Oberösterreich, 19. Jahrgang, Heft 2, 1969

Joseph Kronsteiner, dem zuletzt, nämlich 1968, der Bruckner preis zuerkannt wurde,ist Schüler von David. Doch wurde das linear-polyphone Denken des Linzer Domkapellmeisters von der Berufung, für die Praxis zu schaffen, in die Richtung ein facher Klarheit gelenkt. Auch in seinen Kompositionen hoher Kunst, sei es der geistlichen oder der weltlichen, sucht und findet der Priesterkomponist trotz herber, persönlicher Hal tung stets unmittelbares Verständnis seiner Hörer. Viel reden von sich gemacht hat der Brucknerpreisträger 1966, Helmut Eder. Seine ersten gültigen Werke sind der linearen Polyphonie zuzuordnen. Dann schrieb er in Zwölftontechnik, versuchte sich in der Elektronik und richtet gegenwärtig sein Schaffen rein nach dem Klang aus. Interessieren wird die Feststellung, daß er als einziger der bisher vom Lande aus gezeichneten Komponisten Oberösterreichs Opern geschrieben hat. Das Schaffen von Walter Kögler ist ebenfalls von der Praxis, und zwar als Dirigent, Kirchenmusiker und Musikschuldirek tor, bestimmt. Musikantische Spielfreude paart sich mit starker Eigenart. Der Grundzug des Stiles von Helmut Schiff, eines weiteren Schülers von David, ist ebenfalls linear-polyphon. Doch mi schen sich musikantische Züge von österreichischer Art dazu, nicht zuletzt in der Formgebung. Josef Friedrich Doppelhauer aus Wels setzt in seinen Schöp fungen auf eigene Weise den Stil Johann Neopomuk Davids fort, der ja viele Jahre in Wels gewirkt hat. Wie David scheint Doppelbauer seinen Personalstil aus seinem Wirken als zünf tiger Organist und als Chormeister entwickelt zu haben. Als Leiter des Welser Bachchores ist Doppelbauer tatsächlich Nach folger Davids geworden. Meist irgendwie nach der Reihentechnik hat Richard Kittler seine Einfälle geordnet. Seine Eigenart kann nicht einfach als Zwölftonmusik nach dem Muster von Arnold Schönberg be zeichnet werden. Sie hat vielmehr durch ihre kontrapunktische Kunst viel Berührungspunkte mit der linearen Polyphonie. Der erfolgreiche Linzer Komponist strebt nach ausdrucksvoller Kürze. Eine flüchtige Bekanntschaft mit der Musik von Hans Stadlmair könnte einen Laien veranlassen, diesen als Dirigent des Münchner Kammerorchester bekannt gewordenen Oberöster reicher als schöpferischen Musiker zur Zwölftonmusik zu rechnen. In Wahrheit ergeben sich seine Harmonien, ähnlich wie die von Kropfreiter, freitonal durch lineare Stimmführung gleichfalls persönlicher Art. In der Musik von Augustinus Franz Kropfreiter glaubt man fürs erste, einen neuesten Stil zu hören. Doch fußen seine polyphonen oder freitonalen Zusammenklänge auf persönli cher Entfaltung des gregorianischen Chorals und der Kirchen tonarten. Freilich stößt diese Entwicklung gelegentlich bis in serielle Bereiche vor. Bloß dem Geiste nach zählt Fridolin Daliinger zur DavidNachfolge. Er hat viel für die Praxis unserer Chöre und für das Jugendmusizieren geschrieben, hält aber mit seinen jüng sten Arbeiten weit vorne in der Avantgarde der Musik. Die bisher versuchte Betrachtung des Stiles von jedem Kom ponisten konnte also keineswegs sein Schaffen einer bestimm ten Richtung der neuen Tonkunst zuordnen. Nach dem Alter wurde diese stilkritische Erörterung vorgenommen. In glei cher Reihung folgen nun kurze Angaben über Leben und Schaffen. Isidor Stögbauer wurde am 19. September 1883 als Sohn eines Oberlehrers in Kuschwarda in Südböhmen geboren, empfing entscheidende Anregungen als Sängerknabe im niederöster reichischen Benediktinerstift Seitenstetten und an der LehrerJohann Nepomuk David. — Aufnahme: Reiner Brandes bildungsanstalt in Budweis. Als Lehrer und Organist wirkte er in seiner Heimat, und zwar in Strobnitz, Rosenthal und Friedberg (heute als Frymburk an drei Seiten vom Wasser des Moldau-Stausees eingeschlossen), schließlich als Professor in den Lehrerbildungsanstalten Krumau und Linz, am BrucknerKonservatorium und am Gymnasium in Seitenstetten. Seinen Lebensabend verbrachte er in Linz, wo er am 11. November 1966 plötzlich gestorben ist. Der Schwerpunkt seines Schaf fens liegt in Orgelwerken. Er sagte selbst dazu: „Das Wesen der Orgel ist mir heilig." Außerdem schrieb Stögbauer viele wertvolle Kirchen-,Kammer- und Orchestermusikwerke. Johann Nepomuk David,der bedeutendste lebende Komponist Oberösterreichs, kam am 30. November 1895 in Eferding zur Welt. Mit David teilen das Geburtsjahr 1895 Hindemith und Orff. Alle drei Meister haben sich zu persönlicher Eigenart entwickelt wie wenige andere zeitgenössische Tondichter. Da vid wurde zum Haupt der linearen Polyphonie,Orff zum Wort führer des Primitivismus und Hindemith zu einem der wich tigsten Vertreter des Expressionismus und der Neoklassik. Johann Nepomuk David wurde als Sohn des Gemeindesekre tärs von Eferding, einer kulturell bedeutenden Stadt, gebo ren. Die Stationen seines Lebens sind: St. Florian (Sänger knabe), Kremsmünster (Untergymnasium), Linz (Lehrerbil dungsanstalt des Katholischen Schulvereines), Peterskirchen (kurze Tätigkeit als Lehrer), Wien (Studium an der Musik akademie), Waizenkirchen (Volksschullehrer), Wels (10 Jahre Volksschullehrer, Organist in der Evangelischen Christus kirche und Leiter des Bachchores), Leipzig (Professor für Komposition und Leiter der Kantorei, später Leiter der Hoch schule für Musik), Salzburg (Leiter der Akademie Mozarteum) und Stuttgart (Kompositionslehrer der Musikhochschule). Das reichhaltige Verzeichnis der hoch angesehenen Werke Davids enthält Musik für Orgel, Chor und Orchester, Kammermusik sowie geistvolle Schriften. Joseph Kronsteiner, geboren am 15. Februar 1910 in Losen stein an der Enns, empfing die entscheidenden Anregungen für sein Schaffen von der Hausmusik, die sein Vater mit seinen elf Kindern pflegte. Joseph studierte am Collegium Petrinum und am Linzer Priesterseminar, wo er als Musikpräfekt wirkte, am Bruckner-Konservatorium, an der Musik akademie in Wien sowie an der Musikhochschule in Leipzig. 1943 wurde er zum Linzer Domkapellmeister ernannt. Da neben erfüllte und erfüllt der vielfach ausgezeichnete Priester komponist wichtige Lehraufträge und komponiert ein Werk nach dem anderen, zahlreiche Messen, viele Ordinarien und Motetten. Nicht vergessen sei die Fülle seiner einstimmigen Melodien für die volksliturgische Bewegung, die er zum über wiegenden Teil schon lange vor dem 2. Vatikanischen Konzil geschrieben hat, ferner drei Symphonien und andere Orchester musik, das große Oratorium „Maria" in zwei Teilen, weltliche Chöre und Liederzyklen. Helmut Eder geboren am 26. Dezember 1916 in Linz, bildete sich an der Linzer Bundeslehrerbildungsanstalt zum Lehrer und am Bruckner-Konservatorium zum Musiker. 1948 legte er die Reifeprüfung aus Tonsatz ab und studierte 1953 bis 1954 mit einem Stipendium der oberösterreichischen Landes regierung weiter, und zwar in München dramatische Kompo sition bei Carl Orff und Dirigieren bei Fritz Lehmann sowie polyphone Komposition in Stuttgart bei Johann Nepomuk David. 1948 gründete er den Davidchor Eferding, leitete spä ter einige Jahre die Linzer Singakademie, trat in den Lehr körper des Bruckner-Konservatoriums ein und erhielt 1962 den Titel Professor. Er hat den Kammerchor des Linzer Bruckner-Konservatoriums zu einem erstklassigen Klangkör per entwickelt. Derzeit unterrichtet Prof. Eder am Mozarteum in Salzburg Theorie und Komposition. Von seinen vielen Werken auf allen Gebieten der Musik sei im besonderen auf die 3. Symphonie verwiesen, mit der er den österreichischen Staatspreis errungen hat, ferner auf die Opern „Oedipus"

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