Oberösterreich, 20. Jahrgang, Heft 2, 1970

meisten Abende werden durch das leidige Briefschreiben geschändet und danach ist man zu müde, um noch die rechte Freude an einem Buch auftreiben zu können."" — Wer jemals ein wenig privateren Ein blick in den „Tag in Zwickledt" gewinnen durfte, wird gerade diesen Seufzer begrei fen! In einem Schreiben vom 12. März 1943 aus Zwickledt an den Verfasser heißt es abschließend: „(...) Alles Gute! 69 Briefe warten auf Antwort — (...)" Natürlich trafen auch genug Besucher, Künstlerkollegen, Dichter und Schriftstel ler, Freunde mit mehr oder weniger be rühmten Namen in Zwickledt ein, ange meldet und erwartet, denn Überfälle Frem der, ja selbst das überraschende Auftauchen Bekannter schätzte der Hausherr nicht. Dazu war Kubin zu fleißig und sein Tag zu regelmäßig eingeteilt, als daß der Künst ler Unterbrechungen ohne Unmut hätte hinnehmen können. Zu den ältesten Besuchern in Zwickledt gehörte sicherlich ein Freund aus Münche ner Tagen, der aus dem Kreis um Stefan George, Ludwig Klages und Alfred Schuler hervorgegangene Schriftsteller und Dichter Karl Wolfskehl, jener ,Dionysos von Schwabing"-, der unter anderem auch Kubins lebenslange freundschaftliche Verbin dung mit dem Passauer Lungenfacharzt und besinnlichen Dichter Doktor Hans Carossa herbeigeführt, ja geradezu gestiftet hatte. Zu den frühen menschlichen Verbindun gen, wie sie eben der Ort, die räumliche Nähe bisweilen schenken, gehört ein in be sonderer Weise dem Kulturkreis verbunde nes Paar: der musenfreundliche Schärdinger Industrielle Kommerzialrat Gustav Kaps reiter und seine Gemahlin Maria, einer zu jung verstorbenen kunstsinnigen Dame,der übrigens die Anregungen zur Rettung des in den letzten Kriegstagen von 1945 durch amerikanischen Artilleriebeschuß arg zer zausten Schloßparks und zur gleichermaßen dekorativ-heiteren wie repräsentativ-ba rocken Buntheit der Häuser in Schärding am Inn gedankt werden müssen. Eine vollständige Liste jener Persönlichkei ten, die um Kubins willen in Zwickledt eingekehrt sind, dürfte kaum noch aufzu stellen sein, doch befinden sich unbezweifelbar viele führende Geister österreichi scher und deutscher Kultur der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts darunter. Bildende Künstler hielten kollegialen Kon takt wie etwa die Österreicher Anton Faistauer, Anton Steinhart, Wilhelm Thöny, Gino von Finetti, Fritz von Herzmanovsky-Orlando, Besitzer des Schlosses Rametz bei Meran, der als österreichischer Kavalier alter Schule und Blutsmischung, skurriler Schriftsteller und Amateur-Zeich ner wie eine Art Halbbruder zu Kubin ge hörte, Hans Fronius, der gewissermaßen Kubins Erbe als führender österreichischer Illustrator angetreten hat, der einstmals in Waldhäuser am Lüsen seßhafte Reinhold I T vr mJ Koeppel, die in Oberösterreich heimisch ge wordene Graphikerin Margret Bilger und andere. Von jenseits der Grenze bewahrten ihm — in einigen Fällen bis zu ihrem er schütternd frühen Tode — viele Künstler die Freundschaft: vor allem Franz Marc. Ferner sind der in New York geborene Amerikaner deutscher Abstammung Bau hausmeister Lyonel Feininger zu nennen, weiter Olaf Gulbransson, Rudolf Groß mann, Thomas Theodor Heine, Ivo Haupt mann, von dem sich Kubin porträtieren ließ, ein Sohn Gerhart Hauptmanns, der Balte Rolf von Hoerschelmann'^, Paul Klee, der schon den jungen Kubin als faszinieren den Menschen hervorgehoben hatte („mimisch unerhört!""), Hans Meid, Jules Pascin, Ludwig Rosenberger, ein zeichnen der Nachkomme Adalbert Stifters, Karl Rössing, Adolf Schinnerer, Max Unold und andere zu nennen. Von etlichen dieser Künstler hängen Arbeiten an den Wänden der Räume in Zwickledt, so von Faistauer, Feininger, Thöny, wohingegen der Haupt teil solcher Tausch- und Widmungsstücke aus dem Nachlaß Kubins nach Wien in die Albertina gebracht worden ist. Verleger und Schriftsteller gehörten in kaum übersehbarer Menge zu Briefpartnern sowie Besuchern des Meisters in Zwick ledt, der als Illustrator der Literatur all seine Schaffensjahrzehnte hindurch geistig und wirtschaftlich verbunden war. Private und ökonomische Beziehungen berührten und ergänzten einander so stark, daß Cilli (recte: Cäcilie Lindinger), die 1937 in den Lebenskreis des Ehepaares Kubin als Wirt schafterin eingetreten und ihm dienend

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