Oberösterreich, 20. Jahrgang, Heft 2, 1970

Hans Sturnaberger Die Landeshauptmänner von Oberösterreich seit 1861 Die Amtsbezeichnung „Landeshauptmann" für den Chef der Landesregierung in den einzelnen österreichischen Bundesländern erscheint uns so spezifisch österreichisch, daß wir geneigt sind, zu glauben, der Ter minus sei anderwärts gar nicht gebräuch lich. Dennoch hat es selbst im alten Preußen den „Landeshauptmann" gegeben, und es ist kennzeichnend, daß diese Bezeichnung dem Leiter der Provinzialselbstverwaltung in den einzelnen Provinzen zukam, daß sie also der ständischen Sphäre zugehörte. So zeigt sich, daß der Landeshauptmann als Haupt der autonomen Verwaltung dem Vertreter der staatlichen Verwaltung, dem Regierungspräsidenten bzw. dem Ober präsidenten gleichsam als ein Relikt des alten dualistischen Staates bis herauf an den Beginn der nationalsozialistischen Ära gegenüberstand. Denn erst 1933 gingen die Aufgaben dieser preußischen Landes hauptmänner auf die Oberpräsidenten über. Aber auch noch in der Bundes republik Deutschland gibt es den „Landes hauptmann"; er ist im Land NordrheinWestfalen der Leiter des Provinzialverbandes Westfalen (Münster), und in Hes sen werden die Leiter der Bezirksverbände Kassel und Wiesbaden als Landeshaupt mann bezeichnet. Auch hier handelt es sich jeweils um Bereiche der Selbstverwaltung auf Landesebene. So ist also diese in Öster reich gebräuchliche und tief verwurzelte Bezeichnung „Landeshauptmann" für den Regierungschef eines Bundeslandes durch aus nicht so singulär, wie es zunächst den Anschein haben mag. Trotz allem unterscheidet sich jedoch der österreichische Landeshauptmann nicht nur durch eine jahrhundertelange Tradition, durch ein in diesen Jahrhunderten fast ständige und gewichtige Dominanz im Leben der Länder, sondern auch noch da durch von ähnlichen Institutionen dieses Namens, daß er eben heute keineswegs auf autonome Belange eines Landes, die in der alten landständischen politischen Position ihre Wurzel haben, beschränkt ist, sondern zugleich sehr wesentliche staat liche Funktionen ausübt. Denn nach der derzeitigen verfassungsrechtlichen Lage steht der Landeshauptmann als Chef der Landesregierung an der Spitze eines Bun deslandes und wird jeweils vom Landtag gewählt, ist also das Caput der autonomen Landesverwaltung, zugleich aber Träger der mittelbaren Bundes-(Staats)verwaltung in seinem Bundesland. Er hat also heute eine Doppelfunktion als Repräsentant der auto nomen Verwaltung und der mittelbaren Bundesverwaltung, das heißt, jener Bereiche der Bundesverwaltung, zu deren Besorgung keine selbständigen Bundesbehörden be stellt sind. Nun ist das freilich nicht das Ergebnis einer sehr langen Entwicklung und nicht älter als die Republik Österreich. Ursprünglich — im Mittelalter — war der Landeshauptmann ein landesfürstlicher Beamter und der Repräsentant des Landes fürsten im Lande, seine Aufgaben waren demnach staatlicher Natur. Ihm gegenüber standen als Vertreter des „Landes" die Landstände, die Korporation der lokalen Grundobrigkeiten. Der Landeshauptmann blieb dieser Vertreter des Landesfürsten und seiner Interessen offiziell auch zu jener Zeit, da die Stände eine dominierende Stellung hatten, etwa zur Zeit der Refor mation und der beginnenden Gegenrefor mation, und als der Landeshauptmann meist aus dem Corpus der Landstände (vornehmlich aus dem Herrenstand) ge nommen wurde. Erst sehr spät — im 19. Jahrhundert nach einer 80jährigen Unterbrechung — wurde der Landeshaupt mann dann nach dem Februarpatent von 1861 lediglich Repräsentant der autonomen Verwaltung, während ihm als Vertreter des Kaisers im Lande der Statthalter gegen überstand. Erst als mit dem Ende der Monarchie der Landeshauptmann auch die Funktionen des Statthalters übernahm, er gab sich dann seine in der Bundesverfassung festgelegte Doppelfunktion. Die Entwick lung führte also vom Landeshauptmann als Vertreter des Landesfürsten — bis in die Zeit Josephs II. — schließlich in der Ära des beginnenden Konstitutionalismus zum Lan deshauptmann, der wohl vom Kaiser er nannt wurde, aber lediglich Vertreter der autonomen Verwaltung war und Chef des Landesausschusses, des Exekutivorganes des Landtages, gewesen ist. Die Linie führt dann weiter zum heutigen Landes hauptmann in seiner zweifachen Funktion. In öberösterreich geht das Amt des Landes hauptmanns in die Mitte des 13. Jahr hunderts zurück. Noch die heutige Amts bezeichnung, in der das Wort Hauptmann steckt, zeigt, daß ursprünglich dem Amte eine starke militärische Komponente zuge hörte. Die Bezeichnung „Hauptmann von Enns" (capitaneus anesi) findet sich erst mals im Jahre 1275, bereits ein Jahr später tritt in den Urkunden ein „Hauptmann von öberösterreich" (capitaneus austriae superioris) auf, im Jahre 1300 heißt dann Eberhard von Wallsee „Hauptmann ob der Enns". Neben dieser militärischen Aufgabe, die in dieser Amtsbezeichnung spezifisch zum Ausdruck kommt, hatte der Haupt mann ob der Enns, wie der Vertreter des Landesfürsten im Lande nunmehr seit der Mitte des 14. Jahrhunderts hieß, auch rich terliche Funktionen als Vorsitzender des Landrechtes und Aufgaben der Verwaltung, allerdings ausschließlich des Finanzwesens. Als oberste Richter des Landes erscheinen die späteren Landeshauptleute bereits in der Zeit der letzten Babenberger (Judex provinciae). Die militärischen Funktionen traten allerdings in der Neuzeit ganz in den Hintergrund. Die Bezeichnung „Landeshauptmann" („Lanndtshaubtmann ob der Enns") erscheint erst gegen Ende des Mittelalters, erstmals taucht sie im Jahre 1478 auf. Ständig blieb dieser Titel dann seit dem Ende der Ära Kaiser Maximilians 1. Gelegentlich wurde das hohe Amt nur durch einen Verweser der Landes hauptmannschaft verwaltet. Der Vertreter des Landeshauptmanns bei dessen Abwesenheit oder Verhinde rung war der Landesanwalt. Einmal wurde der Landeshauptmann, der ja der Vertreter des Landesfürsten war, von den Ständen ernannt. Es war dies in jener Zeit, da die oberösterreichischen Landstände Kaiser Ferdinand II. nicht als ihren Landesherrn anerkannten und sich als im Interregnum befindlich für berechtigt hielten, den Lan deshauptmann zu bestellen. Während der Verpfändung des Landes ob der Enns an den Herzog von Bayern (1620 bis 1628) wurde das Land im Namen des Wittels bachers von einem Statthalter verwaltet, der nach der Einlösung des Landes öster reichischer Landeshauptmann wurde. Das Amt des Landeshauptmannes, das de facto lange Zeit ein Janusgesicht hatte — der Landeshauptmann als Vertreter des Fürsten

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