Oberösterreich, 20. Jahrgang, Heft 1, 1970

I f. I i » "• « ! Die Voraussetzungen für die Entstehung einer Heilbäderwirtschaft im Ort wurden jedoch erst 1848 geschaffen, als die ober österreichischen Landstände die un weit Halls aufbrechende Quelle mit der Verpflichtung zur Errichtung einer Bade anstalt übernahmen. 1853 wurde der Wie ner Modearchitekt Paul Sprenger mit der Planung des ersten Badehauses betraut. In weiser Abschätzung der Bedeutung des Kleinklimas entstand dieser Bau nicht im feuchten Talgrund bei der Quelle, sondern in klimatisch günstiger Lage auf der Terras senhochfläche im Südwesten des Ortes. Da mit war die Gestaltung des Kurviertels vorgegeben. 1857 wurde die erste Trink halle, wenig später ein Spital für skrophulöse Kinder und ein Armenbadespital er öffnet. Eine zweite Trinkhalle entstand 1873, ein Militärkurhaus 1884 und im glei chen Jahr ein neues Theater. Private und öffentliche Gebäude zur Beherbergung von Gästen folgten. Bad Hall wurde in der Mitte des 19. Jahrhunderts zu einer mehr städtisch beeinflußten ländlichen Fremden verkehrssiedlung, wobei sich der Kurbetrieb mit dem Absterben des Kleingewerbes im mer stärker zum bestimmenden Erwerbs zweig der Bevölkerung entwickelte. Die alten Gaststätten wuchsen über bloße Schankbetriebe und Rastplätze für Durch reisende hinaus und stellten sich auf Be herbergung von Kurgästen ein, die aus allen Ländern der österreichischen Monar chie herbeikamen, um hier vor allem Hei lung von chronisch entzündlichen Erkran kungen zu finden. Schon für das Jahr 1881 ist die Existenz von sechs Hotels, zehn Gasthäusern, zwei Cafes und drei Kondi toreien belegt. Die unverbauten Flächen im Süden und Osten des Ortskernes boten günstige Vor aussetzungen für Gestaltung eines weit läufigen Kurparks, dessen ältester Teil 1857 nach dem Vorbild höfischer Gartenkunst als englischer Garten angelegt wurde. Im Verlauf von mehr als 100 Jahren wurden diese in die Landschaft des Alpenvorlandes überleitenden Parkanlagen auf 32 Hektar vergrößert. Nach seinem medizinischen Rang stand Bad Hall schon in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts neben den Bädern Deutsch-Böhmens in vorderster Linie der Heilbäder der Donaumonarchie. Gesell schaftlich mußte es sich trotz eines Som mertheaters, den Reunions, Park- und Som merfesten mit einer Stellung im Schatten von Bad Ischl begnügen. Es blieb intim, woran auch die wenigen Hotelbauten der Gründungszeit nichts ändern konnten. Den ersten Höhepunkt erlebte der Kurbetrieb Bad Hall in der Saison 1910 mit 6720 Gästen und 123.988 Kurabgaben. Die Kur listen, die Herkunft und gesellschaftliche Stellung der Anreisenden sorgsam verzeich nen, geben ein Bild des Kurpublikums, in dem die Lebewelt der gehobenen Gesell schaftskreise den Ton angab. Weitaus am stärksten war das wohlhabende Bürgertum Innerösterreichs und Böhmens vertreten; aber auch viele ungarische und polnische Großgrundbesitzer trafen sich hier mit Gästen aus Rußland, Rumänien und Ser bien. Sie kamen mit großer Dienerschaft und mieteten die bereitstehenden Apparte ments alljährlich durch viele Wochen. üTnTiTTTJTTT; l'll' I i ' ■' • Eine zweite wirtschaftliche Blüte und eine Epoche großzügigen Ausbaues setzte nach Ende des ersten Weltkrieges ein. Im Jahre 1926 wurden 2513 Betten angeboten und doch konnten sie in der Hochsaison den Bedarf an Fremdenunterkünften nicht mehr befriedigen; dies obwohl die Entwicklung des Heilbades damals durch Mangel an Heilwasser gehemmt war. Erst die nach Ende des zweiten Weltkrieges angesetzten erdölgeologischen Erkundungen des Gebie tes mit einem dichten Netz geophysikali scher Untersuchungen, ergänzenden Flach bohrungen und der Produktion dienenden Tiefbohrungen schufen die Voraussetzun gen für Erschließung ergiebiger Heilquellen. Diese übertrafen die bisher im engen Raum des Kurortes erbohrten Heilwasser nach Konzentration und Schüttung und stellen die stärksten ihrer Art im gesamten mittel europäischen Raum dar. Auf ihrer Grund lage werden in den vom Land Oberöster reich geschaffenen Paracelsus-Institut seit 1950 umfangreiche Forschungsarbeiten zur Vertiefung des Wissens über die natür lichen Heilwerte Bad Halls, zur Festlegung gesicherter Heilanzeigen und zur Entwick lung ergänzender Behandlungsverfahren der Jodbalneotherapie durchgeführt. Nun mehr wird die komplexe Kurbehandlung Bad Halls bei Arteriosklerose, Bluthoch druck, peripheren Durchblutungsstörungen im arteriellen und venösen Kreislauf schenkel, bei Krankheiten der Atmungs organe, des Bewegungsapparates und nicht zuletzt bei gewissen chronischen Leiden des Auges angewendet. In dem damit zum echten Heilbad mit spezifisch wirksamen Heilquellen gewordenen Kurort besitzt auch die soziale Gesundheitspflege hohe Bedeutung. Zusätzlich zu einem vom Land Oberösterreich errichteten Sozialheim, dem Landeskurheim, schufen die Sozialversiche rungsinstitutionen moderne Kurheime und klinisch geführte Sonderkuranstalten. Ein im engeren Kurviertel in Planung stehen des zusätzliches Kurmittelhaus des Landes Oberösterreich, dessen Bau 1970 begonnen und 1972 fertiggestellt sein soll, wird die Anlagen für vielseitige ergänzende Formen der Jodbalneotherapie aufnehmen. Ein den neuzeitlichen Erfordernissen nach pro phylaktischen Kuren im Heilbad nachkom mendes Thermal-Hallenbad soll dem alten Heilbad auch neue Gästeschichten er schließen. Bad Hall zählte 1969 insgesamt 17.817 Gäste mit 352.538 Übernachtungen und 396.150 Kurmittelabgaben. 19,8 Übernach tungen je Kurgast bezeugen ebenso wie 22,3 Kurmittelverabreichungen je Gast einen stark auf die gebotenen Kurbehand lungen ausgerichteten Fremdenverkehr. Auch die Fremdenverkehrsintensität von 91 Übernachtungen je Einwohner bestätigt die Ausrichtung des örtlichen Wirtschafts lebens auf den Gästeverkehr, in dem der Österreicher weitaus vorherrscht und Aus länder nur 12,2 Prozent der Besucher stellen. Das zweite der im oberösterreichischen Alpenvorland zu einem Zentrum vorbeu gender und heilender Gesundheitsfürsorge angewachsenen Heilbäder ist Bad Schaller bach. Noch 1918 war es ein kleiner Weiler innerhalb der Gemeinde Schönau. Erst gegen Ende des ersten Weltkrieges wurde dort eine Tiefbohrung auf Erdöl nieder gebracht, die wohl kein Erdöl antraf, je doch in 476 m Tiefe eine blutwarme alkali sche Schwefelquelle erschloß. Seither fließt diese unverändert in breitem Strom mit 60 Liter pro Sekunde aus. Schon kurz nach

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