Aufführung von Bäuerles Posse „Wien, Paris und Kon stantinopel"; „Diese alte, aber eben nicht veraltete drastische Geschichte brachte wieder die Lachmuskeln der Zuschauer in starke Bewegung. Nur die nicht im Buch enthaltenen, sondern improvisierten Zoten und derben Zweideutigkeiten verletzten nicht wenig den Anstand und die Achtung, welche man gegen das Publikum stets zu beobachten schuldig ist. Es scheint überhaupt, als ob die Schule der guten Sitten, wie es eigentlich jedes Theater sein soll, besonders nach den seligen europäischen Errungenschaften zu einer Hohen Schule des Ärgernisses und Spottes befördert worden sei. Das freie Wort wird auf der Bühne — im allgemeinen — so oft miß braucht, daß einige repressive Maßregeln darüber wohl not wendig wären. Könnten nicht die Landeschefs die Theater direktionen über die Mißbräuche des freien Wortes auf der Bühne unter gebührender Strafe verantwortlich machen? Das wirkte in jeder Hinsicht sehr heilsam und tätig". Nun, dieser Vorschlag kam zu spät. Das Jahr 1848 krempelte auch in Linz manches um: am 13. März 1848 schied der Linzer Zensor, Karl Eduard Bauernschmied, aus seinem Amt und wurde — zum Entsetzen seiner Vorgesetzten — einer der fortschrittlichsten Journalisten Österreichs, die „Linzer Zei tung" erschien nun täglich, und die Theaterkritik fühlte sich endlich wirklich frei und ungebunden. Einer der ersten, die diese Situation nützten, war ein gewisser Emil Mayer: ein überaus fähiger Rezensent, der schon vor dem Revolutions jahr durch seine Kontroversen mit der Direktion Neufeld von sich reden gemacht hatte. Mayer — auch Dichter, Kapell meister und Komponist — kannte jetzt keine Hemmungen mehr, er verdammte das Alte und lobte das Neue bei jeder Gelegenheit, für ihn brach ein „Zeitalter an, in dem nichts gelten werde, als die Freiheit und die Humanität". Zwischen durch freilich finden sich auch Feststellungen wie etwa folgende: „Die arme Kunst hat man über den schweren politischen Ereignissen in einen Winkel gestellt, in dem sie nur wenige Freunde und Beschützer besuchen. Konzerte und Theater, die in der Sedlnitzkyschen Periode unseligen Andenkens die Spalten der Journale brilliant ernährten, lassen uns kalt, und selbst Erscheinungen von höherer dramatischer Bedeutung wie des genialen Hebbel dieser Tage in Szene gegangenen ,Maria Magdalena' gehen vorüber, ohne daß man ihnen ein Wort der begeisterten Erinnerung nachsendet — schnöde Welt, in der die Politik das Wort redet und das Musische zum propagandistischen Sklaven erniedrigt". Ähnliche Töne schlugen Julius Schindler — bekannt geworden durch das Pseudonym „Julius von der Traun" — und Friedrich Wilhelm Arming an: unter ihrer Redaktion erschienen zu nächst in Steyr „Die zwanglosen Blätter", die sich ab 2. Jänner 1849 „Oberösterreichische Zeitung" nannten — Publikationen, die regelmäßig Theaterkritiken enthielten und in denen sich auch Urteile allgemeiner Art finden. Besonders die Direktion Franz Stöckl — sie leitete das Linzer Landestheater von 1849 bis 1852 — bot zahlreiche Angriffspunkte für den Staatsanwalt Julius Schindler — alias Julius von der Traun — und für den aus Wels stammenden Wundarzt Friedrich Wilhelm Arming: „Unser obderennsisches Theater — ein Musentempel, der auch außerhalb des Landes dank seiner Geschichte und seiner Leistungen bekannt geworden ist — scheint unter der Führung des Herrn Direktors Franz Stöckl ganz und gar dem Untergang geweiht. Diesem ehemaligen Tanzmeister und begabten Hanswurst in Pester Vorstadt bühnen fehlt jegliches kaufmännische Talent, er wirtschaftet wie ein mit dem Geld völlig unvertrauter Schneidergeselle und ist nicht in der Lage, eine Kasse zu verwalten. Diese traurigen Umstände lassen die Befürchtung laut werden, daß über kurz oder lang das Linzer Theater unter den Hammer kommen wird". Diese Prophezeiung erfüllte sich nun erfreulicherweise nicht, außerdem schössen Julius von der Traun und sein Kollege und Kompagnon Arming — er wanderte übrigens 1854 nach Amerika aus und starb zehn Jahre später in Brooklyn — weit über das Ziel: Direktor Stöckl erwies sich als ein sehr um sichtiger Theaterdirektor, der zwar tatsächlich stets mit finanziellen Nöten zu kämpfen hatte, aber vor allem der Oper in Linz zu einer neuen Blüte verhalf. Doch wie dem auch sei: Rezensenten vom Rang eines Mayer, eines Arming, eines Traun schafften Luft, sie ließen die vormärzliche Kritik vergessen und zwangen sogar konservative Blätter wie die „Linzer Zeitung" zu neuen Ufern. Entsprechend dieser Situation veröffentlichte die „Linzer Zeitung", geleitet von Anton Tuczek — einem tüchtigen Redakteur —, einen Artikel, in dem es unter anderem hieß: „Insbesondere das hiesige Theaterleben werden wir mit unparteiischer Würdigung ins Auge fassen. Das Theater der Hauptstadt eines Kronlandes ist ein zu wichtiges Institut, um dasselbe in dem Blatte zu ignorieren, dessen Aufgabe es ist, allen Interessen des Landes die gebührende Aufmerksamkeit widerfahren zu lassen. Wir werden bei der Beurteilung der neuen Bühnenwerke und ihrer Darstellung auf dem Theater in Linz, vom ästhetischen Stand punkt ausgehend, stets die volle, ungeschminkte Wahrheit sagen". Und dabei blieb's, mögen sich auch zunächst Unzulänglich keiten und Mißverständnisse eingestellt haben. Vorwiegend die Kritiken des aus Wien stammenden Joseph Hermann Hillischer — durch seinen Lyrikband „Gedichte eines deutschen Handwerksburschen", erschienen 1852, wurde er einer der ersten Arbeiterdichter — wirken heute schablonenhaft und farblos. Trotzdem sollte man niemanden schelten oder geringschätzig abtun: auch die Theaterkritik ist eben ein Spiegel ihrer Zeit und ihr ganz und gar verhaftet. Letztlich gilt es zu bedenken, daß der große Kritiker so selten anzutreffen ist wie der große Künstler — was Wunder, daß er der biedermeierlichen Kleinstadt Linz an der Donau nicht vergönnt war. Besorgen Sie sich diese handlichen Bücher — und der Experte führt Sie ein in Musik und Theater! Opernführer Operettenführer Konzertführer Kammermusikführer Klaviermusikführer Chormusikführer Ballettführer Schauspielführer Texthefte Buchhandlung im Oö. Landesverlag Pächter Herbert Breinbauer 4010 Linz, Landstraße 41, Tel. 20 4 70
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