Oberösterreich, 20. Jahrgang, Heft 2, 1970

und zugleich Mitglied der Landstände kam zur Zeit der großen staatlichen Reformperiode unter Maria Theresia ins Wanken. Schon als die „Repräsentation und Kammer", eine staatliche Verwaltungs behörde, 1749 in Oberösterreich eingerich tet wurde, da wurde deren Chef Graf Franz Reinhold von Andlern nicht Landes hauptmann, sondern Präsident genannt; erst nach 6 Jahren kehrte man zum Titel Landeshauptmann zurück. Als dann Kaiser Joseph II. 1783 eine eigene Landesregierung in Linz errichtete, hörte die alte Landes hauptmannschaft auf zu bestehen. Graf Christoph Wilhelm von Thürheim war der letzte Landeshauptmann alter Art und bis 1786 der erste Präsident der Landes regierung. In der folgenden Epoche des Josephinischen und Franziszeischen Beamtenstaates, als der Begriff „Land", dem so viel von Eigen ständigkeit und altem Brauch anhaftet, immer mehr zugunsten des Begriffes „Provinz" als eines bloßen Verwaltungs bezirkes des Staates zurücktrat, gab es in Oberösterreich keinen Landeshauptmann. Der Präsident der Landesregierung war zu gleich Präsident der Landstände. Die Situation hatte sich gegenüber dem alten Staat dualistischer Art, in der die Stände gewichtig neben dem Fürsten standen, um gekehrt: Nicht mehr ein Mitglied des Herrenstandes wurde Landeshauptmann, sondern ein Präsident der Regierung, der nicht unbedingt aus dem Lande stammen mußte, wurde auch Haupt der weitgehend entmachteten Stände. Von 1783, dem Be ginn der Neuordnung in Oberösterreich, gab es bis 1848 insgesamt 9 Präsidenten der obderennsischen Regierung: Sie seien hier kurz angeführt: Christoph Wilhelm von Thürheim 1783 bis 1786 (vorher Landeshauptmann), Heinrich Graf von Rottenhahn 1787 bis 1790, August Graf von Auersperg (1791 bis 1805), Johann Freiherr von Hackelberg zu Landau 1806 bis 1810, Graf Christian Aicholt 1810 bis 1815 (bis 1812 nur provisorisch), Bernhard Freiherr von Hingenau 1815 bis 1827, Alois Graf Ugarte 1827 bis 1834, Rudolf Fürst Kinsky 1834 bis 1836, Philipp Freiherr von Skrbenski 1836 bis 1848. In der Übergangsphase nach der Revolution von 1848 war — seit Dezember 1848 — bis zur Neuordnung der gesamten Verwaltungs organisation Dr. Alois Fischer Landeschef von Oberösterreich. Mit Wirksamkeit vom 1. 1. 1850 wurde für Oberösterreich das Amt eines k. k. Statthalters als Chef der politischen Verwaltung geschaffen. Die Reihe der Statthalter — der erste war wie der Dr. Fischer — reicht dann bis ans Ende der Monarchie. Auch sie seien des Interes ses halber hier kurz angeführt: Dr. Alois Fischer 1850 bis 1851, Eduard Freiherr von Bach 1851 bis 1863, Franz Freiherr von Spie gelfeld 1863 bis 1867, Eduard Graf Taaffe 1867, Karl Graf Hohenwart 1868 bis 1871, Sigmund Freiherr von Konrad — Eybesfeld 1871 bis 1872, Otto Freiherr von Widenfeld 1872 bis 1877, Bohuslav Ritter von Widmann 1877 bis 1879, Felix Freiherr von Pino 1879 bis 1881, Philipp Freiherr von Weber-Ebenhof 1881 bis 1889, Franz Graf Merveldt 1889 bis 1890, Viktor Freiherr von Puthon 1890 bis 1892, Arthur Graf Bylandt-Rheidt 1902 bis 1904, Erasmus Freiherr von Handel 1905 bis 1916, Rudolf Graf Meran 1917, Erasmus Freiherr von Handel 1917 bis 1918 (im oö. Amtskalender von 1919 wird er noch als „Statthalter — beurlaubt" angeführt). Schon die Namen dieser k. k. Statthalter zeigen, daß diese hohen kaiserlichen Beamten meist nicht dem Land entstammten, welches sie auch nicht vertraten, sondern lediglich verwalte ten als die Vertreter der monarchischen Gewalt, daß sie nichts mit dem Land ver band als der Dienst, den sie ihrem kaiser lichen Herrn als Landesfürsten des Erz herzogtums Österreich ob der Enns leisteten. Der Name und das Amt eines Landes hauptmannes traten erst wieder ins Leben, als nach der neoabsolutistischen Ära, welche auf die Revolutionszeit von 1848 gefolgt war, unter dem Druck des Zeitgeistes und vor allem der militärischen Niederlage Österreichs im Kriege von 1859, Österreich eine neue Verfassung erhielt. Das soge nannte Februarpatent von 1861, welches — wie Josef Redlich es fomulierte — eine Art Scheinkonstitutionalismus in Österreich installierte, enthielt Landesordnungen für die einzelnen Länder der Monarchie, dar unter auch für das Erzherzogtum Österreich ob der Enns. Diese Landesordnung von 1861 ist eines der wichtigsten Dokumente zur neueren Verfassungsgeschichte des Landes öberösterreich, weil sie bis zum Ende der Monarchie — in gewissem Sinne sogar darüber hinaus — die Grundlage der oberösterreichischen Landesverfassung bil dete. Die Landesordnung des Februarpaten tes schuf einen oberösterreichischen Land tag mit Gesetzgebungsrecht in Landesange legenheiten, der sich — gewählt nach dem Kurienwahlrecht — aus insgesamt 50 Mit gliedern (eine Virilstimme des Bischofs von Linz, 49 gewählte Abgeordnete: 10 vom Großgrundbesitzer, 17 der Städte und Industrialorte, 3 der Handels- und Gewerbekammer, 19 Abgeordnete der Landgemeinden) zusammensetzte. Im einzelnen gab es im Laufe der Zeit dann noch Änderungen; die wichtigste war die im Zuge der Demokratisierung im Jahre 1909 geschaffene allgemeine Wählerklasse, wodurch man dem allgemeinen Wahlrecht näher kam. Der Landtag hatte seit der letzten Wahl in der Monarchie im Jahre 1909 69 Mandate. Der Landeshauptmann, den es nunmehr nach 80jähriger Unterbrechung in öber österreich wieder gab, war nicht mehr, wie in der vortheresianischen bzw. vorjosefini schen Zeit der Vertreter des Landesfürsten im Lande, das war vielmehr der kaiserlich königliche Statthalter. Er hatte auch keiner lei gerichtliche Funktionen. Der neue Landeshauptmann wurde vom Kaiser aus der Reihe der Landtagsmitglieder ernannt, hatte als wichtigste Funktion die Leitung des Landtages, dessen Beschlüsse er unter bestimmten Voraussetzungen auch sistieren konnte, er führte im Landesausschuß, dem verwaltenden und ausführenden Organ der Landesvertretung, den Vorsitz. Da der Landtag nicht nur das Gesetzgebungsrecht in Landesangelegenheiten als Aufgabe hatte, sondern unter anderem auch ins besondere die Verwaltung des alten ständi schen und des sonstigen Vermögens des Landes, so mußte der Landeshauptmann als Vorsitzender des Landesausschusses, welcher „die gewöhnlichen Verwaltungs geschäfte des Landesvermögens, der Landesfonde und Anstalten" besorgte, de facto auch die Verwaltung der engeren Landesangelegenheiten führen. Die Ände rungen gegenüber dem Landeshauptmann älterer Ärt traten auch äußerlich in Erscheinung. Früher hatte der Landes hauptmann als Vertreter des Landesfürsten im landesfürstlichen Schloß zu Linz residiert, der Landeshauptmann des Fe bruarpatents nahm jedoch seine Residenz im Landhaus, dem Sitz der alten Land stände. Aus dem Vertreter des Landes fürsten war der Repräsentant der Landes selbstverwaltung geworden, deren Objekt ja noch immer auch das sogenannte Domestikale, das ist das ehemals ständische Vermögen, bildete. Allerdings war er — und das ist ein sehr wesentlicher Unter schied — als Vorsitzender eines vom Volk gewählten Landtages nicht nur Vertreter des Landes, sondern auch des Volkes. Es war also im Lande — Landeshauptmann und Statthalter — ein Dualismus neuer Art eingeführt, der freilich im Kern noch immer etwas vom alten fürstlich-ständi schen Dualismus in sich trug. Eine große Bruchlinie bildete für das Amt des Landeshauptmannes das Ende der Österreich-ungarischen Monarchie. Die Länder, uralte, historisch gewachsene autonome Körper, hatten den Unter gang der Monarchie überdauert und bilde ten gleichsam die Grundsteine für das Werden des neuen, republikanischen Österreich. Bis zum Wirksamwerden der Bundesverfassung von 1920 galt für öber österreich das Landesgesetz betreffend die Grundzüge der Landesverfassung, welches eine provisorische Landesversammlung am 18. März 1919 beschlossen hatte. Schon hier — so wie später nach den Bestimmun gen der Bundesverfassung — wurde der Landeshauptmann nunmehr von einem auf Grund des allgemeinen gleichen direkten und geheimen Verhältniswahlrechtes (ohne Unterschied des Geschlechtes) gewählten Landtag mit relativer Mehrheit gewählt. Das ist ein großer Unterschied gegenüber dem alten, vom Kaiser ernannten Landes hauptmann. Daß dieser Landeshauptmann

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2