Oberösterreich, 20. Jahrgang, Heft 2, 1970

f r'l l/fCM/ 0' 1/ iH'W!^-- "^»5^ Kriegspferd", verschwunden war. Die aquarellierte Federzeichnung stellte einen aus Haut und JCnochen bestehenden aus gezehrten Klepper dar. Salzburgs interna tionaler Trubel gab den rechten Hintergrund ab, sodaß der Vorfall zum Skandal auf gebläht wurde. Die Berichterstatter läuteten in Zwickledt am Zugglöcklein Sturm, wur den vorgelassen, und Kubin erzählte ihnen bereitwillig, daß er auch nichts wisse. Nur ausführlicher, temperamentvoller, witziger. Und so erlebten diese Herrschaften — wahrscheinlich ohne es zu würdigen — eine blitzende Szene aus Kubins Einmann theater. Bis ihm die Wiederholungen lästig wurden,und er sich vor weiteren Störungen bewahren wollte. Einem solchen mißlunge nen ,Besuch in Zwickledt' wohnte ich bei. Wir plauderten im Arbeitszimmer. Plötzlich klingelte es. Kubin sprang auf, öffnete ein Fenster und beugte sich leicht hinaus. Stimme von unten: „Tach, Herr Professa! Ich möchte nur mal kurz —" Kubin von oben: „Weiß schon. Schreiben Sie: ,Das Kriegspferd kann mir gestohlen bleiben!'" (Fenster zu. Unwiderruflich — selbst für Zeilenschinder.) Wenige Tage später traf der Brief eines Salzburger Rechtsanwalts ein, der be stätigte, daß er „Das Kriegspferd" unbe schädigt bei Welz wieder abgeliefert habe; des weiteren ersuche er, seiner zutiefst be schämten Klientin, die das Blatt völlig fas ziniert an sich genommen habe, gütigst zu erlauben, beim verehrten Meister selbst um Verzeihung zu bitten. Die junge Dame sei besten Herkommens, Tochter der geschätz ten Schauspielerin T. v. E. Es wurde beraten, ob die ,Diebin aus Be geisterung' zu empfangen sei oder nicht; ob man der verzweifelten Mutter zu geden ken habe und wie; und, und, und —, bis Hedwig Kubin genug von diesen Erörte rungen hatte und entschied: „Du willst sie sehen, Alfred, also laß sie kommen!" — Und so geschah es. Bald danach fragte ich Kubin, wie es ge wesen sei. Hedwig Kubin saß dabei, zog die Mundwinkel abwärts, die Augenbrauen hoch, stieß heftig Rauch ihrer Zigarette durch die Nase und schwieg — leicht iro nisch, wie mir schien. Kubin erhob sich angeregt vom Stuhl und sprach: „Ach —, ohne tiefere Bedeutung, aber nett und sehr eindrucksvoll." — Zum Wort „eindrucks voll" führte er mit beiden Händen eine wo gende Bewegung aus, mit welcher offen kundig die imponierende Oberweite der Dame umschrieben wurde. Sein Gesicht % v-C > C. "/-r. 3/ So verstand er es (a piacere mit altöster reichischer Elegance), reale Unannehmlich keiten zum Apercu aufzulösen, nicht min der und souveräner jedoch, als tragischer Dompteur eine entsummende Mücke als schicksalsschwere Elefanten-Nummer vor zuführen. Nur wenn er den Freund und Mitmenschen in Bedrängnis oder Not wußte, wählte er in herzlicher Schlichtheit die gütige Geste, das innige Wort. (Doch das ist ein anderes Thema.) Zwickledt, meinten wir bereits, hat durch Kubin seine Bedeutung als Ort empfangen. Das erweist sich sogar über den Tod hinaus an den Eintragungen jener, die das nun mehr zur Gedenkstätte gewordene Schlößlein leichter besuchen können als zu Leb zeiten des Meisters. Auch in diesen neuen Gästebüchern verweilt der Blick beim Durchblättern gelegentlich: etwa beim Na men des bedeutenden Kubinsammlers Prinz Franz von Bayern, beim Herausgeber von Kubin-Briefen und bereits genannten Ludwig Rosenberger, bei Carossas Schwie gertochter Helene Carossa, beim Journali sten Louis Barcata und anderen mehr. Doch etwas Wesentliches noch deuteten wir bereits an: daß nämlich der Ort in seiner spezifischen Art auch seinerseits auf den Künstler eingewirkt habe. In meinen Noti zen über Begegnungen mit Kubin gibt es aus den dreißiger Jahren eine Bemerkung, die ich Jahre später fast wörtlich in der Einleitung zum Katalog einer vom Kustos Max Bauböck veranstalteten Kubin-Sonderschau der Innviertler Galerie in Ried im Innkreis wiederholt habe: „(...) Sicher finden sich bei und also auch in Kubin Elemente, die an jene alten Meister erin nern, und es gibt Blätter von ihm, auf de nen die graphische Handschrift an Altdorfer strahlte. — „Ja", erklärte seine Frau ge scheit, überlegen und grundgütig, „es füh ren viele Wege nach Zwickledt — auch krumme. — Ich begreife alles, Alfred, nur eins nicht: warum du immer den Anfang der Geschichte ausläßt." Er tat auf eine fast kindliche Weise un wissend. Sie erläuterte mir: „Er hatte bereits ge wartet und war zunehmend neugieriger und nervöser geworden. Als es endlich klin gelte — auf die Minute pünktlich übrigens — eilte er zum Fenster, guckte hinunter, tat mißmutig und brummte: Ach so, naja, kommen Sie halt herauf, wenn Sie schon da sind. Aber zu essen habe ich nichts!" „Das wäre überflüssig gewesen", ver teidigte er sich, „sie war doch rundherum geradezu das Gegenteil vom Kriegspferd!" Hedwig Kubin nickte wortlos wie Buddha. SlCfy^ct jÜth-lU liU u.'f oe.V£- «.(0 Ss-uu i N.- / ? Je-- /? '

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