Oberösterreich, 20. Jahrgang, Heft 1, 1970

Roman Moser Das zentrale Kargebirge Eine geographische Skizze des Dachsteinmassivs Abriß der Erforschungsgeschichte Das nach Nord fallende Dachsteinmassiv, in seinen höchsten Karen vergletschert und von Steilabstürzen begrenzt, riegelt das innere Salzkammergut gegen Süden ab. Schon in prähistorischer Zeit erkundete der Mensch die Hochflächen des gewaltigen Kalkstockes. Das aus der Bronzezeit stam mende Schwert vom Däumelanger (1900 m) und die Lappenaxt von der Tropfwand unterhalb des Tiergartens (1100 m) weisen auf eine frühe Begehung des Gebietes hin (F. Pfeffer, 1947). Ob das Gebirge damals überschritten oder lediglich die Hochweide aufgesucht wurde, ist noch nicht geklärt. Die ausklingende postglaziale Wärmezeit, rund 2000 bis 500 v. Chr., mit der um dreihundert Meter höher gelegenen Wald grenze war einer Erschließung dieses Gebirgsraumes sicher förderlich. Daß zur Römerzeit das Vieh auf die Gebirgsweiden getrieben wurde, ist durch die unfertige römische Almglocke bewiesen, die aus dem Hallstätter Gräberfeld gebor gen wurde (F. Morton, 1959). Aus dem Frühmittelalter sind über das Dachstein gebiet keine Aufzeichnungen bekannt. In einem Grenzstreit zwischen dem Stift St. Peter in Salzburg und steirischen Adeli gen wurde im Jahre 1238 erstmals der Torstein urkundlich als „Lapis qui Torstein dicitur" erwähnt. Man hielt ihn damals für den höchsten Berg des Massivs. Die pollenanalytische Altersbestimmung des Eises in der Dachstein-Rieseneishöhle führte zu dem Ergebnis, daß im Bereich der Niederen Schönbergalpe vom Beginn des 15. Jahrhunderts bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts Almwirtschaft betrieben wurde. Die Kulturpollen, die im Höhleneis eingebettet liegen, lassen auf den Beginn der Alpweiderodung im frühen 15. Jahrhundert und auf den Umfang der Beweidung schließen (H. Schmeidl und F. Kral,1969). In den Urbarien der Herrschaft Wilden stein aus den Jahren 1551, 1563, 1665 und 1700 sowie im Waldbuch des Salinenamtes Ebensee von 1605 werden immer wieder die Almen des Dachsteinmassivs urkund lich erwähnt, wie etwa die Hirlatzalm 1551, die Hirschaualm 1563, die Modereckund Schafeckalm 1665 sowie die Wiesalm 1700, um nur die wichtigsten zu nennen (Salzoberamtarchiv Gmunden). Auch die Namen in alten Kartenwerken helfen oft entscheidend mit, etwas über die Er schließungsgeschichte auszusagen. Die Karte von Holzwurm (1662) erwähnt die „Rott Tauben am Stein", welche auf der Karte von Vischer (1669) mit „Tauben Kor" und auf der Karte von Schütz (1787) mit „Weise Tauben" angegeben sind. Das zentrale Massiv wird mit „Schneeberg" bezeichnet und damit schon auf die Ver gletscherung hingewiesen. Der Name „Dachstein" fällt erstmals Ende des 18. Jahrhunderts und die bleibende Tren nung vom Torstein wird erst im 19. Jahr hundert vollzogen. Im Jahre 1804 unter nahm Schuhes mit Dr. Klinger und Berg führern aus Hallstatt den Versuch einer Dachsteinhesteigung (J. A. Schuhes, 1809). Noch im Jahre 1810 war der Weg über das Plateau mit Steintauben markiert, den Erz herzog Johann von der Gjaidalm über die Feisterscharte nach Schladming beschritt. Die Schladminger brachten Leinwand und Loden nach Hallstatt und nahmen Salz als Rückware mit. Im Jahre 1812 unternahm Erzherzog Karl den Versuch, den Dachstein zu besteigen. Von der Gjaidalm aus erreichte die Gruppe jedoch nur den unteren Teil des Hallstätter Gletschers im Oberen Taubenkar, der zu Ehren des Erzherzogs den Namen „Karls eisfeld" erhielt. Um die Jahrhundertwende jedoch wurde dieses Eisfeld abgetrennt und zu Toteis. Der Dach- oder Torstein wurde von den Einheimischen Buchsteiner und Kalkschmied erstmals 1819 und dann noch mals 1823 erstiegen. Schon allein der Dop pelname läßt erkennen, daß zu diesem Zeit punkt die beiden höchsten Gipfel des Massivs namentlich noch nicht unterschie den wurden und mit dem Dachstein der Torstein gemeint war. Erst im Jahre 1832 wurde der Hohe Dachstein erstiegen (N. Krebs, 1915). Der erste Tourist, der den Gipfel über den Westgrad erreichte, war Peter Karl Thurwieser. Friedrich Simony führte im Jahre 1842 eine Querung des Gipfels von Ost nach West durch und brachte als erster Wegsicherungen bei der „Schulter" an (F. Morton, 1954). Ein Jahr später stieg Simony wiederum von Hallstatt zum Gipfel auf. Acht Männer trugen die erforderlichen Geräte, Seile, Steigeisen, Schaufeln und Lebensmittel. Das erste Ziel war die Wiesalm. Nächsten Tag brach die Gruppe, der sich die Almerin Nanni an schloß, um drei Uhr morgens auf und er reichte knapp nach Sonnenaufgang das Schöberl. Drei Stunden waren notwendig, um bis zum Gipfel vorzudringen. Die Leiter im Bereich der Randkluft war tief verschneit und die Gipfelpartie vereist. Das Vordringen zum Gipfel gelang nur mühsam. Etwa eine halbe Stunde später stand auch Nanni als erste Frau auf dem Dachstein und jauchzte, wie es sich für eine Sennerin gehörte. „Aus is, hat's da a Lust, da mecht i frei allweil sein!", waren ihre Worte, die F. Simony in seinem Ersteigungsbericht festhielt. Ah der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts begann die Zeit der exakten wissenschaft lichen Erforschung dieses Gebietes. Es würde viele Seiten füllen, wollte man jede Forschertätigkeit und jedes wissenschaft liche Ergebnis anführen. Allen voran steht Friedrich Simony, der ab 1840 durch ein halbes Jahrhundert lang hier tätig war und mit seinem Dachsteinwerk eine bis heute noch nicht übertroffene Monographie des Massivs schrieb (F. Simony, 1895). In einem gleichen Zeitabschnitt waren hier die Geologen E. Sueß, E. v. Mojsisovics und G. Geyer tätig. Letzterer verfaßte gemein sam mit O. Simony einen Bericht über das Gebiet und schrieb im Jahre 1886 den ersten Spezialführer über das Dachstein gebirge. Auch die genauere kartographische Erfas sung des Massivs setzte schon um die Mitte des 19. Jahrhunderts ein, wie Forst amtskarten mit Höhenschichtlinien im Maßstab 1 :21.600 zeigen. H. Kinzl (1958) berichtet zur Neuauflage der Alpenvereins karte der Dachsteingruppe 1958, daß die erste Spezialkarte dieses Gebietes im Maß stab 1 :75.000 erst im Rahmen der öster reichischen Landesaufnahme 1869 bis 1888 erschien. Die Geländedarstellung dieses Blattes war jedoch nicht zufriedenstellend. Die dritte Landesaufnahme mit dem Auf nahmemaßstab 1 : 25.000 ermöglichte M. Groller von Mildensee (1897) erstmals eine flächenhafte Erfassung der Dachstein gletscher. Der gleiche Kartograph machte dann im Jahre 1896 eine Meßtischaufnahme des Karlseisfeldes (Hallstätter Gletscher) im Maßstab 12.500. Damit war die erste Gletscherkarte dieses Gebietes gezeichnet, an die M. Groller eine genaue topographi sche Beschreibung der Gletscheroberfläche bei einem Isohypsenstand von 5, 20 und 50 Metern anfügte. Später ermittelten E. Richter (1888) und L. Kurowski (1889) aus dieser Karte die ersten Flächenwerte der Gletscher. Erst um die Jahrhundertwende wurde A. Hühl den Forderungen der Meßgenauig keit mit einer photogrammetrischen Auf nahme des Hallstätter Gletschers gerecht, die mit einer Karte 1 :10.000 im Vierfar bendruck ihren Niederschlag fand. A. V. Böhm (1903) führte eine planimetri-

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