Oberösterreich, 20. Jahrgang, Heft 2, 1970

mfiw^ ff H i ^A7 O/ ^ ^/| r ^n,~—— ^ V vor allem in künstlerischer Hinsicht ein Risiko war, dürfte er selbst gespürt oder gar befürchtet haben. Schon der Antrieb, den Landsitz zu erwerben, ist eher Aus druck einer Krise, die sich vor dem ersten Pariser Aufenthalt von 1906 quälend herausgebildet und nachher noch zuge spitzt hatte; den Künstler beunruhigte die schwierig zu entscheidende Frage, ob er sich aufs Malen oder Zeichnen konzentrie ren solle. In einer späten Autobiographie von 1952 erinnert er sich seiner Verfas sung vor dem Pariser Aufenthalt eindring lich: „Wenngleich ich nun ein ganz rich tiger Maler geworden war und mit Wut gegen jeden anderen als den rein maleri schen Inhalt der Bilder wetterte, fühlte ich doch von Zeit zu Zeit einen tiefen Zwie spalt, eine Zerrissenheit sondergleichen. Die folgenden 3 Federzeichnungen gehören in eine Folge, die Kubin zu Gedichten Herbert Langes aus den Jahren 1942/43 geschaffen hat. Die Sammlung sollte unter dem Titel „Die Windharfe" bei einem deutschen Verlag er scheinen, der seinen Plan aber nicht mehr ver wirklichen konnte. — Links: Fan, rechts: Mars Ganz, ganz heimlich zeichnete ich auch hin und wieder einmal etwas Groteskes, zur Erleichterung und weil es unbedingt fest gehalten werden mußte. Die Kauflust mei ner Gönner ging sehr zurück — neue Zwei fel!"^" — Und in der autobiographischen Einleitung zur Ausgabe des Romans „Die andere Seite" von 1917 heißt es nicht min der entschieden: „Mir war sehr schwül zu mute und als ich durch meinen Vater auf eine Gelegenheit aufmerksam gemacht wur de, die sich mir bot, einen kleinen Land sitz in Oberösterreich, nächst dem Inn, zu kaufen, war ich gleich sehr eingenommen für den Plan. Ich war um so lieber dafür, als mir unter dem Eindruck meines künstle rischen Dilemmas die Stadt unleidlich ge worden war." „Unleidlich" —, aber war die Stadt für den jungen Künstler damit zugleich entbehr lich geworden? Darin verbarg sich kein ge ringeres Dilemma als jenes der Wahl zwi schen Malerei und Graphik! So erklärte Kubin 1949 oder 1950 in einem Brief an Carossa beispielsweise zur Bedeutung der Künstlervereinigung „Der blaue Reiter" für ihn persönlich: „... (für mich war es ein Freundschaftsbündnis — da ich als Zwickledter nur ein paarmal im Jahre nach München kam) niemals eine Übereinstim mung oder ein Programm, das es gar nie gab!(...)" Längst hat sich gezeigt, daß dem Künstler Kubin ein Lebensexperiment, ein ganzes Bündel von Aufgaben, nachhaltig zu lösen gelungen ist: er hat es vermocht, sich von diesem abgelegenen Flucht-Ort aus welt weit durchzusetzen; er hat mit seiner Per son und Leistung den bisher bedeutungs losen Ort erstaunlich umfassend ins öffent liche Bewußtsein gehoben; — und er hat sich der Eigenheit des Orts und dem Wesen der ihn umgebenden Landschaft so willig geöffnet, daß diese unaufdringlichen Werte in ihm fruchtbar geworden sind. Die For mel „der Künstler und sein Ort" bezeich net in diesem Falle wahrhaftig ein Geflecht innigster, wenn auch schwer und gewiß nicht vollkommen bloßzulegender Wechsel beziehungen. Der Künstler, dessen Werk und Name eben in etwas erweitertem Radius bekannt zu werden begonnen hatte, nahm das Risiko einer derart polaren Ortsveränderung zwar in einer existenziellen Verwirrung auf sich, aber unbewußt oder unterbewußt wohl dennoch auf die Anziehungskraft seines Wesens und seiner Kunst vertrauend. Diese geheime Lenkung seines Daseins sollte — wie sich das in den folgenden Jahrzehnten des schöpferischen Menschen erwiesen hat — bewähren. Er machte das unbekannte Zwickledt zu seinem Sitz und Mittelpunkt. Wer künftig Zwickledt sagte oder schrieb, meinte Kubin; wer sich entschloß, diesen Ort zu suchen, wünschte den Künstler zu besuchen. Und es dauerte nicht übermäßig lange, bis ein Poststück, aufgegeben an den „Zauberer von Zwickledt" (ohne sonstige Angaben,,Europa' oder dergleichen) seinen Weg aus den Vereinigten Staaten von Amerika bis nach Wernstein-Zwickledt im Bezirk Schärding fand. Die Flut der Briefe und Zuschriften, die Jahr für Jahr in Zwickledt eintraf, war un geheuer; und Alfred Kubin — antwortbe flissen — hat oft darunter gestöhnt. „Die

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