Oberösterreich, 20. Jahrgang, Heft 2, 1970

Dilettant hingestellt, steht heute in der Beurteilung zuständiger Fachleute als Künstler da, der in einzelnen Werken bei spielsweise seinen Zeitgenossen Waldmül ler überragt. Alle diese Forschungswege ha ben das Institut tief in Probleme der Kunstgeschichte, der Pädagogik, der Denk malpflege hineinsteigen lassen. Diese Be mühungen ergaben, vor allem vom Dichte rischen her, Ansatzpunkte für die Erfor schung von Stifters geistiger Umwelt in seiner Wahlheimat und darüber hinaus für das dichterische Gefolge in Oberösterreich bis in unsere Tage. Und gerade bei diesen Fragestellungen wird es dem Literarhisto riker bewußt, wie verhältnismäßig wenig bis heute auf dem Gebiet der oberöster reichischen Literaturgeschichtsforschung, außerhalb Stifter, geschehen ist. Dank der großzügigen Hilfe der oö. Lan desregierung ist es gelungen, im StifterHaus zu Linz neue Räume freizubekom men. Line lange Reihe anderer Dichter, dar unter bedeutende und weniger bedeutende, muß wissenschaftlich beurteilt werden. Wir stehen am Beginn einer Forschung, wie sie in anderen Bundesländern schon längst be trieben wird. Denken wir etwa an Tirol oder an die Steiermark. Im Dichterarchiv des Oö. Landesmuseums werden folgende Nachlässe verwahrt: Franz Stelzhamer, Norbert Hanrieder, Ed ward Samhaber, Hermann Heinz Ortner, Maurus Lindemayr, Ferdinand Zöhrer, Adolf Schwayer, Richard Billinger, Josef Moser (Bader von Klaus). Diese Nachlässe sollen vom Adalbert Stifter-Institut im Jahre 1971 übernommen werden. Dazu kommt noch das von dem verstorbenen Direktor der Bundesstaatlichen Studien bibliothek in Linz, Hofrat Dr. Kurt Vancsa, höchst verdienstvoll aufgebaute und liebe voll betreute Handel-Mazzetti-Archiv. An den österreichischen Universitäten wur den Hausarbeiten und Dissertationen mit Themen über oberösterreichische Dichter vergeben und auch geschrieben. Auch diese Arbeiten wird man sichten, zum Teil re produzieren und diesem neu zu errichten den Archiv einverleiben müssen. Das Dis sertationsverzeichnis der Universität Wien weist zum Beispiel Arbeiten über Billinger, Lindemayr, über die oberösterreichische politische Dichtung, über die Geschichte des Dramas, über Prechtler, Schleifer, Stelz hamer, über das evangelische Schuldrama in Steyr, über Bahr, Samhaber, Schindler, über die Handel-Mazzetti, über Kaltenbrunner und, zum Großteil natürlich, über Adalbert Stifter auf. Es werden nicht immer Namen von gro ßen Dichtern sein, die in unserem Archiv Aufnahme finden sollen, aber in der Ge samtüberschau haben auch die kleineren Geister ihre Funktion, und es findet sich manche Perle in einem mittelmäßigen Ge samtwerk. Denken wir hier nur an Her mann von Gilm, dessen lyrische Ernte heute größtenteils verstaubt ist. Wenn er aber nichts geschrieben hätte als seine herr lichen Gedichte „Allerseelen" und „Die Georgine" wäre er würdig, in der Reihe unserer Dichter einen Ehrenplatz einzu nehmen : ALLERSEELEN Stell auf den Tisch die duftenden Reseden, Die letzten roten Astern trag herbei Und laß uns wieder von der Liebe reden Wie einst im Mai. Gib mir die Hand,daß ich sie heimlich drücke. Und wenn man's sieht, mir ist es einerlei, Gib mir nur einen deiner süßen Blicke Wie einst im Mai. Es blüht und funkelt heut auf jedem Grabe, Ein Tag im Jahre ist den Toten frei; Komm an mein Herz,daß ich dich wieder habe. Wie einst im Mai. DIE GEORGINE Warum so spät erst, Georgine? Das Rosenmärchen ist erzählt Und honigsatt hat sich die Biene Ihr Bett zum Schlummer schon gewählt. Sind nicht zu kalt dir diese Nächte? Wie lebst du diese Tage hin? Wenn ich dir jetzt den Frühling brächte, du feuergelbe Träumerin! Wenn ich mit Maitau dich benetzte Begösse dich mit Junilicht — Doch ach! dann wärst du nicht die Letzte Die stolze Einzige auch nicht. Wie,Träumerin,lock'ich vergebens? So reich mir schwesterlich die Hand, Ich hab' den Frühling dieses Lebens Wie du den Maitag nicht gekannt. Und spät wie dir,du feuergelbe, Stahl sich die Liebe mir ins Herz Ob spät,ob früh,es ist dasselbe Entzücken und derselbe Schmerz. Rot fällt zu Boden Blatt um Blatt Als bluteten die Bäume — Mein Herz ist welk, mein Lied ist matt. Und krank sind meine Träume. Die Rosen brach des Sturmes Wut, Ich könnt'es nicht verhindern; Warum soll meiner Liebe Glut Allein nur überwintern? Ich geh'sie meinem Gott und Herrn Und will mich nicht mehr härmen. Er kann damit den ersten Stern, Der ihm erfriert, erwärmen. Das Endziel unserer Bestrebungen im Sinne einer oberösterreichischen Literaturge schichtsforschung ist die Bereitstellung der Dichternachlässe für Lehrende und Ler nende, für die Presse und für alle übrigen Kommunikationsmittel, für alle Freunde der Dichtung unseres Landes. Da die Vier teljahrsschrift des Adalbert Stifter-Institu tes eine weit in die Welt hinausreichende Streuungskraft besitzt, ist auch die Basis gegeben, in diesem systematisch auf Welt wirkung ausgebauten Publikationsorgan die großen Themen der Dichtungsgeschichte unseres Landes aufzugreifen und die aus diesen resultierenden wissenschaftlichen Ergebnisse zu veröffentlichen. Eine bislang nur namentliche Aufstellung, reichend bis zum Jahre 1918, ergab eine Zahl von etwa 100 Autoren. Darunter gibt es klingende Namen und Unbekannte, aber auch die weniger Bedeutenden haben im Fluß der Dichtungsgeschichte ihren Rang. Ein weiteres Anliegen unserer Be strebungen wird es sein, Dichternachlässe nach Möglichkeit dem Lande zu erhalten. Hier müßte den noch lebenden Autoren, die großzügige Unterstützungen von Stadt und Land erhalten, verständlich gemacht werden, daß sie ihre Dankbarkeit beweisen können,indem sie ihre noch nicht publizier ten Schaffensprodukte dem Lande, in dem sie lebten, zur Verfügung stellen. Es sollte beispielsweise nicht mehr vorkommen, daß ein Linzer Dichter, der hier nicht nur eine Sinekure genoß, sondern darüber hinaus noch zeitlebens großzügige Unter stützungen in jeder Form erhalten hat, aus „Dankbarkeit" einen Teil seines Nachlas ses noch zu Lebzeiten außer Landes gab (Arthur Fischer-Colbrie). Auch die Stadt Linz verwahrt Nachlässe von Dichtern, Schriftstellern und Schrift stellerinnen, so etwa von Karl Emmerich Baumgärtl, Maria von Peteani, Hedda Wag ner und Teutschmann. Hier wird in Zu kunft eine Zusammenarbeit angestrebt. Ein großes Anliegen ist die weitere Betreuung des von Hofrat Dr. Vancsa angelegten Handel-Mazzetti-Archivs, dessen Erwerb und Ausbau durch die finanzielle Unter stützung des Landes Oberösterreich ermög licht wurde. Wenn alle diese Vorhaben Wirklichkeit werden sollten, bedarf es sicher eines zu sätzlichen Arbeitsaufwandes aller Beteilig ten. Es wird vor allem auch an die studie rende Jugend gedacht werden müssen, die bei der Sichtung, Ordnung und Bearbeitung großer Bestände zur philologischen Akribie erzogen werden kann. Im Zeitalter des Interpretierens in der Germanistik, um nicht zu sagen des Fabulierens, soll es hier in Linz Anregungen an den vorhandenen Objekten zur fachlichen Weiterbildung und zur Befassung mit der ganzen Problematik moderner Editionstechnik geben. Hand schriftenproben in Vitrinen, Bilder der be deutendsten oberösterreichischen Dichter, ein Studiersaal, ein wohlgeordnetes Archiv und eine Kartei über die Bestände werden es ermöglichen, jederzeit Studien zu be treiben. Wir sind überzeugt, daß sich nach der Sich tung aller Bestände große Themen für die Literatur unseres Landes aufdrängen wer den, Themen, die in den Publikations organen des Adalbert Stifter-Institutes er örtert und der Wissenschaft dienstbar ge macht werden können.

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