■■'f'i'iwl %' Bruno Ammering Aus den Briefen, die der Soldat Bruno Ammering heimgeschrieben hat, löste die Mutter mühsam die Zeilen, die sich als Gedichte ordneten. Zwischen den Berichten über den Tag waren die Summierungen eingestreut, wie sie die seelischen Gedanken erbrachten. Franz Turnier hat im März 1949, fünf Jahre nach dem Tode des Stu denten und Offiziers, aus den zweihundert Lyrismen ein Fünftel zu einem schlichten Band gestaltet, nachdem Bruno Brehm und Johannes Würtz bei der Auswahl beraten und geholfen hatten. So blieb wenigstens in Konturen das Bildnis des jungen Dichters bewahrt, der am 25. April 1923 als Sohn eines Buchbinders in einem bürgerlichen Hause zu Ried im Innkreis geboren worden war und am 26. Dezember 1944 in der Schlacht in den Ardennen als Leutnant und Batterieführer gefallen ist. Er teilte das Schicksal, wie es die Oberösterreicher Walther Müller, Robert F. Höllersberger, Karl Kugler, Helmut Hilpert und Ernst Egermann an anderen Fronten erlitten. „O Zeit, mächtige / Todesschwester! / endloser Gang, / zu enden, was je lebt. / Vor deinem Hauch / wird bleich die Wange / wird stumm der Mund." Mit diesen Rhythmen schließt das Vermächtnis, das gedruckt wurde, um Zeugnis zu geben von der Zeit, die groß und heroisch sein wollte in ihrem Auftritt. Von der Schulbank weg, nach abgelegter Reifeprüfung am Rieder Gymnasium, rückte Bruno Ammering 1941 zur Wehr macht ein und stand von da, ohne daß ihm längere Rückkehr vergönnt gewesen wäre, im Feld: zuerst in Rußland, zuletzt im Westen. Seinen Tornister beschwerte das Bildungserbe. Es war die hymnische An leihe der Epoche, die mit Gesängen den Lärm des Krieges zu überrauschen ver suchte. Trunken, wie Zecher und Süchtige, nahmen im propagierten Heldentum die von Poesie und Sehnsucht umnächtigten Jünglinge ein verzichtendes Leben auf sich, werdende Weltbürger eines pathetischen Vater- und fruchtbaren Mutterlandes, dessen Größe sie im Menschenbilde der Antike verwirklicht sahen. Allerdings erfolgte gar bald die heilige Ernüchterung, die sie dorthin zurückführte, von woher sie stammten: zur" nächsten Heimat und urwüchsigen Landschaft ihrer Geburt. So findet sich in Bruno Ammerings Sammlung die Natur verherrlicht und die Geborgenheit der Erde gepriesen. „Im Grabe die Toten ruhen nicht. / Ob Sand bedeckt ein modernd Gesicht, / ob trüge risch sie ein Moor verschlang, / noch hält sie der Erde gärender Drang / und ätzt die endlichen Adern entzwei: / wie quellen die Säfte der Toten so frei! / Ihr Blut ver rann im unendlichen Meer, / pulst sternwärts fort und zur Erde her." Das ist ge steigertes Richard-Billinger-Lied: echt im Empfinden, einfach in der Feststellung, klar im Reim, satt im Bild. Ein junger Mensch sucht seine eigene Sprache, ohne die Vor formen zu vergessen und sich im Intellek tuellen zu versteigern. Solche Gestaltungen wie „Im Grabe die Toten" oder „Hirten feuer" oder „Weihnacht" haben Tradition und sind ausgewiesen durch die moderne deutsche Naturlyrik, durchschossen von österreichischen Elementen. Vor allem hört man auch den Ton Georg Trakls, des Bru ders im Geiste. Es zeigt die Kraft des Rie ders, daß er zwar Ausdrückliches des Salz burgers nahm, aber sich von der persönli chen Gebrochenheit des im ersten Weltkrieg Geopferten distanzierte, dem der Tod näher war als das Leben. Das Süchtige ist bei Bruno Ammering überwunden. Der Kampf ist inneres Erlebnis und nicht Scheitern am Furchtbaren. Franz Tumler hat aus Staunen vor dem Talent gesagt: Was in dem Band „Ge dichte" gesichtet und ausgewählt steht, ist schwermütiger Reichtum einer Seele und eines früh zur Vollendung Gereiften als reines Zeugnis einer ungewöhnlichen Be gabung. Mag die Zeit angespornt haben, indem sie Können entfesselte und Zungen löste, der Drang brach aus einem bereiten Herzen hervor, so wie es im „Morgen" gleichnishaft und wirklichkeitsnah heißt: „O du zartes Licht, / das mein Herz be tört! / Auf mein Angesicht / Bleich und froh-verstört // nach der bangen Nacht, / da der Geist irr schweift, / jetzt die Morgenpracht / ihre Strahlen häuft." Das ist geläuterte Naivität, grenzend an die Spruchweisheit hoher Lyrik, gegeben von einem Hingerissenen und Hingeworfe nen, dem eben die eigene Tagwerdung ge schenkt wurde. Als Bruno Ammering von der Schulbank weg in den Krieg mußte — 1941 waren noch Sieg und Erfolg die Begleiter der grauen Bataillone — und sich das Unaus weichliche des Schicksals eingestand, da unterschied er vielleicht nicht, was er von sich und was Gewaltigere von ihm forder ten; er mag, wie Tausende neben ihm gleichen Kleides im Einklang gewesen sein mit den Fanfaren und Trompeten der Mel dungen aus dem Felde. Aber ein Geschlecht vor ihm — und er kannte es bestimmt aus dem Literaturunterricht — hat beispiel haft ge- und bezeugt, daß der befohlene Aufbruch nicht freier Anbruch sein mußte, sondern Nieder- und Untergang, wenn wir dem Jüngling Ernst Stadler glauben. Im ungedruckten Nachlaß fand sich noch eine zehnstrophige Ode mit dem Datum April 1944. Ein halbes Jahr trennt den Schreiber und Träumer vom Tode in der Schlacht, wie ihn Friedrich Hölderlin, der nie Soldat war, geschaut und besungen hat. Aber die Zeilen Bruno Ammerings gelten nicht den Stahlgewittern, sondern der Vision des Friedens. Sie reden den Men schen an: „Du aber, Bruder, schlage mit dichtem Zweig / das Feuer aus, das helle, das wir genährt. / Fühl', wie es um uns schwebt, was / lang schon umworben uns hat mit Flüstern. // Die Toten sind's, die an unserer Herzen Schlag / erwärmen möchten, eh ihre Zeit vorbei, / weil länger nicht die neugewordene / Erde die ruhlo sen Schatten duldet." Der Mund, der den kommenden Gott er wartend pries, ist früh verstummt. Eine Handvoll Gedichte sind Hinterlassenschaft und Vermächtnis. Durfte der Krieg, ehe das Werk reif war, den Abruf setzen, damit sich ein Name zu Namen reihe wie ein Grab zu Gräbern, die sich gleichen? Ob aus ihnen noch einmal Leben aufersteht, weil das Angefangene weiter wirkt, oder ob alle Wünsche vergeblich waren, weil das Unfertige vergessen wurde und ganz ver gessen ist, wenn die Betreuer auch gestor ben sind — wer vermag es zu sagen?
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