Oberösterreich, 19. Jahrgang, Heft 2, 1969

Katharina Dobler Amateurtheater in Oberösterreich Als Schulrat Wolfgang Dobesberger 1953 die ersten Spiellei ter und Theaterfreunde zu einer Arbeitsgemeinschaft zusam menführte, ging es ihm vor allem darum, daß die durch Kriegs- und Nachkriegszeit an vielen Orten unterbrochene Spieltradition wieder aufgenommen werde und sich eine In teressengemeinschaft bilde, die den wiederbeginnenden Spiel gruppen mit Rat und Tat zur Seite stehen und die Verbindung der Gruppen untereinander fördern könne. Mit der Normali sierung des Lebens nach dem Krieg erneuerten sich Zeit und Möglichkeit für das Theaterspielen — alte Traditionen wurden aufgegriffen, viele Menschen trieb wieder ein inneres Bedürf nis zur Gestaltung einer Rolle, nach einer persönlichen For mung der Freizeit. Oberösterreich ist seit je ein theaterfreudiges Land. In den frühesten Anfängen waren es geistliche Spiele — mit deutschen Chorliedern und Dialogen bereicherte Liturgiefeiern um die Geburt und den Leidensweg unseres Herrn, wie uns roma nische Fresken und Textfragmente beweisen'. Jedesmal, wenn die Gemeinschaft zwischen Ober- und Unterschicht des Volkes gestört war, wenn Verwirrungen oder Kriege über die Länder zogen, kam eine blühende Theaterkultur zum Stillstand. Ge spielt wurde immer — manchmal gefördert, manchmal ver boten. So befürchtete man zur Zeit der kirchlichen Reformierung im 11. Jahrhundert die Verweltlichung des Gottesdien stes, zur Zeit der Glaubensspaltung erschienen die weitver breiteten Passionsspiele mit ihren überschwenglichen weltli chen Szenen sündhaft, und die Aufklärung belegte solche Auf führungen mit Strafen und konnte doch den kräftigen Strom der Spielfreudigkeit nur vorübergehend eindämmen. Viele Gruppen spielten aus Traditionsbewußtsein, andere zufolge eines Gelöbnisses und wollten schon deshalb von einem Auf geben nichts wissen; sie sammelten lieber das Geld für die Strafe schon vorher und begannen dann zu spielen^. Immer fanden sich neben den Gegnern auch Förderer — stellte sich Abt Gerhoch von Reichersberg dagegen, so führte doch das Kloster St. Florian weiterhin sein Osterspiel auP. Im Barock waren es gerade die Klöster, die sich auf Spieltra ditionen besannen oder solche begründeten. War von den Stiften der Benediktiner, Zisterzienser und AugustinerChorherren durch Jahrhunderte ein alle Stürme überdauern der geistiger Strom ausgegangen, der sich im weiten Umkreis fühlbar machte und das Kulturleben formte'', so lag nun die Führung bei den Jesuiten, die sich des Spieles in der Kirche und in den Klosterschulen besonders annahmen. Und das Landvolk nützte die günstige Zeit, so daß in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts in Bayern und Tirol allein 400 Gemeinden Großschauspiele aufführten". Die heute manch mal geäußerten Befürchtungen, wir bekämen zu viele Best und Dorfspiele, scheinen im Hinblick auf diese Zahl unbe gründet. Bei allem Management, das gemäß dem Zeitalter des Fremdenverkehrs mit solchen Veranstaltungen verbunden ist, überwiegt doch noch immer der bildnerische und gemeinschaftsfördernde Wert des Spieles. Den Österreichern fällt es dank ihrer Fantasie, ihrer Anpas sungsfähigkeit und ihrer Mitteilsamkeit nicht schwer, ja es bereitet ihnen offensichtlich Freude, sich in eine Rolle einzu fügen und sie nachgestaltend zu erleben. Durch diese „Ge staltung von Du-Beziehungen" wird der Mensch befähigt, Wesensart und Eigenheiten seines Mitmenschen besser zu verstehen und anzuerkennen®, zugleich die Grenzen der eige nen Persönlichkeit zu erfahren und die ihm gemäße Gebärde leichter zu finden''. Über die positiven Werte des „Laien"- oder „Amateurtheaters" — wie man seit einigen Jahren sagt, um eine klare Trennung zum Berufstheater herzustellen — wurden schon viele Untersuchungen angestellt, die alle den Wert des gemeinsamen Tuns, der freiwilligen Einordnung und der Auseinandersetzung mit einem fremden Schicksal als eminent wertvolle Lebensschulung für die Spieler ansehen. Vom Schauspielerischen her wird eine vollkommene Einfüh lung in die Rolle verlangt, die den Menschen innerlich beweg lich macht. Er lernt die Grenzen und Möglichkeiten der per sönlichen Entfaltung und die Widerstände, die verschiedene Verhaltensweisen hervorrufen, kennen und die Notwendigkeit einer Korrektur an sich selbst einsehen. Die Probenarbeit ist in den Augen des Volksbildners das ganz große Plus, das das Theaterspielen mit sich bringt. Die Identifizierung mit einem anderen Schicksal, die Erfahrung der Schicksale in ihrer Ver flochtenheit und ihrer Divergenz heben den Suchenden über das Niveau eines anspruchslosen Alltagsmenschen hinaus. Ein weiterer positiver Wert ist die Zusammenführung der Men schen zu einer echten Gemeinschaft, der gerade heute im Zeit alter der Vereinsamung besondere Bedeutung zukommt. Ganz zu schweigen von der förderlichen Wirkung, die die Bewälti gung einer Aufgabe, Anerkennung und Applaus auf das Selbstbewußtsein und das Selbstvertrauen der Menschen ha ben. Nicht umsonst wird in vielen Sanatorien das Spiel in Form von Stegreifspielen, Pantomime oder Puppentheater als Heilfaktor zur Befreiung von Komplexen, Hemmungen, Störungen usw. verwendet. Zum Unterschied zu verschiedenen Hobbies, die mehr oder weniger nur die eine oder andere Seite eines Menschen ansprechen, erfaßt und beschäftigt das Theaterspielen den ganzen Menschen. Es gilt zwar, sich gro ßer Mühen zu unterziehen — monatelange Probenarbeit ist unbedingt erforderlich —, doch schafft das allmählich immer bessere Beherrschen des Stoffes bereits während der Proben zeit Freude und Verantwortungsbewußtsein und entschädigt der Erfolg bei der Aufführung erst vollends. Die Hilfsbereit schaft und Kameradschaft innerhalb der Gruppe, die zeitwei lig ja auch eine Notgemeinschaft ist, wirken ins private Le ben und wachsen über die Grenzen der Gruppe hinaus. Gerade die jungen Menschen, die mit ihrer Zeit oft nichts anzufangen wissen, sollten den Weg zum Amateurtheater finden. Wenn auch der Probenarbeit von vielen Wissenschaftern mehr Be achtung geschenkt wird als der Aufführung, so bedeutet diese doch für den Spieler nach all den Anstrengungen einen er strebenswerten Höhepunkt. Deshalb sollten die Kritiker die gemeinsame Leistung würdigen und nicht nur einzelne Perso nen besonders herausstellen. Durch die Aufführung erweitert sich die volksbildnerische Wirksamkeit des Amateurtheaters wesentlich, da nun Hunderte von Zuschauern intensiv ange sprochen werden. Das Spiel kann, je nach Inhalt, positiv oder negativ auf die Zuschauer wirken. Darum ist es nicht gleichgültig, welches Stück der Spielleiter für seine Gruppe wählt. Eduard Ploier er hob einmal folgende Forderungen des Landvolkes an die Amateurbühnen; „Die Landbühnen müssen den Willen ha ben,zu künden, auszusagen und Antwort zu geben, einen Bil dungsgang einzuleiten und dem Spieler aktive Beschäftigung Faszination der Maske, Fotostudie aus dem Mondseer Jedermann. — Aufnahme: H. G. Prillinger

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