Oberösterreich, 19. Jahrgang, Heft 2, 1969

Johannes Unfried Das Konzertleben eines Bundeslandes am Beispiel Oberösterreichs Das Konzertleben von Oberösterreich hat einen bedeutenden Aufschwung genommen. Die folgenden Ausführungen kön nen sich allerdings nur auf die Gegenwart beziehen, wie sie sich seit dem Ende des zweiten Weltkrieges entwickelt hat. Ein im Umfang beschränkter Aufsatz vermag nicht die An fänge öffentlicher Konzerte im 19. Jahrhundert und ihre Vor aussetzungen zu erfassen, so sehr dies erstrebenswert wäre. Konzerte außerhalb der Landeshauptstadt können nur in ge legentlichen Hinweisen gewürdigt werden. Vollständigkeit der Angaben möge der Leser nicht erwarten. Das Konzertleben ist nur ein Teil der Musikkultur eines Volkes. In unserer Generation hat es überall an Umfang gewiß zugenommen, das selbsttätige Musizieren hat aber ab genommen. Das Ergebnis dieser auseinanderstrebenden Ent wicklung ist... Oberflächlichkeit des Hörens. Fragen wir einen alten Linzer, was ihm am Beginn unseres Jahrhunderts etwa die Wiedergabe einer Beethoven-Symphonie durch eine Militärkapelle „in Streichbesetzung" bedeutet hat: ein Erleb nis, von dem er wochenlang zehrte. Der junge Mensch un serer Tage findet es allenfalls reizvoll, im reichen Angebot von Konzerten die Aufführung einer Beethoven-Symphonie durch das gute Berufsorchester seiner Stadt mehr oder min der sachverständig mit einer Schallplattenaufnahme zu ver gleichen. Rundfunk und Fernsehen haben zwar geholfen, die Kunstmusik in weite Kreise hineinzutragen. Doch vermindern sie die Erlebnistiefe der von ihnen am Rande vermittelten hohen Musik, nicht nur durch das überreiche Angebot in Form von Tonkonserven, sondern vor allem durch die ständige Berieselung mit übler Konsummusik. Abgestumpft werden die Ohren, die sich von den Lautsprechern vergewaltigen lassen! Wen kommt heute noch die Lust an, selbst zu singen und zu musizieren, wenn ihm die Klänge wahllos bis zum Überdruß serviert werden? Ein Konzertleben zu führen, benötigt ja keineswegs nur aus führende Künstler. In erster Linie bedarf es aufnahmsbereiter Musikfreunde. Musik wird gerne und mit Verständ nis von Menschen gehört, die selbst Musik machen. Dies wissen die um die Musikkultur besorgten Erzieher; daher bieten sie alles auf, tätige Musikpflege vorzubereiten. Der gesunde Nährboden der Musikkultur wäre die Haus musik. Leider liegt gerade diese Wurzel der Musikpflege in der Gegenwart sehr im Argen. Der Sohn, die Tochter spielen noch, wenn auch weit weniger als wünschenswert, Klavier oder ein anderes Instrument, — meist aus Gründen des Prestiges. Sie sollten jedoch gemeinsam musizieren, nicht nur miteinander, sondern auch mit den Eltern! Wo geschieht dies noch in einer Zeit gelockerter Familienbande? iFamilienleben entfaltet sich nicht mehr hinter Notenpulten, sondern ... vor dem Fernsehschirm! Beispiele der Hausmusikpflege gaben vor der Öffentlichkeit in Oberösterreich die Linzer Familien Schaller, Schulz und die des Verfassers, in jüngster Zeit auch die Familie Rois. Die Mitglieder der Familien Schaller, Schulz und Rois haben dabei das beachtliche Können vorzüg licher Berufsmusiker vorgeführt. Die Musikprofessoren an den Höheren Schulen leiten die Schüler zum praktischen Musizieren an und führen sie zum verständnisvollen Musikhören, soweit dies in dem ihnen zustehenden Stundenausmaß möglich ist. In vielen Schulen Oberösterreichs bestehen leistungsfähige Chöre, in manchen auch Schulorchester. Daß die Schulchöre konzertreife Leistun gen vollbringen können, beweist das österreichische Jugend singen. Gefördert vom Unterrichtsministerium, werden jedes dritte Jahr die Chöre der Jugend in den örten, Bezirken, in den Bundesländern und schließlich jeweils in einer anderen Landeshauptstadt zu Gemeinschaftssingen zusammengefaßt, in denen der Geist ungesunden Wettbewerbs weitgehend ausgeschaltet ist. öberösterreich hat mit seinen Chören bei den ersten Jugendsingen Aufsehen erregt. Später haben die Leistungen unseres Bundeslandes etwas nachgelassen. Das letzte Bundesjugendsingen fand 1968 in Linz statt. In drei Großkonzerten in der Diesterweghalle waren die besten Jugendchöre Österreichs, in einer Serenade hervorragende Gastchöre aus dem Ausland zu hören. Die Einrichtung des österreichischen Jugendsingens ist vorbildlich geworden. Von den jugendlichen Teilnehmern werden viele die Reihen der Laienchöre auffüllen und wohl alle das für ein hochstehendes Konzertleben notwendige Publikum stellen. — In der Füh rung von Schulorchestern sind leider andere Länder, etwa die USA, Österreich weit überlegen. In jeder High school besteht dort ein von Schülern und Schülerinnen komplett besetztes Symphonie- oder ein Blasorchester. In Österreich vermag ein eifriger Musikprofessor in seiner Schule allenfalls nur ein Streichorchester zusammenzubringen. Die Schul orchester der Amerikaner geben eigene Schulkonzerte und messen ihre Kräfte mit den Nachbarschulen. Als Frucht dieser Erziehungsarbeit steht das Konzertleben in den mittleren und kleineren Städten Amerikas erstaunlich hoch. Die öster reichischen Schüler, die sich ein Können im Spiel eines In strumentes außerhalb der allgemein bildenden Schulen er worben haben, fügen sich unter sachkundiger Leitung gerne zu einer Gemeinschaftsleistung zusammen, die das Gemein schaftsbewußtsein der ganzen Anstalt stärkt und Feiern ver schönern hilft. Auch die Mitglieder dieser Schulorchester wer den durch ihre Übungen zu einem aufgeschlossenen Konzert publikum erzogen. In Programmen von eigenen Schulkonzer ten hört man heute wohl keine Bearbeitungen etwa für „Salonorchester" mehr, wie das vor zwei Generationen üblich war, sondern öriginalliteratur, entweder zeitgenössische Spiel musik oder Werke für Kammerorchester aus dem Barock. Leider versagt eine immer größere Zahl von Pflichtschul lehrern in der Musikpflege. Schuld daran trägt die Lehrer bildung wegen des geringen Raumes, der dem Musikunter richt eingeräumt wird. Früher war der Volksschullehrer ein guter Musikerzieher des Volkes; er betreute auf dem Dorf die Kirchenmusik und dirigierte Gesang- und Musikvereine. Heute ist das Können, das dem Lehrer die Stätten seiner Bildung für diese Aufgaben mitgeben, meist zu gering. Als verlängerter Arm des Musikerziehers an den Pflicht- und Höheren Schulen können die Musikschulen angesprochen werden, öberösterreich ist führend im Musikschulwesen. In Zusammenarbeit mit der Volksbildung werden in vielen örten Musikschulen geführt, die nicht nur für den Nach wuchs an ausübenden Musikern, sondern selbstverständlich auch an aufnehmenden Musikfreunden sorgen. An der Spitze

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