Oberösterreich, 20. Jahrgang, Heft 2, 1970

Drei hervorragende Oberösterreicher, deren Leistungen nicht nur im Lande ob der Enns und in Osterreich, sondern in aller Welt höchste Anerkennung fanden, erblickten im 19. Jahrhundert in der Eisenstadt Steyr das Licht der Welt; Ferdinand Redtenbacher, Josef Werni, Michel Blümelhuber. Sie waren innig verbunden mit der tausendjährigen Tradition des Innerberger Eisenwesens. So entstammte Ingenieur Ferdinand Redtenbacher (25. Juli 1809 bis 16. April 1863) einem alten oberösterreichischen Eisen gewerkengeschlecht. Nach dem Besuch der Realschule in Linz studierte er in Wien. Be reits im 21. Lebensjahr war er als Assistent an der Technischen Hochschule tätig. Im Jahre 1833 ging Redtenbacher nach Zürich. Am dor tigen Gewerbeinstitut wirkte er ab 1835 als Mathematikprofessor. Nach sechs Jahren er folgte seine Berufung als Professor für Ma schinenbau an das Polytechnikum in Karlsruhe. Unter seiner Leitung, er wurde 1857 zum Direktor ernannt, erlangte diese Anstalt Welt ruf und wurde vorbildlich für die technischen Hochschulen Deutschlands. Da Ferdinand Redtenbacher nicht, wie bisher üblich, die Gesetze des Maschinenbaues von der Praxis allein her, sondern aus „theoretisch-wissen schaftlichen Erfahrungen" ableitete und den Wirkungsgrad einer Maschine vorauszuberech nen wußte, wird er als „Begründer des wissen schaftlichen Maschinenbaues" bezeichnet. Das Ergebnis seiner Forschungen, er beschäftigte sich auch mit Atomphysik, veröffentlichte er in den Werken „Prinzipien der Mechanik und des Maschinenbaues",„Theorie der Turbinen", „Der Maschinenbau" und „Dynamidensystem". Redtenbacher, der Lehrer von Carl Benz, wurde 1854 mit dem Hofratstitel ausgezeich net. Im Ehrenhof der Technischen Hochschule zu Karlsruhe wurde dem Gelehrten ein Denk mal errichtet. In einer Zeit der Wirtschaftskrise, in der durch Arbeitslosigkeit und Geldentwertung die Steyrer Eisenindustrie schwer zu leiden hatte, gelang es Josef Werndl (26. Februar 1831 bis 29. April 1889), die seit Jahrhunderten in Steyr heimische Feuerwaffenerzeugung zur Großindustrie auszubauen und damit für die Stadt eine wirtschaftliche Blütezeit zu begrün den. Werndl erlernte in Wien das Büchsen macherhandwerk, erweiterte in Amerika seine Kenntnisse und übernahm nach dem Ableben seines Vaters im Jahre 1855 dessen Werks anlagen, in denen bisher Waffenbestandteile erzeugt wurden. Für den enormen Aufstieg der weltberühmten Steyrer Waffenindustrie war die Erfindung des „Werndl-Holubschen Hinterladungsgewehres" ausschlaggebend. Die mit dem sogenannten „Tabernakel-Verschluß" ausgestattete Waffe, die in der Handhabung alle bisherigen Systeme übertraf, fand die Zustimmung des österreichischen Kriegsmini steriums. Im Jahre 1867 bestellte es in Steyr 250.000 Gewehre. Dieser Auftrag und weitere Lieferungen verlangten eine bedeutende Ver größerung der Fabriksanlagen. Zur Aufbrin gung des hiefür erforderlichen Kapitals wurde am 1. August 1869 die „österreichische Waf fenfabriksgesellschaft" gegründet, an deren Spitze Werndl als Generaldirektor stand. In der Folgezeit kam es im Inselgebiet oberhalb der Mündung der Steyr in die Enns zur Er bauung von Fabriksobjekten. Nicht nur Öster reich-Ungarn, auch Deutschland, Frankreich, Persien, China und andere Staaten belieferte das Unternehmen. Bis 1884 wurden 500.000 Gewehre umgearbeitet, einige Millionen Ge wehrbestandteile und 2,121.000 Gewehre er zeugt. Als um diese Zeit die Produktion der Feuerwaffen vorübergehend nachließ, nahm der geniale Fabriksdirektor die Erzeugung von Bogen- und Glühlampen auf und benützte erstmalig die Wasserkraft zur Erzeugung elektrischer Energie. Anläßlich der großen Aus stellung in Steyr im Sommer 1884 ließ er jcskf'I Werndl-Denkmal einige Sti'aßen durch Bogenlampen erhellen. Es war dies auf dem Kontinent der erste Ver such, Straßen elektrisch zu beleuchten. Be sondere Verdienste erwarb sich Josef Werndl, der wegen seiner großen sozialen Leistungen „Vater der Arbeiter" genannt wurde, auf kommunalem Gebiet. Als Mitglied des Steyrer Gemeinderates kannte er gründlich die Finanz lage der Stadt. Oft gab er bedeutende Zu schüsse für Stadtbauten oder übernahm solche auf seine Kosten. Er machte sich ferner ver dient um den Bau der Steyrtalbahn, um den Wolfsegger Braunkohlenbergbau und um die Steyrer Bürgergarde. Der im 59. Lebensjahr stehende „Waffenkönig", Inhaber hoher Aus zeichnungen, Landtagsabgeordneter und Ehren bürger der Eisenstadt, erlag einer Erkältung, die er sich auf einer Fahrt zu seinen Werken im benachbarten Letten zugezogen hatte. Im bodenständigen Eisenhandwerk wurzelt auch die hohe Kunst des Stahlschnittmeisters Michel Blümelhuber (23. September 1865 bis 20. Jänner 1936). An der „Versuchs anstalt und Lehrwerkstätte für Stahl- und Eisenindustrie" in Steyr holte er sich bei Gustav Ritzinger die für den Stahlschnitt grundlegenden Kenntnisse, richtete in einem Hause in der Sierninger Straße eine Werk stätte ein und schuf hier schon in den neun ziger Jahren aus Stahl kunstvoll geschnittene Jagdmesser, Papierscheren und Brieföffner, die großes Aufsehen erregten. Im Jahre 1892 er hielt Blümelhuber für eine Papierschere vom Kaiser einen Brillantring, 1900 für Metall arbeiten in Berlin eine Goldmedaille, 1903 be wunderte man seine Werke in Wien, Paris und London. Im Herbst 1910 wurde ihm das von Staat, Land und Stadt erbaute Meister atelier am Ostabhang des Tabors feierlich über geben. In diesem Heim schuf der Meister, der sich auch stets für die Erhaltung historischer Stadtbauten einsetzte und mit technischen Pro blemen beschäftigte, seine symbolhaften Hauptwerke: „Das Stahlkreuz von Kalks burg", „Himmelsbotschaft", das „List-Besteck", die Unika-Plakette „Evangelium", die Stahl plastik „Menschheitszukunft" und den pracht vollen Schlüssel zum Linzer Dom. „Da ihm", so meint Univ.-Professor Dr. M. Enzinger,„der Stahl zur Formung seiner Ideen nicht mehr genügte", griff Professor Blümelhuber auch zur Feder. Im Jahre 1914 erschien die Dich tung „Weltenwende", 1921 „Walhalla in Brand" und 1931 sein bedeutendstes dichteri sches Werk „Jung Faust an die Menschheit". F. K. Ginzkey würdigte das überragende Schaffen des großen Künstlers mit den Wor ten : „Und über allem leuchtend, formbewährt, die edle Kunst des Stahlschnitts, ruhmverklärt durch Meister Blümelhubers edlen Geist, der uns den Weg erfüllter Schönheit weist." Gedenktafeln und Straßennamen erinnern in der Eisenstadt an die weltberühmten Per sönlichkeiten, an Josef Werndl aber gemahnt auch das eindrucksvolle Denkmal von Viktor Tilgner auf der Promenade. Dr. Josef Ofner

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