Oberösterreich, 21. Jahrgang, Heft 1, 1971

Franz Pisecky Verkehr und Fremdenverkehr in Oberösterreich Erst in den letzten Jahrzehnten hat sich das Bild gewandelt und es entstanden an den Durchzugsstraßen und Plätzen jener ober österreichischen Märkte und Dörfer, die ihr Ortsbild aus der Vergangenheit in die Ge genwart hinüberretteten, geschlossene Ge schäfts- und Auslagenfronten. Vorher war oftmals buchstäblich jedes zweite Gebäude ein Gasthaus gewesen — mit zumeist brei tem, einladendem Tor und einem Innenhof, der noch die Einrichtungen für Pferd und Wagen erkennen ließ. Die Merkmale einer Zeit der — man könnte es heute so bezeichnen — kontinuierlichen In tegration von Verkehr und Fremdenverkehr, welche durch Straße und Rasthaus charak terisiert war, überdauerten ihre einstige Blüte um Generationen. Denn schon der Beginn des Eisenbahnzeitalters setzte dieser unmittelbaren Verbundenheit der gastlichen Betreuung des Fremden und gleichzeitigen Stationierung seines Beförderungsmittels in weiten Bereichen ein Ende. Der technische Fortschritt führte zunächst in dieser Bezie hung eine gewisse „Desintegration" herbei, die nur in begrenztem Sinne etwa durch die Entstehung der „Bahnhofhotels" oder die Massierung von Gast- und Beherber gungsstätten in Bahnhofsnähe überbrückt wurde. Die große „Reintegration" gewann erst dann wieder Raum, als die Motorisierung des Straßenverkehrs zu einem Individualverkehr der Massen wurde, der seit dem zweiten Weltkrieg den Rahmen aller her kömmlichen Verkehrsbewegungen sprengte und eine Verzahnung von Verkehr und Fremdenverkehr einleitete, wie sie in die ser Vielfalt zwischen anderen Wirtschaftsgruppen kaum gegeben ist. Der Anteil, den Österreich auf dem Gebiete des Verkehrs- und Nachrichtenwesens, der Technik, insbesondere aber auch in der Gastronomie und im Kurwesen an der Entwicklung jener weitgespannten Lebens und Wirtschaftssphäre genommen hat, die man heute als Fremdenverkehr bezeichnet, wird gerade im eigenen Land oftmals un terschätzt. Dabei reichen die Komponenten von dem Aufbau des Thum- und Taxi schen Postsystems bis zur Verwirklichung der ersten Gebirgsbahn der Welt — der Semmeringbahn —,von der Entfaltung des schon zur Zeit Goethes blühenden Kurbe triebes in den traditionellen Heilbädern der Monarchie bis zur modernen Kombination von medizinischer Behandlung und Sport, von Siegfried Marcus bis zum Volkswagen Porsches, vom ersten Flugpostverkehr bis zur zeitlosen Gültigkeit und Geschätztheit österreichischer Gastlichkeit. Und noch weniger bewußt ist man sich gemeinhin über das, was Oberösterreich, das Land zwischen Inn und Enns, hiefür geleistet hat bzw. wie oft hier eine Initiative am Werke war und Einrichtungen geschaf fen wurden, die als echte Pionierleistungen zu bezeichnen sind. Wenn man auch die Tatsache, daß das Salzkammergut zu den ältesten und traditionsreichsten Erholungs zentren Mitteleuropas gehört, zunächst auf die Anziehungskraft der kaiserlichen Som merfrische zurückführen mag, so waren es dennoch auch bodenständiger Einfalls reichtum und Unternehmungsgeist, die die sen frühen Aufstieg bewirkten. Aber abge sehen davon — in Oberösterreich entstand mit der Pferdeeisenbahn Gmunden—Linz — Budweis die erste Überlandbahn Europas, die vor allem in Richtung Gmunden bald einen sich rasch verdichtenden Personen verkehr zu betreuen hatte. Und ohne den Fortschrittsgeist und Gründungseifer heimi scher Unternehmer gäbe es z. B. heute keine Pyhrnbahnstrecke, keine Mühlkreis bahn, die alle zunächst als private Linien gebaut wurden (Pyhrnbahn anfänglich bis Kirchdorf), und auch kein Lokalbahnnetz der Firma Stern und Hafferl, deren Gründer für sich das Verdienst in Anspruch nehmen kann, daß Oberösterreich eine besonders hohe Eisenbahndichte aufweist und das längste normalspurige Privatbahnnetz aller Bundesländer. Wer denkt noch daran, daß der Traunsee der erste Alpensee war, auf dem schon vor dem ersten Weltkrieg der BMot-^Mtke Linz • Figulystr. 1 (b. Volksgarten)• Tel. 55066

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