Oberösterreich, 19. Jahrgang, Heft 2, 1969

Johannes Unfried Schöpferische Musik in Oberösterreich Österreich — das Land der Musik! Hat dieser Ehrentitel nur für die Vergangenheit seine Berechtigung, etwa in der zwei ten Hälfte des vorigen Jahrhunderts, als die Symphonien und Messen des Oberösterreichers Anton Bruckner allmählich als Höchstleistungen der Menschheit anerkannt wurden? Oder wollen auch in der Gegenwart wir Österreicher als Musik nation gelten? Wenn unser Vaterland auch heute eine füh rende Rolle in der Tonkunst spielen will, dann müssen mög lichst viele Österreicher sich als Träger der Musikkultur füh len; sie müssen am Schaffen ihrer komponierenden Lands leute Anteil nehmen. Diese Aufgabe von Kulturträgern werden die Österreicher, die nicht in Wien wohnen, in bezug auf die Musik lieber erfüllen, wenn ihnen gezeigt wird, daß in der Gegenwart österreichische Musik nicht einfach mit Musik aus Wien gleich zusetzen ist. Dem Bundesland Oberösterreich kommt ein be trächtlicher Anteil im zeitgenössischen Schaffen in der Ton kunst zu.Das soll der folgende Aufsatz beweisen. Die Zahl der zeitgenössischen Komponisten aus Oberöster reich ist nicht klein. Sollen Namen und Werke nicht nur auf gezählt werden, sondern auch stilkritische Erwägungen Platz finden, so muß eine Auswahl getroffen werden. Dafür von selbst gegeben sind die Würdigungs- und Förderungspreis träger des Landes Oberösterreich. Diese Preise wurden von der oö. Landesregierung im Jahre 1962 gestiftet. Die Würdi gungspreise in der Höhe von je S 30.000.— sollen reife und hervorragende Leistungen auf dem Gebiete der Kunst und Wissenschaft anerkennen. Im Wechsel von zwei Jahren wer den der Adalbert-Stifter-Preis des Landes Oberösterreich für Literatur bzw. der Adalbert-Stifter-Preis für Bildende Kunst verliehen, darauf folgend der Anton-Bruckner-Preis für Musik und der Johannes-Kepler-Preis für Wissenschaft. Diese Preise werden unabhängig von einer Bewerbung, ohne Begrenzung nach dem Alter zuerkannt. Die Förderungspreise des Landes Oberösterreich für Literatur, Musik, Bildende Kunst und Wissenschaft hingegen wollen Kunst und Wissenschaft unter stützen. Sie werden im Betrag von je S 10.000.— jedes Jahr für schöpferische Arbeiten auf den vier genannten Gebieten verliehen, also auch für die Musik. Zur Erlangung müssen Arbeiten größeren Umfanges eingereicht werden. Die Bewer ber dürfen nicht älter als 50 Jahre sein. Die Zuerkennung der Würdigungs- und Förderungspreise erfolgt auf Grund einer Empfehlung ehrenamtlicher Preisrichter. Die für die Preise notwendigen Gelder werden von der öffent lichen Hand, also von jedem Steuerzahler aufgebracht. Daher müssen auch alle daran Interesse nehmen. Es ist bekannt, daß viele Angehörige praktischer Berufe auf die Kunstpreise nicht gut zu sprechen sind; sie sagen: Musik, die niemand hören will, fördert die Regierung mit unserem Geld, ohne uns zu fragen. Diesem leider weit verbreitetem Standpunkt seien Gedanken über die Lage der zeitgenössischen Komponisten gegenübergestellt I Kunst und Wissenschaft müssen durch schöpferische Arbeit weiterentwickelt werden, die in die Zukunft weist. Groß ist heute leider die Kluft zwischen schaffenden Musikern und dem Publikum. Auf der einen Seite steht der Komponist. Er weiß, daß seine Musik nur wenige hören wollen, daß seine Kompo sitionen, besonders wenn es sich um Symphonien, Opern oder andere umfangreiche Werke handelt, nur mit großen Schwie rigkeiten nach langem Warten oder vielleicht gar nicht auf geführt werden können. Er würde die Zeit, die er fürs Kom ponieren verwendet, fruchtbringender für das gewöhnliche Denken in anderer Form nützen. Er könnte auf andere Weise mehr... verdienen. Wenn er gleichwohl seine Berufung zu schöpferischer Arbeit erfüllt, auf Verdienst und Freizeit ver zichtet, so ist das schließlich ein Opfer, das er für die All gemeinheit bringt. Es hat daher schon einen Sinn, wenn heute die Staaten und Länder an Stelle der adeligen Mäzene der Vergangenheit die schöpferischen Künstler fördern. Die ver liehenen Preise bedeuten ihnen eine finanzielle Hilfe, die Öffentlichkeit beginnt sich für sie zu interessieren, die Aus sichten auf Wiedergabe ihrer Werke verstärken sich. Die Würdigungsträger des Landes Oberösterreich waren bis her: Johann Nepomuk David, Isidor Stögbauer, Helmut Eder und Joseph Kronsteiner; die Förderungspreisträger seit 1962 in der Reihenfolge der Verleihung: Augustinus Franz Kropfreiter, Helmut Schiff, Hans Stadlmair, Richard Kittler, Josef Friedrich Doppelbauer, Walter Kögler und Fridolin Daliinger. Heute glaubt der Musiker wie der Musikfreund, jeden Kom ponisten in eine bestimmte Stilrichtung einordnen zu müssen. Seit der Jahrhundertwende liest und hört man immer wieder von verschiedenen — ismen — als Stilrichtungen, denen die einzelnen Tondichter angehören. Da gibt es einen Impressio nismus, einen Expressionismus, Vitalismus, Neoklassizismus, einen Primitivismus usw. In der Vergangenheit kannte man verschiedene Stilrichtungen nicht. Die Tondichter schufen ein fach im Stil ihrer Zeit und entfalteten darin ihre persönliche Eigenart. Die nun behandelten Komponisten kann man nicht einfach einer begrenzten Stilrichtung der neueren Musik zu ordnen. Es ist eine Empfehlung für sie, daß die meisten, vor sichtig befragt, welchem Stil sie sich zugehörig fühlen, eine erwünschte Einordnung ablehnten. Jeder will nach seinem Geschmack schaffen ohne Bindung an einen besonderen Stil. Freilich steht der eine mehr, der andere weniger einer be stimmten Richtung nahe. So wäre es falsch, die Musik von Isidor Stögbauer, dem zweiten Träger des Brucknerpreises (1964), einfach einem Expressionismus zuzurechnen, der seine Wurzeln in der Spätromantik hat. Die Hoch- und Spätroman tik konnte noch in unserem Jahrhundert Musik von bleiben dem Wert hervorbringen. Man denke an Hans Pfitzner, der bloß neunzehn Jahre vor Prof. Stögbauer geboren wurde. Ebenso unrichtig wäre es, Stögbauers Tonsprache einfach als Fortsetzung des Stiles von Max Reger zu bezeichnen. Dessen polyphoner Überreichtum, seine Unruhe in der Harmonik ist bei Stögbauer faßlicher Einfachheit gewichen. Stögbauer gibt sich modener, obwohl er seine Beziehungen zur Volksmusik nie leugnet. Seine Musik kann als zeitlos angesprochen wer den. „Was ich gelernt habe, verwende ich auf eigene Weise", sagte er von sich selbst. Johann Nepomuk David, der erste Träger des Brucknerpreises (1962) wird als wichtigster Vertreter der linearen Polyphonie bezeichnet. Doch findet man in seinen letzten Werken auch Bindungen,die der Zwölftonmusik angehören.

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