Oberösterreich, 21. Jahrgang, Heft 1, 1971

übersiedelt er irr einen anderen Gasthof, muß er sich neuerdings melden, und schon sind aus einem Fremden zwei geworden. Aus einer fünfköpfigen Familie, die drei Wochen durch Österreich reist, werden so durch statistischen Zauber über 100„Neue". Völlig unberücksichtigt bleibt der Aus flugsverkehr. Das Institut für Wirtschafts forschung hat festgestellt, daß im Jahre 1965 rund 61,2 Millionen Ausländer nach Österreich gekommen sind, ohne zu nächti gen. Sie wurden daher nicht gezählt, ob wohl durch ihren Tagesaufenthalt viele Millionen Schilling, meist als Devisen, in unser Land geströmt sind. Die verkehrs geographische Lage Oberösterreichs bringt es mit sich, daß jeder Ort vom angrenzen den Ausland und von den benachbarten Bundesländern bequem in einem Tages ausflug erreicht werden kann. Die Städte sind bevorzugte Ziele dieser Kurzbesuche. Aber auch viele Fremde, die ihren Urlaub in unserem Bundesland verbringen, zählen zu den Städtebesuchern. Sie wollen die Sehenswürdigkeiten kultureller oder histo rischer Art kennenlernen, wollen in den großen Warenhäusern einkaufen oder verlangen nur nach einer Abwechslung und einem kurzen Kontakt mit der ihnen gedie Handschrift ist derSpiegel Ihrer Persönlichkeit Kugelschreiher\ wohnten Stadtatmosphäre. Nicht wenige fahren in die Städte — man muß das in aller Nüchternheit feststellen —, um An sichtskarten zu schreiben und so durch den Nachweis, weitgereist zu sein, ihr persön liches „Image" zu verbessern. Die Höhe des wirtschaftlichen Vorteils, der durch die sen völlig anonymen Fremdenverkehr den Gemeinden erwächst, ist nicht konkret er faßbar. Das Oö. Fremdenverkehrsgesetz' trägt dem bewußt dadurch Rechnung, daß es bei der Bemessung der „Interessenten beiträge"(zu deren Zahlung jedermann her angezogen werden kann,der aus dem Frem denverkehr wirtschaftlichen Nutzen zieht) Schätzungen der Einnahmen aus dem Frem denverkehr zugrunde legt. Es haben aber nicht nur Handel, Gewerbe und Industrie eine Umsatzsteigerung aus dem Fremdenverkehr zu verzeichnen, son dern auch der Gemeindesäckel selbst füllt sich bei gesteigertem Fremdenverkehr mehr und mehr. Nicht weniger als 15 Steuern und Abgaben werden — soferne sie von den Gemeinden erhoben werden — direkt oder indirekt durch die Fremden mitge speist, denn diese Steuern kommen zu ge setzlich festgelegten Prozentsätzen den Ge meinden zugute: 100 Prozent Gewerbesteuer 100 Prozent Lohnsummensteuer 100 Prozent Getränkesteuer 100 Prozent Speiseeisabgabe 100 Prozent Vergnügungsabgabe 100 Prozent Gemeindeverwaltungsabgabe 100 Prozent Grundsteuer 80 Prozent Grunderwerbsteuer 30 Prozent (veranlagte) Einkommenst. 26 Prozent Biersteuer 23 Prozent Umsatzsteuer 20 Prozent Lohnsteuer 20 Prozent Mineralölsteuer 25 Prozent Fremdenverkehrsabgabe 100 Prozent Anzeigenabgabe Finanzausgl.-Ges. 1967 Daraus ergibt sich eine Verpflichtung aller Gemeindefunktionäre, den Fremdenverkehr zu fördern, weil diese Steuereingänge man che Leistungen der Gemeinde ermöglichen, die sonst unterbleiben würden. Für die Städte gilt diese Forderung genauso wie für den kleinsten Erholungsort. Der oft vorgebrachten Meinung, die Städte würden nicht unmittelbar und schon gar nicht vor zugsweise vom Fremdenverkehr leben, ist nur mit größtem Vorbehalt zuzustimmen. Eines bleibt aber unbestritten; mit gestei gertem Fremdenverkehr hebt sich auch der Wohlstand in den Städten. Das Bundesministerium für Handel, Ge werbe und Industrie hat in einer erst kürz lich erfolgten Aussendung mitgeteilt: 1. Eine Untersuchung der ÖECD hat fest gestellt, daß der Welthandel im Jahre 1969 um 7,5 Prozent wuchs, während die Fremd währungseinnahmen um 11,2 Prozent zu genommen haben; 2. der Anteil der Einnahmen aus dem Fremdenverkehr an den Erlösen von Wa ren und Dienstleistungen liegt im Durch schnitt der OECD-Länder bei 7, in Öster reich jedoch bei 23 Prozent; 3. der Fremdenverkehr brachte 1969 rund 25,5 Milliarden Schilling an Devisen; 4. im gleichen Jahr wurde das Handelsbilanzpassivum zu fast 119 Prozent durch die Deviseneinnahmen aus dem Fremden verkehr gedeckt. An diesen wahrhaft imponierenden Ergeb nissen der Fremdenverkehrswirtschaft ha ben die Städte mit ihrer großen Kapazität an Beherbergungsmöglichkeiten, ihrem Reichtum an architektonischen Sehenswür digkeiten, an kulturellen und sportlichen Veranstaltungen, ihren kostbaren Muse umsschätzen einen hervorragenden Anteil, und die Städte Oberösterreichs stehen den Städten der anderen Bundesländer — um einen üblich gewordenen kommerziellen Ausdruck zu verwenden — in ihrem „tou ristischen Angebot" wohl in nichts nach. Anmerkungen: 1 Bearbeitet und herausgegeben vom österr. Statistischen Zentralamt 1964, Heft 8. ^ Statistisches Jahrbuch österr. Städte 1969; bearbeitet und herausgegeben vom österr. Statistischen Zentralamt, auf Grund der letzten Volkszählung vom 21. März 1961. Großer Brockhaus 1957 und Arnold Toynbee: Cities of Destiny, Thames and Hudson, London 1970. ^ Ergebnisse der Volkszählung 1961, Statisti sches Zentralamt Wien. 5 Am 31. Dezember 1970 wurden in Linz 204.663 Einwohner gezählt, doch mußten in der Tabelle die Zahlen der Volkszählung 1961 verwendet werden, da nicht alle Städte laufend eine „Fortschreibung" der Bevölke rung führen und somit die Vergleichsbasis verfälscht worden wäre. Statistisches Jahr buch österr. Städte 1969, bearbeitet und herausgegeben vom österr. Statistischen Zentralamt; auf Grund der letzten Volks zählung vom 21. März 1961. " Alle Zahlen der Fremdenverkehrsstatistik sind dem Heft 227 der „Beiträge zur österr. Statistik, Der Fremdenverkehr in Österreich im Jahre 1969"; herausgegeben vom österr. Statistischen Zentralamt 1970 entnommen. 'öö. Fremdenverkehrsgesetz LGBl. Num mer 15/1951; Novelle LGBl. Nr. 49/64.

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