Oberösterreich, 20. Jahrgang, Heft 2, 1970

Alfred Marks Der Linzer Theatermaler Franz Gebel(1809 — 1867 Fotos: M.Eiersebner Vor wenigen Monaten konnte das Ober österreichische Landesmuseum die im Be sitz der Altlinzer Familie Lindner-Rußegger fast vollständig erhaltene und ein Jahrhun dert lang gewissenhaft bewahrte Sammlung von Bühnenbildentwürfen aus dem Nach laß des am 27. Jänner 1867 in Linz ver storbenen Theatermalers Franz Gebel erwerbenL Damit erfahren sowohl die im Landesmuseum bereits vorhandene Samm lung von Bühnenbildern wie auch das hier verwahrte theatergeschichtliche Archiv nicht nur eine umfangreiche und überaus wert volle Ergänzung im Hinblick auf die Linzer Theatergeschichte der fünfziger und sech ziger Jahre des 19. Jahrhunderts, sondern darüber hinaus auch eine begrüßenswerte Erweiterung durch ein reiches Vergleichs material aus dem Bereich der Wiener szeni schen Kunst der dreißiger und vierziger Jahre. Dank der Gewissenhaftigkeit des Künst lers, der bis auf wenige Ausnahmen alle Blätter seines 1700 Nummern mit mehr als 3000 Einzelstücken zählenden Nachlasses auf der Rückseite fein säuberlich mit Ent stehungsdatum, Verwendungszweck, Anga ben über seine künstlerischen Vorbilder oder bei Aufnahmen nach der Natur mit genauen Ortsbezeichnungen versehen hat, sind wir in der Lage, die sich über einen Zeitraum von fast vier Jahrzehnten erstrekkende schöpferische Tätigkeit dieses ambitionierten Bühnenbildners fast tagebuchartig in ihrer Chronologie zu verfolgen und nach den verschiedensten Richtungen hin auszu werten. So bildet die große Sammlung von Zeichnungen und Aquarellen, deren beson dere Bedeutung und Aussagewert für uns gerade in ihrer vollständigen Erhaltung und chronologischen Geschlossenheit liegen, nicht nur ein aufschlußreiches Quellenmate rial zur Erweiterung unserer Kenntnis von der Art und Entwicklung der Wiener vor märzlichen Theaterdekoration und der Lin zer Bühnenkunst des beginnenden Realis mus, sondern gibt uns die Möglichkeit, neben dem künstlerischen auch den äußeren Lebensweg des Malers Franz Gebel in den Jahrzehnten seiner beruflichen Tätigkeit näher kennenzulernen. Dies ist umso wertvoller, als über das Leben und Wirken Gebeis als Bühnenmaler bisher kaum mehr als der Familienname und die Tatsache bekannt waren, daß in Linzer Privatbesitz sein künstlerischer Nachlaß verwahrt werde. Es mag vor allem überraschen, daß die Linzer Tagespresse anläßlich seines Todes am 27. Jänner 1867- nicht mehr als die bloße Todesnach richt veröffentlichte, ohne dessen immerhin fast siebzehnjährige Wirksamkeit als Theatermaler an der Linzer landständischen Bühne auch nur mit einigen Zeilen zu würdigen®. Diese Tatsache kann vielleicht damit erklärt werden, daß die Arbeit eines Dekorateurs im Bewußtsein der Öffentlich keit vor hundert Jahren noch nicht so sehr als die eines akademisch gebildeten Künst lers, sondern vielmehr als eine von vielen handwerklichen Tätigkeiten im Rahmen der sich hinter der Bühne vollziehenden Hilfs dienste gewertet wurde. Dafür mag auch die Beobachtung sprechen, daß die laufende Theaterberichterstattung der Fresse sich fast ausschließlich mit den Regie- und Schau spielerleistungen oder dem Inhalt der ge spielten Stücke kritisch auseinandersetzt und die Bühnenausstattung kaum oder nur selten flüchtig erwähnt. Freilich ist dabei zu berücksichtigen, daß der Dekorationskünstler im Vergleich zum Schauspieler ungleich seltener Gelegenheit hatte, sich dem Publikum mit neuen Lei stungen zu präsentieren, vor allem deshalb, weil die Herstellung einer vollständigen neuen Bühnendekoration immerhin mit be deutenden finanziellen Kosten verbunden war. Jede Bühne arbeitete ja damals wie heute mit einem vorhandenen Fundus an Dekorationen (Prospekten, Bogen, Kulis sen, Soufiten und Versatzstücken), die für die häufiger gespielten Repertoirestücke stereotyp verwendet, für seltener aufge führte oder oft auch für neue Stücke jedoch behelfsmäßig aus dem vorhandenen Bestand zusammengestellt wurdeM. Dem entsprechend war es Hauptaufgabe des Dekorateurs, für die Instandhaltung und Restaurierung der vorhandenen Ausstat tung Sorge zu tragen®. Der bestehende Fundus erforderte aber na turgemäß, allein schon vom Spielplan her, neben seiner Instandhaltung auch eine ständige Ergänzung bzw. Erweiterung, und es war eine der wesentlichsten künstleri schen Aufgaben des Bühnenmalers, immer neue Ideen zu entwickeln, neue Motive zu suchen und Entwürfe zu erarbeiten. um die vorhandenen Dekorationen dem sich ändernden Zeitgeschmack und Stil anzu passen oder für neue Stücke die zeitgemäße Bühnenausstattung zu schaffen. Wie ernst Gebel gerade diese Verpflichtung nahm, bezeugt die in seinem Nachlaß erhalten gebliebene große Zahl von Architektur- und Landschaftsstudien und die lange Reihe von Bühnenbildentwürfen für die verschieden sten Aufführungen, über die weiter unten noch ausführlicher berichtet werden soll. Um die beruflichen Leistungen und Be mühungen Gebeis während seiner langjäh rigen Linzer Tätigkeit hinsichtlich ihrer Originalität und ihrer zeit- und lokal geschichtlichen Bedeutung richtig würdigen zu können, ist es erforderlich, dessen Her kunft, Ausbildung und vorheriges Wirken als Bühnenbildner näher ins Auge zu fas sen, weshalb hier die Ergebnisse der in dieser Hinsicht unternommenen Nachfor schungen erstmals vorgelegt werden sollen®. Franz Xaver Gebel wurde am 30. März 1809 in Wien (Heugasse Nr. 38) geboren'. Sein nach ihm geborener Zwillingsbruder Johann Georg starb bereits am 26. August als Säugling an den Fraisen®. Von seinem Vater Franz Xaver, der zu dieser Zeit als Kapellmeister am Wiener Leopoldstädter Theater wirkte, später Theaterkapellmeister in Pest und Lemberg wurde und dann bis zu seinem Tode im Jahre 1843 in Moskau als Musiklehrer tätig war", hatte unser Franz die künstlerische Veranlagung ge erbt, und es ist nicht -verwunderlich, daß der talentierte und von frühester Jugend an mit dem Theatermilieu vertraute Sohn sich einem ähnlichen Beruf zuwandte. Be reits im Alter von 14 Jahren trat er im Winterkurs 1823 als Schüler in die k. k. Akademie, zu Wien ein, wo er ab Jänner 1825 in der Abteilung für Land schaftszeichnung bzw. -maierei unter den Lehrern Josef Mößmer und Josef Rebell bis zum Jahre 1830 eine gründliche Ausbil dung genoß'". Mit dem Jahre 1830 setzt nun auch schon die im Nachlaß Gebeis erhalten gebliebene lange Reihe von Landschafts- und Archi tekturaufnahmen und Dekorationsentwür fen ein, die uns zusammen mit den spär lichen zeitgenössischen Quellen die Mög lichkeit bietet, seine nun beginnende be rufliche Tätigkeit und seine weitere künst-

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