Oberösterreich, 19. Jahrgang, Heft 2, 1969

Hanns Kreczi Brucknerorchester und Brucknerhaus Brucknerordiester und Brucknerhaus sind nach dem oberösterreichischen Mu sikheros nicht zufällig benannt, denn es verbindet sie nicht nur die BrucknerPflege, d. h. die bewußte Unterstellung unter den Geist des Genius (aus der als eine Folge die Verpflichtung erwächst, die Werke des Meisters besonders zu pflegen), sondern auch das Band der ge schichtlichen Entwicklung. Daher steht der Name Bruckner auch für die schick salhafte Verbundenheit von Orchester und Haus. Brucknerorchester und Bruck nerhaus bedingen einander gegenseitig — um es trivial und ganz deutlich zu sa gen — wie der kostbare Vogel und der Vogelbauer. Ohne Vogelhaus geht es auf die Dauer nicht, wenn man einen kostbaren Vogel hält, und umgekehrt wäre ein Vogelhaus ohne kostbaren Vo gel nur ein im Grunde sinnloses Gehäuse. Dieser Sachverhalt wird besonders deut lich, wenn man die Entwicklung des Linzer Musiklebens der letzten Jahr zehnte überschaut. Bis in unsere Zeit reicht der Glanz der Linzer Vereinskul tur des 19. Jahrhunderts, im besonderen des Linzer Konzertvereins, dem das ge samte Konzertleben zu einer Zeit an vertraut war, als das (einzige) Berufs orchester allein dem Theater diente. Einem Liebhaberorchester sind aber in künstlerischer Hinsicht natürliche Gren zen gesetzt (womit selbstverständlich nichts gegen Aufgabe und Bedeutung eines Liebhaberorchesters auch in und für unsere Zeit gesagt ist) und aller orten, wo sich urbanes Leben einstellte, also vor allem in den größeren Städten, wurden Berufsorchester die wesentlich sten Träger der Musikkultur. Diese Entwicklung hat auch Linz erreicht, allerdings zu einem Zeitpunkt, als die Stadt schlagartig durch die Wirt schaftskraft eines großen Reiches nach eines Diktators (sprich: Führers) Willen mit Hilfe einer Industrialisierungswelle aus der Tradition einer alten Landstadt in die Zukunft einer großstädtischen Entwicklung gerissen wurde. Linz hat durch diesen Aufbruch Jahrzehnte einer normalen Entwicklung übersprungen. Im Bestreben, den technisch-wirtschaft lichen Ausbau der Stadt durch eine menschlich-kulturelle Entwicklung zu untermauern (vor allem aus Gründen der geistigen Ausrichtung des totalitären Staates) wurden in der NS-Zeit auch kul turelle Einrichtungen geschaffen. Unter anderem wurde ein großes Berufsorche ster aufgebaut, das zu einem der besten deutschen Konzertorchester entwickelt werden sollte. Der Bombenkrieg, der 1944 Linz erreicht hatte, vernichtete weithin den gewaltigen Torso der im Ausbau steckengebliebenen Stadt. Im Zusammenbruch 1945 schien es vielen hoffnungslos, an einen kulturellen Auf bau auch nur zu denken. Auch die Be satzungsmacht stand neu erwachter österreichischer Initiative anfangs ableh nend gegenüber. Im Auftrag der ameri kanischen Militärregierung wurde das städtische Symphonieorchester aufgelas sen und die Musiker zum 31. August 1945 entlassen. Am 16. August 1945 teilte der damalige Landeshauptmann Dr. Eigl mit, daß die Musiker vom Thea terdirektor (Pächter des Landestheaters) eingestellt werden. Mit Stadtrats beschluß vom 31. Oktober 1945 wurde einer Vereinbarung der Stadt mit dem Land Oberösterreich über die Subven tionierung des Theaters (Theaterpäch ters) durch die Stadt mit Reichsmark 130.000.— jährlich, das waren 36 Musi kergagen, zugestimmt. Die Stadt lei stete die Subventionierung in der Höhe der Orchesterkosten, um im Falle der Rekommunalisierung des Orchesters seine Herauslösung aus dem Theater betrieb leichter zu ermöglichen. Auf Grund dieser Vereinbarung gab das Land Oberösterreich dem Theaterpäch ter, Direktor Viktor Pruscha, einen drei jährigen Vertrag (15. November 1945), in dem besondere Leistungen des Thea ters für die Stadt (u. a. acht Symphonie konzerte und sechs Kammerkonzerte) festgelegt waren. Nach Aufgabe des Widerstandes der amerikanischen Militärregierung be schloß der Stadtrat am 30. Juli 1946 grundsätzlich, das Orchester wieder zu kommunalisieren. Als aber infolge der damals sich überstürzenden Lohn- und Preisabkommen eine Einigung über die Lohnforderungen des Orchesters nicht erzielt werden konnte, beschloß der Stadtrat am 23. Oktober 1946, von der Rekommunalisierung des Orchesters Abstand zu nehmen. Das Konzertbüro des städtischen Orchesters wurde jedoch seit 1945 von der Stadt zunächst im Rahmen des Kulturamtes weitergeführt und später zur Musikdirektion ausge baut. Das nach dem Krieg wiedererstan dene Orchester des Konzertvereines wurde damals neuerlich zum ersten Trä ger der Symphoniekonzerte — wie einst im „kleinen" Linz — und wieder mit einer des aufrichtigen Dankes werten Aufgabenerfüllung. Die Uhr der Ge schichte ließ sich aber nicht zurückdre hen und verantwortungsbewußte Män ner mit Bürgermeister Dr. Koref an der Spitze wollten das auch gar nicht. Im Gegenteil, es ging darum, dem neuen Linz im Aufbruch zur Großstadt auch die notwendigen kulturellen Einrichtun gen zu geben, d. h. eine geistig-seelische Entwicklung zu ermöglichen, wie sie an dere europäische Städte auf Grund einer organischen Entfaltung längst genom men hatten. Die kulturelle Planung war natürlich nicht nur abhängig vom Kul turwillen, sondern auch und vor allem von den finanziellen Möglichkeiten einer von den Lebensnotwendigkeiten weithin überforderten Stadt. So wurden für die musikalische Sparte nur Ziele ab gesteckt, die in zäher Arbeit und durch den ganzen persönlichen Einsatz ihrer Träger erreicht werden konnten bzw. können. Dabei zeigt sich beglückend, daß sich auch auf dem kulturellen Ge biet Schwerlinien abzeichnen, die unab hängig sind von äußeren Umständen, wie z. B. der Staatsform, aber auch von persönlichen Auffassungen, die besten falls eine besondere Note oder schlimm stenfalls eine Hinauszögerung erreichen. Wer urbaner Musikkultur dienen will, wird um diese Schwerlinien nicht herum kommen; ja, er wird sich darum bemü hen müssen. Er wird sie zu erkennen su chen und sie mit den zeitlich gegebenen Realisierungsmöglichkeiten konfrontie ren. Eine seit Jahrzehnten klar erkannte Schwerlinie auf dem musikalischen Sek tor ist durch das Thema dieser Ausfüh rungen gekennzeichnet: Brucknerorche ster und Brucknerhaus. Das Brucknerorchester Im Hinblick auf die kulturelle Tradition der Städte im deutschsprachigen Raum war es 1945 klar, daß Linz auf die Dauer ohne Berufsorchester nicht aus kommen konnte; den örtlichen Verhält nissen Rechnung tragend war es aber nur möglich, ein einziges Berufsorche ster aufzubauen. Das bedeutete, daß das Theaterorchester als Anfang einer Ent wicklung anzusehen war, an deren Ende ein Orchester steht, das sowohl der Lan desbühne für das Musiktheater als auch dem Konzertleben der Stadt genügen kann. Die „Theatersubvention" der Stadt wurde von Anfang an unter der Voraussetzung gegeben, daß hiedurch das Theater- und Konzertleben in Linz

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