Oberösterreich, 20. Jahrgang, Heft 2, 1970

Karl Pömer Wissenschaft aus Oberösterreich Wer die kulturelle Bedeutung Oberöster reichs veranschaulichen will, tut es zumeist mit dem Hinweis auf die künstlerischen Leistungen, die dieses Land hervorgebracht hat und hervorbringt. Hier bieten sich die Namen großer Meister an, die Höhepunkte einer Entwicklung verkörpern, zugleich aber auch als Symbole einer starken und viel seitigen künstlerischen Tradition gelten: Adalbert Stifter, Anton Bruckner, Franz Stelzhamer, Handel-Mazzetti, Richard Bil linger, Alfred Kubin .. . Zu wenig, so will es wenigstens scheinen, wird indes berücksichtigt, daß Oberöster reich auch im Bereich der Wissenschaft im mer wieder erstaunliche Kräfte entfaltet hat, Kräfte, die imstande waren, einen ech ten Beitrag zu den wissenschaftlichen Er folgen ihrer Zeit zu leisten. Der Wert die ses Beitrages ist umso höher zu werten, als es im Lande nie einen Herrscherhof und bis in das Josephinische Zeitalter hinein nicht einmal einen Bischofssitz gab und als hier erst im Jahre 1966 eine Hochschule ihre Lehr- und Forschungstätigkeit aufnahm. Es soll daher Aufgabe der folgenden Aus führungen sein, dem Anteil Oberösterreichs an den wissenschaftlichen Leistungen von einst und jetzt nachzuspüren und ihn be wußt zu machen. Daß es sich dabei nur um eine Betrachtung und nicht um eine um fassende Darstellung handeln kann, zu der umfangreiche Vorstudien nötig wären, soll das Anliegen nicht schmälern. Man muß wohl in der Geschichte weit zurückgehen, will man zu den ersten Zeug nissen geistigen Lebens in unserem Lande kommen. Da begegnen wir schon in der karolingischen Zeit wertvollen Belegen. Das Stift Kremsmünster etwa kann uns den Codex millenarius zeigen, ein kostbares Evangeliar in karolingischer Unzialschrift. Im Kloster Mondsee fertigten damals die Mönche Abschriften der deutschen Über setzung der alkuinschen Bibelrezension und verschiedener kirchlicher Texte an, die ihnen Erzbischof Hildebold aus Köln, der von Karl dem Großen eingesetzte Kommendatarabt, überbracht hatte'. Die Abschrei ber übertrugen gleichzeitig den ale mannisch-fränkischen Dialekt des Origi nals in die österreichisch-bairische Mundart. Von diesen Schriften sind heute wohl nur noch Bruchstücke vorhanden,unter ihnen als bedeutendstes die Übersetzung des Werkes Isidors von Sevilla „De fide catholica", doch werden diese Bruchstücke von der Fachwelt als Höhepunkte der deutschen Prosa unter Karl dem Großen, ja vielleicht sogar der gesamten althochdeutschen Zeit bezeichnet. Übrigens stammt aus Mondsee auch das älteste Zeugnis archivalischer Tä tigkeit, das wir in Österreich besitzen. Es ist das Traditionsbuch, das die Schenkungs urkunden ab der Zeit der Gründung des Klosters enthält. Das geistige Leben des Mittelalters wurde weitgehend von der Kirche geprägt. Vor allem die Klöster waren in dieser Zeit die Zentren der Bildung und Wissenschaft. So hören wir, daß es im Hochmittelalter auch in unserer Heimat einige sehr bedeutende Klosterschulen gab. Das gilt z. B. für Kremsmünster, wo am Übergang vom elf ten zum zwölften Jahrhundert Aham, der bedeutendste Abt seiner Zeit, regierte. Voll hoher Anerkennung berichtet die Vita Altmanni im Kap. 10, daß das Stift „durch den edlen, ruhmwürdigen Abt Adalram eine so tiefe ümwandlung" erfuhr, daß es „die Abteien ringsum ...übertraf". Und dann heißt es weiter: „Dank der Leistungen sei ner in Wissenschaft und Kunst wohlgebil deten Mönche steht es bis zum heutigen Tag glänzend da^." Aham war es auch, der sich der Klosterschule in besonderer Weise annahm. Bedeutung erlangte damals auch die Schule des Stiftes Reichersberg. Dort wirkte Propst Gerhoch (1132 bis 1169), eine gelehrte und mutige Persönlichkeit®. Gerhoch trat im Zusammenhang mit der zwiespältigen Papstwahl ebenso mannhaft gegen Kaiser Barbarossa und den von ihm unterstützten Papst Viktor IV. auf, wie er gegen eine von Frankreich ausgehende neue theologische Richtung zu Felde zog. Lei denschaftlich geißelte er die Mißstände der Kirche seiner Zeit und forderte eine Re form des Klerus, üm etwa 1300 gewann unter Abt Einwick die Klosterschule zu St. Florian hohes Ansehen. J. Langthaler'' nennt in seiner Schrift über St. Florian die Namen einiger berühmter Männer, die aus dieser Schule hervorgegangen sind. Dazu gehören der Kanzler Friedrichs III., Johann Rewein, und Erzbischof Sigismund von Salzburg. Die Klöster waren aber nicht nur für lange Zeit die einzigen Unterrichtsanstalten, sie waren auch die Stätten, die in der Ge schichtsschreibung besondere Bedeutung erlangten. Mit der Anlage von Traditions büchern, Kopialbüchern, Nekrologien, Briefbüchern und Stiftsbüchern und später von Urbaren, Chroniken und Annalen wurde hier der Anfang der Historiographie gesetzt, ein Anfang, dem später über ragende Leistungen folgen sollten. Beson dere Beispiele für den frühen Beginn dieser Art Geschichtsschreibung sind neben dem schon erwähnten Traditionsbuch von Mondsee ein reich ausgeschmücktes Kopialbuch von St. Florian aus 1276 und das Wilheringer Stiftsbuch, das aus der Zeit um 1250 stammt und lediglich als Bruchstück erhalten ist. Es handelt sich dabei um ein Register mit den Namen von Spendern und ihren Gaben, dem eine kurze Dar stellung der Geschichte der Gründungszeit des Klosters angefügt ist. Unsere Klöster spielten aber auch in der Annalistik eine bedeutende Rolle. Führend im Hochmittel alter waren die Klöster Kremsmünster und Reichersberg. Ihre Leistungen reihen sich würdig an die großen von Melk,Zwettl und Heiligenkreuz. Kremsmünster stellt uns aus der Zeit um 1300 eine Geschichte des Klosters vor, deren unbekannter Autor von dem bairischen Geschichtsschreiber Aventin mit Bernardus Noricus angegeben wird. Nach dem 1969 erschienenen Profeßbuch des Stiftes® ist der mit „Berh" ausgewie sene Hauschronist, der einfachen Verhält nissen entstammt, vor 1270 geboren wurde und 1300 die Priesterweihe empfing, be reits 1292 in der Schreibschule nachweisbar. Längere Zeit vermutete man hinter diesen Namen den damaligen Prior Bernhard Alhartinger (Wernhart), während P. Neumül ler auf Grund seiner Forschungen dahinter einen Gustos Bertold erblickt. Bereits ein Jahr früher hatte sich in Reichersberg der Chorherr Magnus als Verfasser einer Ge schichte des Hauses und einer Darstellung aus der Zeit Friedrichs I. verdient gemacht. Mit Magnus tritt, wie Ignaz Zibermayr in einer Abhandlung" feststellt, bereits ein deutlicher Fortschritt in der Darstellung ein. Während die Annalen der anderen Klöster unseres Landes die Ereignisse einfach nur Kremsmünster, Stiftsbibliothek, „Schatzkasten Nr. 1": Codex Millenarius, Bucheinband,Rück seite. — Aufnahme E. Widder

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