Oberösterreich, 20. Jahrgang, Heft 2, 1970

verzeichnen, ohne erklärende Zusammen hänge herzustellen, stellt Reichersberg den „Übergang zur ausführlichen Chronik so wie zur Hausgeschichte und damit zur Hei matkunde" dar. Die Reichersberger Quelle wird zugleich als Beginn des Verwertens von Urkunden bezeichnet. Kurze Zeit vorher wurde in Garsten die Geschichte des ersten Abtes Berthold ge schrieben, jenes Mannes, dem am 8. Jänner 1970 durch Papst Paul VI. die Würde der Kultanerkennung zuteil geworden ist. Und nur wenig später entstand in der Benedik tinerabtei Lambach unter dem Abt Waesigrim das Werk „Vita et miracula Adalberonis", in dem das Leben des Kloster gründers dargestellt wird. Aus der Zeit um 1300 stammt schließlich die Lebens geschichte der Klausnerin Wilbirg, die Propst Einwick in St. Florian verfaßte. St. Florian besitzt außerdem das so genannte Chronicon Florense, das in den ersten Jahrzehnten des 14. Jahrhunderts entstanden ist und im Anschluß an die Melker Annalen die österreichische Ge schichte in der Zeit von 1276 bis 1309 be handelt. Der Verfasser ist nicht bekannt''. Seit der Mitte des 13. Jahrhunderts finden wir in den Klöstern anstelle der Traditions bücher die Urbare, in denen der jeweilige Besitzstand verzeichnet wurde. Als Bei spiel dieser für die Wirtschaftsgeschichte bedeutungsvollen Quellenart sei der Codex Fridericianus angeführt, der unter Abt Friedrich von der Aich (1275 bis 1325) in Kremsmünster angelegt wurde. Nicht unerwähnt darf schließlich bleiben, daß es in unseren Stiften auch bedeutende Schreibschulen gab. Berühmt ist die von Abt Konrad im 12. Jahrhundert gegrün dete Mondseer Schreib- und Illuminatoren schule. Auch in Ranshofen bestand eine anerkannte Schreib- und Malschule, die mit der Salzburger Schreibschule in Verbindung stand. In Lambach schrieb um 1200 der Mönch Haimo das Lambacher Rituale und St. Florian besitzt mit der „Biblia pauperum" aus dem Jahr 1310 eine besondere Kostbarkeit. Auf die Bedeutung der Schreibschulen, in denen die Mönche nicht nur ihr Leben in den Dienst einer großen Aufgabe stellten, sondern zugleich un ermeßliche Werte schufen, hat Eduard Straßmayr in einer dem Schicksal der Klosterbibliotheken gewidmeten Unter suchung hingewiesen®. E. Straßmayr legt dar, daß St. Florian heute noch 65 Perga menthandschriften besitzt, die aus der Zeit vom 11. bis zum 15. Jahrhundert stammen und zum überwiegenden Teil im Kloster selbst entstanden. Weiter wird unter Berufung auf die vorhandenen Ver zeichnisse berichtet, daß die bedeutenderen oberösterreichischen Stifte gegen Ende des 15. Jahrhunderts durchschnittlich 400 bis 500 Handschriften besaßen. Im Spätmittelalter wurde das geistige Le ben nicht mehr ausschließlich von der Kir che bestimmt. Zu den Leistungen der Kirche traten jene der gelehrten Laien an den Uni versitäten und der gebildeten Bürger in den Städten. So finden wir in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts an der Wiener Universität drei Gelehrte, zwei Oberöster reicher und einen mit diesem Land beson ders verbundenen Franken, welche die Mathematik und die Astronomie in den Mittelpunkt des wissenschaftlichen Inter esses rückten und der Wiener astronomi schen Schule europäische Geltung verschaff ten. Es sind dies Johannes von Gmunden, Georg von Beuerbach und Johannes Regiomontanus'. Joannes de Gamundia, der um 1380 als Sohn eines Schneiders geboren wurde, wird 1400 zum ersten Mal in der Matrikel der Wiener Universität genannt. 1402 war er Baccalaureus, 1406 Magister; seit 1408 hielt er an der Alma mater theologische, philosophische und vor allem mathemati sche Vorlesungen. 1418 durfte er seine mathematischen Vorlesungen krankheits halber sogar in seinem Heim halten. 1425 wurde er zum Domherrn von St. Stephan installiert, 1435 erhielt er den Posten eines Pfarrers von Laa an der Thaya. Der Uni versität, von der er damit schied, übertrug er bei diesem Anlaß seine Bibliothek und seine astronomischen Instrumente. Johan nes von Gmunden gehört so zu den Be gründern der Universitätsbibliothek in Wien. 1442 starb er und wurde zu Sankt Stephan beigesetzt. Zu seinen besonderen wissenschaftlichen Verdiensten zählt, daß er für die Wiener mathematische Schule feste Grundlagen schuf, daß er sich zeit lebens mit der Erforschung der Planeten bewegungen und der Stellung der Gestirne beschäftigte — er verbesserte auf Grund eigener Beobachtung die auf Anordnung von Alfons von Kastilien um 1250 her gestellten Tafeln zur Berechnung der Standorte von Sonne, Mond und Planeten — und daß durch ihn eine strikte Schei dung von Sternwissenschaft und Stern deutung erfolgte. Wilant von Stuttgart, ein Schüler des Jo hannes von Gmunden, war der Lehrer Georgs von Beuerbach. Der 1423 zu Beuer bach geborene Gelehrte ist, wie aus Ver öffentlichungen über ihn hervorgeht, 1446 in der Wiener Universitätsmatrikel als Georius Aunpeth de Pewrbach eingetragen. 1448 wurde er Baccalaureus, anschließend unternahm er weite Reisen und hielt in Ferrara, Bologna und Padua Vorlesungen. In Italien lernte er den Astronomen Bianchini und Kardinal Cusanus kennen. Cusanus, ein bedeutender Theologe und Philosoph aus Kues an der Mosel, beschäf tigte sich sehr stark auch mit mathemati schen und astronomischen Problemen. Von diesen beiden Gelehrten erhielt Georg von Beuerbach wertvolle Anregungen. Angebote italienischer Universitäten lehnte er jedoch ab und kehrte wieder in die Heimat zurück. Hier mußte er allerdings zunächst in Armut und Not leben, bis ihn die Ernennung zum Hofastronomen des Königs Ladislaus von Ungarn aus seinen finanziellen Schwierig keiten befreite. Ab 1456 hielt er an der Wiener Universität Vorlesungen, 1461 starb er jedoch schon. Zu seinen Leistungen gehören die Begründung einer neuen Planetentheorie, die Einführung des Sinus in der Trigonometrie und die Erfindung von Meßinstrumenten für Höhen- und Entfernungsmessungen. Von Beuerbachs Schriften sind vor allem die Sammlung von Regeln für das Rechnen mit ganzen Zahlen, die „für die Studenten der hoen schuel zu Wien" bestimmt war, sowie seine Planetentheoretik zu nennen. Ein von Beuerbach erfundenes Meßgerät benutzte noch Kepler. Ungefähr 1452 kam Johannes Müller aus Königsberg in Franken, daher Regiomontanus genannt, zu Beuerbach. Regiomontanus, der damals 16 Jahre alt war und an der Universität Leipzig studiert hatte, ohne jedoch zu finden, was er suchte, bat Beuerbach, ihn als Schüler aufzunehmen. Damit wurde eine Verbindung angeknüpft, die nicht nur für Regiomontanus entschei dend, sondern auch für die Fortsetzung und Veröffentlichung der wissenschaftlichen Leistungen von Johannes von Gmunden und Georg von Beuerbach von besonderem Wert war. Sichtbarer Ausdruck hiefür sind die sogenannten Ephemeriden, das sind astronomische Jahrbücher, in denen Regio montanus die von Georg von Beuerbach überarbeiteten Tafeln des Johannes von Gmunden veröffentlichte. Diese Epheme riden erlangten später für die Schiffahrt Bedeutung. Christoph Columbus z. B. be nützte sie auf seiner Amerikareise. Regio montanus verfaßte u. a. auch ein Lehrbuch der ebenen und spärischen Trigonometrie, erarbeitete Sinus- und Tangenstafeln und suchte in der Astronomie, zusammen mit seinem Schüler Bernhard Walter, mit ver besserten Instrumenten Jahreslänge und Planetenbewegungen genauer zu errechnen. Das Aufsehen, das die „Ephemerides astronomicae ab anno 1475 ad 1506" in ganz Europa machten, veranlaßten Papst Sixtus IV., Regiomontanus nach Rom zu berufen. Hier starb der Gelehrte 1476. Natürlich erbrachten auch unsere Klöster nach wie vor große geistige Leistungen. So hören wir, daß in Kremsmünster Abt Ulrich der IV. (1454 bis 1484) der Baccalaureus der freien Künste und des kanonischen Rechtes war, die Wissenschaft in besonde rer Weise förderte. In Lambach finden wir unter Abt Thomas Messerer (1436 bis 1474) die Schreibschule in neuer Blüte. Unter dem folgenden Abt, dem gelehrten Johannes IV. Swerzwadel, öffnet sich das Stift weit dem Geist humanistischer Bil dung. Walter Luger'" berichtet in seiner Beschreibung des Stiftes, daß Johannes IV. mit den bedeutendsten Gelehrten seiner Zeit, etwa auch mit Conrad Celtes, in Ver bindung stand, der für den hl. Adalbero eine Grabinschrift verfaßte, und daß der

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