Oberösterreich, 20. Jahrgang, Heft 2, 1970

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Sie waren von einem romantischen Nationalgefühl erfüllt, und Franz Pocci sagt uns dies sehr an schaulich in wenigen Zeilen: „Welsches Blut in meinen Adern, Hab ich doch ein deutsches Herz, Das mit deutscher Treue schaut Rein und lauter himmelwärts". Der Geist dieser Gesellschaft, der Geist des Königs führen zu Zeichnungen, nicht nur leicht hinskizziert, sondern auch formal und inhaltlich zu konzentrierten, aussagereichen Blättern. Besonders die Folge der Blätter, die Schwanthaler anläßlich eines Kuraufent haltes im italienischen Bade Montegrotto 1840 zeichnete, erweist einen zeichnerischen Höhepunkt, der über Gelegenheitsarbeiten hinausreicht und den Beispielen des nord deutschen Künstlers J. G. Schadow nahe kommt. Sie spiegeln getreu die Blüte des Rittertums, das Element des Phantastischen und Wunderbaren und kommen der Hegelschen Ästhetik am nächsten. Je entschiedener sich Schwanthaler sein Ideal im Mittelalter suchte, um so stärker berühren sich die Begriffe romantisch und Mittelalter, um so bewußter wird seine Stellung gegen den die Phantasie fesselnden und einengenden Klassizismus. In den Blättern von Monte grotto wird vielleicht auch die Flucht in eine versunkene, vergangene Zeit deutlich, mit der und deren Akteuren er sich gleichsam identifiziert. Wie tief wird seine Abkehr von der Gegenwart, wie stark spricht hier die Sehnsucht nach verlorener geistiger Hei mat, wohl das verlorene Deutschtum, be sonders in den Blättern „Adio Patria" und „il tedesco". Die Themen verraten den Romantiker vom Anfang, zeigen den spä ten Romantiker, inspiriert durch Moritz von Schwinds Nixen und Nymphen, Mär chen- und Sagenwelt. Manchmal vermeint man. Schwind spräche zu uns oder aus Schwind Schwanthaler. Erinnerungen an Zeichnungen werden wach: „Käthchen von Heilbronn" 1826 (Düsseldorf, Kunst museum), „Die treue Schwester und der Königssohn" 1830 (Münchner Stadtmuseum M 1/3076), „Genoveva in der Wildnis" um 1830 (Kunstmuseum Basel). Schwinds und Schwanthalers Ritterwelt, anfangs in Sen timentalität, später in mehr bürgerlichem Genre, gaben sich gegenseitig sehr viel. Die Märchen- und Sagenwelt des Spätroman tikers zeigt sich im Blatt „Die Erde". Aus deren Schoß erhebt sich eine dämonische Gestalt, der ein Rittersmann das Kreuz des Erlösers entgegenhält, wohl als Allegorie des Triumphes des ethischen Geistes über das Böse und allzu Materielle gedacht. Im Blatt „Adio mondo", als Allegorie der Weltabgeschiedenheit gemeint, vertieft sich ein Mönch an einem einsamen Gestade in ein Buch. In einem anderen Blatt, ganz in Schwindscher Formen- und Geisterwelt, wird ein schöner Ritter von einer Nixe in die Fluten versenkt. Von einer Trauerweide blickt sie dann wehmutsvoll zu dem toten Jüngling. In Montegrotto schreit eine romantisch gequälte Seele auf aus Leid und Liebe, aus Heimweh und Todessehnsucht. Hier erlebt Schwanthaler eine neue künst lerische Jugend, hier zeigt sich seine Welt, die Jugend und Ende einschließt. Die Zeichnungen mit der Umrißlinie als Dominante, mit der Lavierung und Schraf fierung als Andeutung der Plastizität, sind gut durchgearbeitet, sind sauber und von graphischer künstlerischer Geschlossenheit und Dichte. Es sind in sich fertige Blätter. Ähnlich den Zeichnungen aus Montegrotto stellen sich die Blätter, Studien und Ent würfe zu der Nymphe zu Änif in Salzburg oder der Nymphe zum Hofgarten in Mün chen dar (Loreley). Äuch hier eine ver träumte, in sich versunkene Melancholie, lächelnde Träne, tränendes Lachen. Äuch hier verträumte Stille, verlorene Versen kung, ein Adagio, lyrische Naturbetrach tung, quälende Sehnsucht eines Künstler herzens nach Harmonie zwischen Mensch und Natur —, Grübelndes, Faustisches, gleichsam Verwehendes vor der Angst der Unruhe zur Welt, zu Gott. So zeigt die Entwicklung seiner zu reinem Selbstzweck angefertigten Zeichnungen den Romantiker in der Graphik von Anfang an, der auf dem Höhepunkt seines Schaffens mit Schwind, Görres und Pocci in die Epoche der Spät romantik wandert, dabei oft Gratwanderer zwischen zwei Welten wird, überwältigt von den Gefühlen höchster Freude und Glückseligkeit, gleich aber auch erfaßt von quälender Melancholie. Aus seinen Zeich nungen spricht der kindliche, oft naive, un fertige Künstler, aber auch ein Künstler voll Vitalität, der mit vehementen, heftigen Strichen seine Intention von sich gibt, bei dem das Adagio schnell ins Scherzo hin übergleitet, dabei kein Finale findet und unvollendet in Moll verharrt. Die Phantasie, die ihm viele Streiche spielt, zeigt sich besonders in der Folge der Blätter zu den Geistergeschichten und in Zeichnun gen, geboren aus den Erlebnissen mit den Freunden in der Gesellschaft der „Humpen burg". Wiederum voll Wehmut und Träu merei, voll Philosophie und Jenseitsdenken sind die Blätter von Montegrotto 1840. Voll Lyrik und Schubertscher Musik sind die Entwürfe zu der Nymphe von Anif in Salzburg, ebenso wie die Montegrottoer Blätter, mit Geschlossenheit in der Kom position und mit Stimmung des träumeri schen Sinnenden. Sind die Zeichnungen gleich jenen seiner Zeitgenossen im Norden, J. G. Schadow, B. Thorwaldsen, H. W. Bissen, Ausgleich, Stimulans zwischen den bildhauerischen Nymphe, Bleistiftzeichnung, um 1840, Stadt museum München, Inv. Nr. S 1811 • ' V 4 A .-M I.. J-Jd.

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