Oberösterreich, 19. Jahrgang, Heft 2, 1969

Franz Lipp Das alte Puppentheater am Linzer Hofberg Aufnahmen: M. Eiersebner Wer heute das Schloß zu Linz durch sein stadtwärts geöffne tes Haupttor verläßt, dem tut sich von der Brüstung des klei nen Vorplatzes nicht nur ein immer wieder beglückender Aus blick auf Strom und Brücke, auf das alte Urfahr und die dar über hinschwingenden Mühlviertler Hügelhöhen — genetzt aus Wiese, Acker und Wald — auf, es öffnet sich ihm auch die für gegenwärtige Verhältnisse doch schon sehr seltsame Nahsicht auf eine steil abfallende enge Gassenschlucht, die flankiert ist von alten Frei- und Bürgerhäusern aus dem 17. Jahrhundert, deren Fronten sich gleichsam ineinanderschieben und dazwi schen nur den Steinstufen und dem nicht unbeträchtlich an steigenden Katzensteinpflaster Platz bieten. Es ist eine Stadt szenerie, wie wir sie von Alt-Prag, von Alt-Passau oder auch von Alt-Salzburg kennen, die aber gerade in Alt-Linz so selt sam berührt, da es sich um die älteste Hauptstraße dieser Stadt handelt, die das kaiserliche Schloß mit dem alten Hauptplatz, dem heutigen Hofberg, verband. So unberührt diese Gasse den Neuerungsgelüsten der Jahrzehnte, ja Jahr hunderte widerstanden hat, so leicht fällt es dem nachsinnen den Betrachter auch, ihren Genius loci herauszuwittern, der nicht nur an der ehemaligen Landschaftskanzlei und der nach maligen Lehrerbildungsschule Anton Bruckners, nicht nur am Losensteinischen Freihaus mit dem Markuslöwen rind nicht nur an der Rokokofassade der alten Hofbergapotheke haftet, sondern uns auch daran erinnert, daß in den Häusern Hof gasse 19, 20 und 4 in der Zeit zwischen 1875 und etwa 1918 jenes Puppentheater zu Hause war,dem bis in jüngste Vergan genheit die verklärten Kindheitserinnerungen der Linzer Vor kriegsgenerationen nachgetrauert haben. Dieses „Linzer Marionetten-Theater", wie es sich eigentlich zu Unrecht (da es sich doch um Stockpuppen und nicht um Marionetten handelte) nannte, darf nicht verwechselt werden mit jener echten Marionettenbühne, die zwischen 1777 und 1803 historisch gut verfolgt und belegt werden kann, die aber zweifellos bedeutend älter ist und möglicherweise bis zum Ende des 17. Jahrhunderts hinabreicht. Der Linzer Kasperl war ja nichts anderes als die Übersetzung der Figur des Hanswurst ins Marionettentheater. Stranitzky hatte für die sen Hanswurst die Salzburger Bauerntracht eingeführt, deren hauptsächliche Merkmale der spitze grüne Hut, der rote Brustfleck mit grünem Hosenträger und das Röckl mit der breiten weißen „Krös" waren. Prehauser, Schmidtbauer und Schuch hatten als Mitglieder von Wanderbühnen diesen Hans wurst allenthalben bekanntgemacht. Wenn so der ganze alpenländisch-süddeutsche Raum sein Hanswurst-Theater hatte, warum also sollte Linz, am Schnitt punkt zwischen Donauweg und der Prag—Venedig-Straße, eine Ausnahme bilden? Daß Linz für das Groteske und Bur leske, für das Derbkomödiantische, für eine polternde Hetz und Gaudi besonders zu haben war, das bezeugt noch 1807, vier Jahre nach der offiziellen Abdankung des von Metternich verpönten Kasperls, Joseph von Eichendorff, wenn er nach einem Besuch im Linzer Theater in seinem Tagebuch vermerkt: „Ein Publikum voller Kasperlseelen." Wahrscheinlich mußte es Tränen über die albernsten Witze lachen, worüber sich Eichen dorff gewundert haben mag. Stockpuppen — Figurinen aus den beliebten Ritterstücken des Linzer Hofbergtheaters Als Adalbert Stifter 1862 für das Landesmuseum die damals wie heute berühmte Großmarionette des „Linzer Kasperls" erwarb, vermerkte er, daß sie „...aus dem Böckl'schen' Marionettentheater" stamme. Böckl war der letzte „Theater direktor", der sich des Linzer Kasperls bediente. Schon sein Nachfolger Glöggl ersetzte die Puppe wieder mit Personen. Leopold Eglseer, dem wir eine historische Studie über das Linzer Marionettentheater verdanken-, ist der Ansicht, daß der Linzer Kasperl zufolge seiner Größe nicht zusammen mit anderen Puppen in einem Stück agierte, sondern die Aufgabe hatte, in den Zwischenpausen „mit ergötzlich witzigen Ein fällen und Ausfällen" auf die zu rügenden Handlungen von Personen damaliger Zeit (deren Namen nie genannt, die aber durch die Persiflage eindeutig charakterisiert wurden) für Stimmung und Aktualität zu sorgen. Der Kasperl war das politische Kabarett, die tägliche Zeitungskarikatur des Linzer Vormärz. War auch das Linzer Hanswursttheater nur eine „elende Bret terhütte", so konnte man dort doch „für einen Kreuzer Ein-

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