Oberösterreich, 19. Jahrgang, Heft 1, 1969

Die Schaunburger Fehde war damit aber nicht beendet. Der Herzog durfte sich seinen Widersachern nicht beugen. Viele Verbündete der Schaunberger schlössen mit Herzog Albrecht Frieden. So wandte er sich gegen die Burg Neuhaus hoch über der Donau. Obwohl sie auf die Belagerung vorbereitet war und der neuerbaute Bergfried ihre Verteidigungskraft vermehrte, konnte sie den übermächtigen Angreifern nicht standhalten. Die Lebensmittelvorräte gingen zur Neige, große Teile der Burg brannten nieder, und das Elend der Ein geschlossenen stieg ins Unermeßliche. Die Burg wurde sturm reif geschossen, und die Schaunberger mußten sich ihrem Schicksal ergeben. Der Riese von Schaunberg, der sich einst mals jedem Gegner gewachsen gefühlt hatte, war geschlagen. Erst als die Schaunberger die Herrschaft der Habsburger anerkannt und dem Herzog Treu und Gehorsam geschworen hatten, gab er ihnen ihre ehemaligen Besitzungen als Lehen zurück. Die Schaunberger konnten jedoch den Verlust ihrer Un abhängigkeit niemals verwinden. Das eine Mal versuchten sie, die Herrschaft der Habsburger abzuschütteln; eine weitere Belagerung von Neuhaus war die Folge. Das andere Mal gaben sie ihrer Verachtung damit Ausdruck, daß sie ein steinernes Menschengesäß meißeln ließen, das sie von ihrem Bergfried in Neuhaus aus als Wasserspeier gegen Wien richteten. Der Machtkampf zwischen den Habsburgern und Schaunbergern ist im Volksmund bis zum heutigen Tag als eine anschauliche Episode in Erinnerung geblieben: Weil sich die Menschen im Donautal vor dem Schaunberger Riesen fürch teten,riefen sie die Habsburger Ritter zu Hilfe. Diese durchstreiften die Wälder entlang der Donau, stöberten den Riesen auf und machten ihn zu ihrem Knecht. Sie nützten seine unheimlichen Kräfte reichlich aus. Wenn er dann abends todmüde auf sein Lager sank, war er zu keinem Schabernack mehr aufgelegt. Am Steilhang bei der Mühlmündung mußte der Riese die Burg Neuhaus errichten. Gewaltige Steinblöcke legte er übereinander und verband sie zu festen Ringmauern. Zuletzt baute er den fünfeckigen Schloßturm. Zu dieser Arbeit benötigte er nur einen Tag. Zufrieden blickte der Riese am Abend auf sein Werk. Als er sich dabei auf die Mauer des Turmes stützte, fing der Mörtel zu rieseln an, und das Bau werk stürzte krachend ein. Obwohl bereits der Abend däm merte, begann er sogleich den Turm von neuem zu bauen. Am Morgen war er damit fertig. Diese Tat gab ihm das Gefühl seiner Kraft zurück. Er entfloh und schlug sich in die Wälder. Bald peinigte er die Menschen wie zuvor. Die Habsburger Ritter stellten ihm nach und erschlugen ihn im Kampf. Seine Schulterblätter hefteten sie an das Schloßtor von Neuhaus. Die gebleichten Riesenknochen hingen noch lange Zeit dort, und alte Leute aus der Gegend von Neuhaus wollen sie gesehen haben. Josef Reitinger: Oberösterreich in ur- und frühgeschichtlicher Zeit.—Linz.Oö.Landesverlag 1969.434 Seiten,342 Abb. im Text, davon 7 Farbtafeln,Halbleinen,Ladenpreis S 350.—. Josef Reitinger brachte als Band 2 seines Sammelwerkes den Katalog der „Ur- und frühgeschichtlichen Funde" heraus. Band 1, die geschlossene Darstellung der oberösterreichischen Frähistorie, liegt nunmehr vor. Es ist die erste Gesamt darstellung dieser Art und dieses Themas für unser Land. Daraus ergibt sich bereits die Wertung. Man muß dem Autor für seinen wissenschaftlichen Fleiß und sein Geschick der Zusammenstellung dankbar sein. Beim Fundkatalog sind ihm — wie die Besprechungen inzwischen ergeben haben — einige Fehler und Unachtsamkeiten unterlaufen. Bei der Beschreibung der Ur- und Frühgeschichte ist er gewissenhaft ans Werk gegangen und bietet einen beachtenswerten Überblick zu mehr als 13 Jahrtausenden der Landesgeschichte, wovon mehr als 12 auf den Zeitraum vor Christi Geburt entfallen, während ein Jahrtausend in den Zeitraum hereinreicht, in dem sich Ur geschichte mit schriftlich bezeugter Geschichte überschneiden. Die Kapitel sind: Eiszeitalter, Ältere Steinzeit, Mittlere Stein zeit, Jüngere Steinzeit (Eiszeit bis 1800 v. Chr.), Bronzezeit (1800 bis 750 v. Chr.), Hallstattzeit (750 bis 400 v. Chr.), La-Tene-Zeit (400 v. Chr. bis Christi Geburt), Römerzeit und Frühmittelalter (15. v. Chr. bis 1000) und schließlich „Mittelalter und Neuzeit", wie „Felszeichnungen". Der Autor faßt somit die Spatenforschung im weitesten Sinne zusam men. Aus den Funden wird der Versuch einer anschaulichen Vorstellung der Vor- und Frühzeit abgeleitet. Das Buch Reitingers ist also auch gut lesbar und eignet sich in dieser Beziehung sehr für den Schulgebrauch. Da gerade die Prä historie oft zu heiß umstrittenen Problemen führt, wird der Leser mit wissenschaftlichen Streitfragen konfrontiert. Er wird jedoch nicht verwirrt, und der Autor hält den not wendigen Abstand. Reitingers Arbeit kann als ein vorzüg liches Handbuch in die landeskundliche Literatur, aber wohl auch in die gesamtösterreichische Fachliteratur eingeordnet werden. O. W.

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