , voBiS "süjH /n^AATPm r A61T£. VALlTl.fkTDsrt, . HOiTlTfjn VE>TAvn^0M lAKZ IVßicAT^A.il 1.H.Eno<kX MÄ; ' i.ci:>0ciW» f0S$»T. »;?•■ ■ V ■:. •iJ Ständebund trat dem neuen Herrn ge schlossen gegenüber und besaß daher ein weitaus größeres Gewicht. Es wurde auch sogleich vereinbart, die Erbhuldigung, wel che das Treueverhältnis zwischen Landes fürst und Land besiegelte, erst nach Be stätigung der Religionskonzession zu lei sten. Es versteht sich, daß bei diesem wich tigen Akt Georg Erasmus von Tschernembl in der vordersten Reihe stand. Nach dem Ausgleich mit Matthias, der 1612 der Nachfolger seines Bruders auf dem Kai serthrone geworden war, lebte Tschernembl einige Jahre am Rande des politischen Ge schehens. Als „persona ingrata" bei Hofe wollte er nur aus der Ferne ein wachsames Auge über die Geschicke der evangelischen Stände in Österreich haben. So nahm er auch reges Interesse an der Kodifikation des obderennsischen Gewohnheitsrechtes in der Landtafel, die der bedeutende PfalzNeuburger Rechtsgelehrte Dr. Abraham Schwarz 1616 für die Stände fertig stellte. Die kaiserliche Bestätigung dieser Arbeit blieb aus, besonders wegen der Ein wände, die der Prälatenstand geltend machte. Es ist daher nie zu einem richtigen konfirmierten Gesetzeswerk geworden, ob gleich es geltendes lebendes Recht enthielt. Tschernembl war als Politiker vor allem an Gästebuch des Freiherrn Job Hartmann von Enenkel 1602 bis 1613 {Oberösterreichisches Landesarchiv, Schlüsselbergerarchiv, Hs. 135). dieser Aufzeichnung gelegen, weil hier noch einmal die Rechte des altständischen Staates fixiert worden waren und er — schon aus reinem Selbsterhaltungstrieb — der beste Kenner der ständischen Rechte und Freihei ten war. Daß er überhaupt den Wissen schaften zuneigte, bezeugen z. B. seine Be ziehungen zu Johannes Kepler, mit dem er schon seit 1595 näheren Kontakt unterhielt. Für seine mannigfachen Interessen ist der Katalog seiner Bibliothek, der 1623 bei der Beschlagnahme durch die Jesuiten angelegt wurde, höchst aufschlußreich. Die theolo gische Literatur überwiegt stark; aber nicht nur Luther, Melanchthon und natürlich Calvin sind vorhanden, sondern auch die katholische Kontroversliteratur, wie Bellar min, Baronius und der Linzer Jesuitenpater Georg Scherer. Die historischen Werke feh len ebensowenig wie die praktische Juristen literatur, die sowohl das römische Recht wie auch Landeshandfesten und Landesfreihei ten der verschiedensten Länder umfaßt. Tschernembls Bibliothek deckt sich nun in vielem, mit der üblichen Adelsbücherei sei ner Zeit, aber ein kurzer Blick über die Be stände zeigt bereits, wie ein Biograph Sturmberger mit Recht hervorgehoben hat, „daß sie ihre Varianten und die persönliche Note hat, welche ihr Interesse und Schick sal ihres Besitzers verliehen hatten . . . In ihrer vielfältigen Zusammensetzung läßt sie eine sorgfältige Auswahl und einen gro ßen geistigen Bedarf erkennen". Mit aller Muße aber war es vorbei, als Tschernembl 1617 wiederum ein öffentli ches Amt, nämlich das eines Verordneten des Herrenstandes, bekleidete. Es zeichnete sich bereits langsam die Krise ab, die 1618 voll zum Ausbruch kommen sollte. In Wahrheit war ja der Ausgleich, den das Landesfürstentum in den Jahren des Bru derzwistes mit den Landständen geschlos sen hatte, nur ein Scheinfriede gewesen, der unter Druck erfolgt war und keine end gültige Bereinigung der Probleme mit sich gebracht hatte. Nun war es für das kleine Land ob der Enns entscheidend, daß seine Politik zum größten Teil von einem Manne gelenkt wurde, der entschlossen den Kampf um die ständische und religiöse Freiheit aufnahm. Er bewog die obderennsischen Stände nach dem Prager Fenstersturz, zu dem sich die Böhmen 1618 hinreißen hatten lassen, sich enge an das Lager der großen protestantischen Fronde gegen Habsburg anzuschließen. Aber die Stände überschätz ten ihre politische und wirtschaftliche Macht und hofften zu sehr auf die Hilfe der evan gelischen Union. Zwar suchten sie fieber haft, außerordentliche Einnahmequellen zu erschließen und ihre Finanzen zu reorgani sieren, allein es gelang ihnen nicht mehr, diese Projekte zu verwirklichen. Sie fan-
den sich plötzlich in einer finanziellen Krise, die ihren Znsammenbruch beschleunigte. Als Kaiser Matthias 1619 starb, überstürz ten sich die Ereignisse. Die protestantischen Stände Oberösterreichs weigerten sich, sei nen Nachfolger Ferdinand II., den sie als Gegenreformator der Steiermark und Zer störer der evangelischen Freiheit ansahen, anzuerkennen. Sie faßten daher in einer Ständeversammlung den entscheidenden Beschluß, die Landesverwaltung bis zur Er wählung des künftigen Landesfürsten selbst zu übernehmen. Ihren Entscheidungen widersetzte sich nur der Prälatenstand. Un ter der Führung Tschernembls, der das nö tige historische und diplomatische Rüstzeug lieferte, beschriften die Stände immer mehr den Weg des Abfalles vom Hause Öster reich. Noch 1619 beschloß man einen Bund mit den aufständischen böhmischen Stän den, die sogenannte Konföderation, obwohl der Abt von Kremsmünster, Anton Wolfradt, entschieden dagegen Stellung genom men hatte, da sie ohne Zustimmung des ge krönten böhmischen Königs, Ferdinand II., zustande gekommen sei. Dieses Dokument der böhmisch-österreichischen Vereinbarun gen stellt ein wichtiges Werk des ständi schen Widerstandsrechtes dar und zeigt, daß man bei Abfassung den Vorstellungen Tschernembls, der schon lange Jahre mit diesem Gedankengut vertraut gewesen war, weitgehend entsprochen hat. Inzwischen war Ferdinand II. zum römisch deutschen Kaiser gewählt worden und schickte sich an, die widerspenstigen Erb lande mit Hilfe des Herzogs Maximilian von Bayern zu erobern. Nun zeigte es sich, daß die militärische Kraft der Stände äußerst gering war, denn die bayrischen Truppen fanden 1620 bei ihrem Einmarsch in das Land ob der Enns keinen nennens werten Widerstand. Der Herzog von Bayern erzwang die Auslieferung der Konfödera tionsurkunde und die Huldigung der Stände, die am 20. August 1620 im Linzer Schloß stattfand. So war das Ende der stän dischen Libertät gekommen, eine neue Zeit unter dem bayrischen Statthalter Adam Graf Herberstorff war angebrochen. Georg Erasmus Tschernembl war den bay rischen Truppen entkommen. Sicherlich wä ren sie seiner gerne habhaft geworden, da sie ihn als obersten Rädelsführer und Re bellen betrachteten. Er weilte zunächst bei den aufständischen niederösterreichischen Ständen und begab sich von dort nach Prag. Die Schlacht am Weißen Berg, am 8. No vember 1620, die mit der Katastrophe der Armee des Winterkönigs endete, war auch der Untergang der politischen Laufbahn Tschernembls. Nur die schnelle Flucht ret tete ihn vor der Gefangennahme und dem sicheren Tod. Seine letzten Lebensjahre ver brachte er in Genf, der Stadt des Reforma tors Calvin, wo er auch am 18. 11. 1626, nicht ganz 60 Jahre alt, gestorben ist. Tschernembls Kampf um ständische Rechte und religiöse Freiheit war vergeblich gewe sen; das aufkommende Landesfürstentum hatte den Sieg davongetragen und den Ständen nur mehr die alten Formen ohne den politisch-wirksamen Inhalt überlassen. In seiner Person hatte sich noch einmal das altständische Prinzip, verbunden mit einem leidenschaftlichen Fanatismus für die Si cherung des evangelischen Bekenntnisses, manifestiert, sein unbeugsamer Wille und seine politisch-diplomatische Fähigkeit hatten die Stände mitgerissen, in einer großen pro testantisch-ständischen Union dem Landes fürsten Widerstand zu leisten. Mitten im Kampfe fanden sie sich dann allerdings allein und ohne Hilfe. Die Truppen des bayrischen Herzogs, dem das Land ob der Enns für etliche Jahre ver pfändet wurde, bereiteten der ständischen Macht für immer ein Ende. Oberösterreich ging einer unruhigen und Ungewissen Zu kunft entgegen. Die fremde Pfandherrschaft empfand man als sehr drückend, wie dies der 1625/26 aufflammende große Bauern krieg beweist, und die dreißig langen Kriegsjähre waren auch für die obderennsische Bevölkerung voller Mühsal und Schrecken. Das war nun nicht mehr jenes gastliche Land,in dem Künste und Wissen schaften blühten und von dem ein Johannes Kepler einstmals gemeint hatte: „das son derlich diser Griten vil adeliche gemüther sich finden, welche nach dem hochlöblichen Exempl ihrer Landsfürsten und Herren von dem Hauß Österreich den mathematischen Künsten und Betrachtung der allerweisesten und zierlichsten Werckhe Gottes in Erschaf fung Himmels und der Erden, hindangesetzt aller anderer Khurzweil, vernünftigelich ergeben" seien. Zum vorliegenden Aufsatz wurde folgende Literatur herangezogen: Otto Brunner, Land und Landstände in Öster reich. Mitteilungen des Oberösterreichischen Landesarchivs 5 (1957), S. 61—73; Anna Gräfin Coreth, Job Hartmann von Enenkel, ein Gelehrter der Spätrenaissance in Österreich. Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung 55(1944), S. 247—302; Herta Eberstaller, Zur Finanzpolitik der Ober österreichischen Stände im Jahre 1608. Mit teilungen des Oberösterreichischen Landes archivs 8 (1964), S. 443—451; Karl Eder, Glaubensspaltung und Landstände in Österreich ob der Enns 1525—1602(= Stu dien zur Reformationsgeschichte Oberöster reichs 2, Linz 1936); Georg Criill, Das Linzer Bürgermeisterbuch (2. Aufl., Linz 1959); Othmar Hageneder, Die Entstehung des Lan des ob der Enns. Oberösterreich 18. Jg., 2. Heft (1968/69), S. 17—22; Herbert Hassinger, Die Landstände der öster reichischen Länder. Zusammensetzung, Or ganisation und Leistung im 16. bis 18. Jahr hundert. Jahrbuch für Landeskunde von Niederösterreich N. F. 36/2 (1964), S. 989 bis 1035; Hugo Hebenstreit, Die Hebenstreit in Linz. Historisches Jahrbuch der Stadt Linz 1964 (1965), S. 11—40; Alfred Hoffmann, Die Oberösterreichischen Landstände und Landtage in alter Zeit(= Verfassung und Verwaltung des Landes Oberösterreich vom Mittelalter bis zur Gegenwart, Linz 1937), S. 5—34; Altman Kellner, Profeßbuch des Stiftes Kremsmünster (Kremsmünster 1968), S. 205 bis 207; Gerhard Rifschel, Die Förderung von Kultur und Wissenschaft durch die oberösterrei chischen Landstände 1574—1624 (Wiener phil. Dissertation 1968); Eduard Straßmayr, Die Ämter-Organisation der Stände im Lande ob der Enns. Mittei lungen des Oberösterreichischen Landes archivs 1 (1950), S. 239—274; HansSiurmberger,Georg Erasmus Tschernembl: Religion, Libertät und Widerstand (Forschun gen zur Geschichte Oberösterreichs 3, Linz 1953); Derselbe, Die Anfänge des Bruderzwistes in Habsburg. Mitteilungen des Oberösterr. Lan desarchivs 5 (1957), S. 143—188; Derselbe, Aufstand in Böhmen. Der Beginn des 30jährigen Krieges (= Janus-Bücher 13, München-Wien 1959); Derselbe, Oberösterreich in der Geschichte. Oberösterreich 18. Jg., 2. Heft (1968/69), S. 1—10; Derselbe, Melchior Hainhofers „Christliches Werk". Mitteilungen des Oberösterr. Lan desarchivs 8 (1964), S. 452—462; Georg Wacha, Linz zur Zeit Keplers(= Johan nes Kepler, Werk und Leistung. Katalog der Ausstellung im Steinernen Saal des Linzer Landhauses, Linz, 1971), S. 5—34; Othmar Wessely, Linz und die Musik. Von den Anfängen bis zum Beginn des 19. Jahr hunderts. Jahrbuch der Stadt Linz (1950), S. 96—197; Heinrich Wurm, Die Hohenfelder in Öster reich und Württemberg. Jahrbuch für Ge schichte der Oberdeutschen Reichsstädte: Esslinger Studien 11 (1965), S. 192—209.
Wilhelm Freh Johannes Kepler Werk und Leistung Ausstellung im Steinernen Saal des Linzer Landhauses vom 19. Juni bis 29. August 1971 Am 27.Dezember1971 jährt sich zum 400.Male der Geburtstag des großen Naturphilosophen und Naturforschers Johannes Kepler. Dem Oberösterreichischen Landesmuseum erwuchs aus diesem Jubiläum die ehrenvolle Aufgabe, des Wissenschafters, der 14 Jahre seines Lebens in Linz verbrachte, hier einige seiner bedeu tendsten Werke schuf und durch familiäre und freundschaftliche Bande mit Linz und Oberösterreich eng verbunden war, durch eine Ausstellung in angemessener Weise zu geden ken. Diese Ausstellung wurde von der KeplerKommission der Hochschule Linz veranstaltet. Ihre Durchführung oblag — nachdem sich ein anderes, längere Zeit hindurch verfolgtes Kon zept als undurchführbar erwiesen hatte — dem Direktor des Oö. Landesmuseums, dem hiefüi einschließlich der Konzipierung und Vorberei tung vier Monate Zeit zur Verfügung standen. Er wurde bei dieser Aufgabe von Frau Martha List und Dr. Ing. Volker Bialas, Mitglieder der Kepler-Kommission der Bayerischen Akademie der Wissenschaften in München, wissenschaft lich beraten, von W. Oberrat Dr. Dorothea Gerbert vom Oö. Zentralkatalog organisato risch unterstützt. Die Gestaltung der Ausstel lung führte Architekt Oberbaurat Dipl.-Ing. Karl Heinz Hattinger durch; den Ausstellungs katalog redigierte Obermagistratsrat Dr. Ge rold Maar. Aufnahmen zu diesem Aufsatz: M. Eiersebner und H. G. Prillinger. m
El'is l Ol I -m Die Ausstellung gab als Einführung zu nächst einen Überblick über Keplers beweg tes Leben, das reich war an Höhe- und Tief punkten, an glänzenden Erfolgen und bit teren Enttäuschungen. Sie bemühte sich so dann, das Werk und die Leistung eines Mannes herauszuarbeiten, der zu Recht als der Erneuerer der Astronomie, der Begrün der der Himmelsmechanik, der Vater der modernen Optik bezeichnet wird, eines Ge lehrten, der darüber hinaus der Wissen schaft Impulse gab, die sich bis in unsere Zeit herein auswirken, der sich niemals damit begnügte, das Sein der Dinge und ihre Eigenschaften festzustellen, sondern sein Leben lang den Ursachen aller Erschei nungen bis in die letzten Hintergründe, bis ins Metaphysische hinein nachspürte. Als Ausstellungsort bot sich der Steinerne Saal des Landhauses an; in diesem Raum erhielten seinerzeit sechs der Kinder Kep lers aus zweiter Ehe die Taufe; im Land haus war Kepler wohnhaft, als im Jahre 1626 die aufständischen Bauern Linz berannten. Der Lebensweg Keplers wurde durch große Reproduktionen historischer Darstellungen der wichtigsten Stätten seines Werdens und Schaffens skizziert: Weil der Stadt, Leon berg, Maulbronn und Tübingen als Statio nen seiner Jugend- und Studienzeit; Graz, wo er seine erste Ehe schloß und mit sei nem „Weltgeheimnis"in der gelehrten Welt erstmals rühmlich bekannt wurde;Prag, wo er nach dem Tode Tycho Brahes zum Kai serlichen Mathematiker ernannt wurde und mit der „Neuen Astronomie" zu Weltruhm emporstieg; Linz, wo er als Witwer seinen Kindern aus erster Ehe eine zweite Mutter gab und in der wohl schöpferischesten Epoche seines Lebens neben vielen anderen Arbeiten das Riesenwerk der „Rudolphinischen Tafeln" vollendete, ein umfangrei ches Lehrbuch der gesamten Astronomie herausbrachte sowie sein größtes, reifstes (und lange Zeit nicht verstandenes) Werk, die „Weltharmonik", schuf; Ulm, wohin er sich zur Herausgabe der „Rudolphinischen Tafeln" zurückzog; Sagau, wo er in Dien sten Wallensteins arbeitete, und schließlich Regensburg, wo sein Leben zu Ende ging. Die Reproduktionen, die den Lebensweg Keplers illustrierten, stellte das Stadt museum Linz zur Verfügung. Werk und Leistung des großen Gelehrten wurden durch Originaldrucke der von ihm verfaßten wissenschaftlichen Arbeiten und, soweit möglich, durch Modelle und gra phische Darstellungen erläutert. Zeitgenös sisches Gerät für astronomische Beobach tungen und Zeitmessung, zumeist kunst voll gearbeitet, belebte die Vitrinen, in de nen die wertvollen Originaldrucke präsen tiert wurden. Die Ausstellung umfaßte insgesamt 126 Objekte; sie war fast zur Gänze auf Leihgaben aufgebaut. Das Gesamtwerk Keplers auszustellen verbot allein schon die Fülle seiner gedruckten Arbeiten; so war von vornherein eine Auswahl zu tref fen, die die wichtigsten und bedeutsamsten seiner Werke erfaßte. Die benötigten Bü cher wurden hauptsächlich aus österreichi schen Bibliotheken und, wenn hier nicht vorhanden, aus West- und Ostdeutschland beschafft. Den Hauptbestand lieferte die österreichische Nationalbibliothek sowie die Wiener Universitätsbibliothek; aber auch die Universitätsbibliotheken Graz, Inns bruck, Klagenfurt und Salzburg, die Stu dienbibliothek Linz sowie die österreichi schen Stiftsbibliotheken, vor allem die Bi bliothek des Stiftes Kremsmünster, stellten bereitwillig ihre Bestände zur Verfügung. Im Ausland waren es das Germanische Museum in Nürnberg, die Stadtbibliothek Ulm, die Universitätsbibliothek Halle, die
Zentralbibliothek der Nationalen Forschungs- und Gedenkstätten in Weimar, insbesonders aber die Bayerische Staats bibliothek in München, die die Ausstellung mit wertvollen Originaldrucken Keplers unterstützten. Handschriften wurden nur spärlich herangezogen; zwei Autographen wurden aus dem Haus-, Hof- und Staats archiv in Wien sowie aus der Studien bibliothek in Linz entlehnt. Es gelang, nicht nur alle Hauptwerke Kep lers sowie eine repräsentative Auswahl der anderen für sein Denken und Wollen, für seine Zielsetzung charakteristischen Werke zu vereinen, sondern auch andere Gesichts punkte zu berücksichtigen. So konnten bei spielsweise alle Bücher gezeigt werden, die Kepler bei Hans Planck, der ersten in Linz eingerichteten Druckerei, herausbrachte; ebenso vereinte diese Ausstellung wohl erstmals sämtliche noch vorhandenen, von Kepler persönlich verfaßten und heraus gegebenen Kalender und Prognostika, hier unter mehrere Weltunika. Schwerpunkte bildeten die Themen Harmonik, Astrono mie, Optik, Mathematik und Physik, Meß wesen, Chronologie und Astrologie; eine eigene Vitrine war der Persönlichkeit Kep lers, insbesondere seiner Stellung im Glau bensstreit seiner Zeit, gewidmet. Die aus gestellten Instrumente entstammten den Sammlungen der Sternwarte Kremsmün ster, des Technischen Nationalmuseums Prag, des Technischen Museums Wien und des Oberösterreichischen Landesmuseums; die Globen wurden von der Studienbiblio thek Linz, der Sternwarte Kremsmünster, der Linzer Astronomischen Gemeinschaft „Johannes Kepler" und dem Oberösterrei chischen Landesmuseum zur Verfügung gestellt. Unter dem wissenschaftlichen Gerät rag ten zwei große Sextanten hervor: Das als Sextant Keplers bezeichnete Instrument aus der Sternwarte Kremsmünster sowie der vermutlich von Jost Bürgi angefertigte Sextant Tycho Brahes^, der beim Bau des zuvor genannten als Modell diente, aus dem Technischen Nationalmuseum in Prag. Es war wohl das erste Mal, daß beide GeAusstellungsbilder: 1 Die Weltharmonik, Keplers Hauptwerk; Monocord; Durchblick auf das Wappen der Familie Kepler 2 Vitrine mit dem neu entdeckten Porträt Keplers, Miscbtechnik auf Papier, Werk aus dem 17. Jahrhundert 3 Armillarsphäre; Modelle der fünf platoni schen Körper 4 Vitrine mit astronomischen Werken Keplers (Originaldrucke) 5 Vitrinen mit Hinweisen auf die harmonikalen Forschungen Keplers; Durchblick auf Fotomontagen mit Darstellung von Keplers Geburtsort und Geburtshaus 6 Von links nach rechts: Spiegelteleskop; Schickard'sche Rechenmaschine (Modell); Zahnradpumpe (Demonstrations-Modell); Ekliptik-Instrument (stark verkleinertes Modell) 7 Vitrinen mit Kepler-Druckschriften und wis senschaftlichem Gerät; Fotomontage des „Ulmer Metzen" lu
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rate einander gegenübergestellt werden konnten. Die Konfrontation ergab klar, daß der Sextant Keplers nach dem Vorbild des Sextanten Tycho Brahes angefertigt wurde; trotz äußerer Unterschiede, die im wesent lichen auf verschiedene Methoden bei der Konservierung des Metalls zurückzuführen sind, zeigten sich beide Instrumente nahezu ident. Geringfügige Unterschiede in der Ausführung der auf dem Gradbogen an gebrachten Skala, der Visiereinrichtung und der Halterung sind unwesentlich; auch im Handwerklichen geht die Übereinstimmung so weit, daß eine Vermutung, beide Sex tanten könnten von der gleichen Hand ge baut worden sein, durchaus annehmbar wäre. Wohl fehlt der historische Nachweis, daß das heute in Kremsmünster verwahrte Instrument aus dem persönlichen Besitz Keplers stammt; aus seinen Aufzeichnun gen geht indessen hervor,daß ihm ein Gön ner in Prag, der noch vor dem tragischen Ableben Tycho Brahes „in einer Art gött lichen Eingebung schon voraussah, wohin die Astronomie nach dem Verlust des Mei sters (Tycho Brahe) treiben würde"-, einen Sextanten nach dem Muster der Tychonischen Instrumente anfertigen ließ. An den unmittelbaren Zusammenhang beider In strumente und der Beziehung des Kremsmünsterer Sextanten zu Kepler kann kein Zweifel mehr bestehen; anstelle der dies bezüglichen von RankP angenommenen „Wahrscheinlichkeit" läßt sich Sicherheit setzen (Rankl hatte keine Gelegenheit, beide Sextanten unmittelbar zu ver gleichen). Assistenten und Studenten der Hochschule Linz, die nunmehr Keplers Namen trägt, bauten für die Ausstellung nach Plänen von Universitätsprofessor Dr. Konradin Ferrari d'Occhieppo ein elektronisch gesteuertes Bewegungsmodell, das an Hand von Licht effekten den Verlauf der Planetenbahnen nach Kopernikus und Kepler demonstriert und so Keplers Leistung bei der Erfor schung des heliozentrischen Systems an schaulich macht. Ein weiteres Glanzstück bildete eine Rekonstruktion der von Wil helm Schickard unter dem Einfluß Keplers gebauten Rechenmaschine, der nachweislich ältesten Rechenmaschine der Welt. Des wei teren konnte ein vom Wirtschaftsförderungsinstitut Linz angefertigtes Modell der von Kepler konstruierten Zahnradpumpe einschließlich des Ansuchens Keplers zum Schutz dieser seiner Erfindung präsentiert werden. Alle drei Modelle waren Leih gaben des Institutes für Statistik und Infor matik der Johannes-Kepler-Hochschule Linz, Vorstand Univ.-Prof. Dr. Adolf Adam. Viel Beachtung fand ein kleines Porträt (18 X 12 cm, Mischtechnik auf Papier), das verblüffende Ähnlichkeit mit einer Darstel lung Keplers aus dem 17. Jahrhundert zeigt. Es war 1941 in die Sammlungen des Oberösterreichischen Landesmuseums ge langt. Wohl war es als Porträt Keplers in ventarisiert, wurde aber ins 19. Jahrhun dert gestellt. Frau Prof. Gisela de Somzee, Akademischer Restaurator des Oberöster reichischen Landesmuseums, erkannte, daß hier eine Arbeit aus dem 17. Jahrhundert vorliegt. Line erste Reinigung des Bildes brachte zunächst auf der Vorderseite die Aufschrift „Keppler" zum Vorschein. Die mühevolle, mehrere Wochen dauernde Restaurierung ergab sodann, daß das qua litätsvolle Bildchen ein geradezu dramati sches Geschick hinter sich hatte: Seinerzeit unterhalb der Mitte durchgerissen, wurde es zu seiner Rettung und Sicherung auf J..einen aufgezogen, mit großer Sachkennt nis wieder instand gesetzt und über den Kittstellen und Retuschen mit der Auf schrift „Keppler" bezeichnet. In späterer Zeit wurde das Bild oberhalb der Augen-
partie durch einen querverlaufenden Knick nochmals schwer beschädigt; daraufhin wurde es von der Leinenunterlage wieder abgelöst und ohne sonstige Ausbesserung auf einen Karton aufgeklebt''. Das Bild chen wurde also zweimal nach schwerer Beschädigung mit einer Mühe und Sorgfalt restauriert, die zu seinem künstlerischen und materiellen Wert in gar keinem Ver hältnis stand und nach der ersten Beschä digung (wohl zu seinem Schutz) mit dem Namen des Dargestellten bezeichnet. Die Obsorge um das Bildchen galt daher zwei felsohne der Persönlichkeit des Dargestell ten. Diese Indizien führen zu dem SchluiS, daß hier ein bisher nicht bekanntes Por trät Keplers vorliegt (eine malerische Neu fassung nach einem bereits vorhandenen Stich ist auf Grund der künstlerischen Qua lität, der Diktion und des Aufbaues der Malerei auszuschließen). Die Ausstellung hatte den neuesten Er gebnissen der Keplerforschung Rechnung zu tragen. Es wurden deshalb auch die Jahrhunderte hindurch zu wenig beachteten harmonikalen Forschungen Keplers ent sprechend berücksichtigt: Das „Welt geheimnis", ein Buch, über das Kepler Jahr zehnte nach seiner Veröffentlichung aus sagte: „Die Richtung meines ganzen Le bens, meiner Studien und meiner Werke hat von diesem einen Büchlein ihren Aus gang genommen"®, sowie die „Welthar monik", jenes Werk, das Kepler selbst als seine inhaltsschwerste und bedeutendste Arbeit ansah. Der Inhalt der „Weltharmo nik" erfuhr in der Ausstellung eine musi kalische Erläuterung: Die von Kepler ent deckten Konsonanzen zwischen den Win kelgeschwindigkeiten der Planeten wurden, mit einem Monocord ins Akustische über setzt, auf einem von Univ.-Prof. Dr. Ru dolf Haase zur Verfügung gestellten Ton band vorgeführt. Damit wurde nachdrück lich unterstrichen, daß Kepler ungeachtet seiner vielseitigen Interessen seine Lebens aufgabe in der harmonikalen Forschung sah, daß sein Streben zeitlebens danach ging, den Naturgesetzen nachzuspüren, die in gleicher Weise im Makro- wie im Mikro kosmos Gültigkeit besitzen, den Harmo nien, die sich auf der Erde ebenso wie in den Planetenbewegungen manifestieren. Mit der Ausstellung „Johannes Kepler, Werk und Leistung" haben Linz und Ober österreich im Keplerjahr 1971 einen we sentlichen Beitrag geleistet zu den Feiern, die in vielen Städten Europas zu Ehren des großen Gelehrten veranstaltet wurden. 'Zdenek Horsky und Otilie Skopova, Astronomy Gnomonics Prag 1948 S. 28. 2 Zitiert nach Justus Schmidt: Johann Kepler, S. 241 (Linz 1970). ® Richard Rankl, Der Tychonische Sextant ir der Sternwarte Kremsmünster. 89. Jahres bericht des Obergymnasiums der Benedik tiner zu Kremsmünster (1946). ^ Wissenschaftliche Beschreibung und Restau rierungsbericht werden im Jahrbuch des Oö.Musealvereines veröffentlicht. ® Aus dem Vorwort zur Neuauflage 1621.
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