Oberösterreich, 19. Jahrgang, Heft 1, 1969

Eigenbauprodukte auf dem der jeweiligen Burg zugeord neten Markt. Diese rechtliche Beziehung weist deutlich auf die enge Verflechtung von Belangen der Wehr- und der Wirtschaftsverfassung hin, für die die Burgen in gleicher Weise den rechtlichen Bezugspunkt darstellten. Die mit den frühmittelalterlichen Burgen verbundenen Märkte wurden, wenn es der Platz erlaubte, innerhalb der Befesti gungsanlage abgehalten, häufig aber auch außerhalb am Fuß des Burgberges. Der erstere Fall findet sich vor allem bei ehemaligen Römerstädten, während in den nicht von den Römern erfaßten Gebieten der Dualismus Burg- und Marktsiedlung vorherrscht. Im Laufe des ffochmittelalters wurde jedoch in der Regel auch die zur Burg gehörige ffandelsniederlassung in die Umwehrung einbezogen. Beide Grundformen der frühmittelalterlichen Burgmärkte sind je denfalls als Wurzel späterer Stadtentwicklung zu betrachten. Die Bezeichnung Burg wurde bis ins 11. Jahrhundert für alle befestigten Plätze einschließlich der städtischen Siedlun gen verwendet. Dieser Wortgebrauch kommt in zahlreichen Stadtnamen zum Ausdruck, im österreichischen Raum etwa Salzburg, Ennsburg (Enns), Stiraburg (Steyr), Ybbsburg (Ybbs), Herzogenburg, Wilhelmsburg, Kloster- und Korneu burg oder Hainburg. Mit -bürg gebildete Ausdrücke halten sich auch weiterhin im städtischen Bereich, etwa der Burggraf, das Burgrecht als Stadtrecht, im engeren Sinne als spezifische städtische Leiheform, der Burgfried als städtischer Friedens bezirk, vor allem aber die Bezeichnung Bürger, die auf eine doppelte Wurzel zurückgeht, nämlich einerseits auf „burgari", „burgliut" als Bezeichnung für die Burg- d. i. Stadtbewoh ner, andererseits auf das im 12. Jahrhundert aus dem roma nischen Raum vordringende Wort „burgensis", das den im „burgus", der zunächst unbewehrten Kaufmannssiedlung, An sässigen meint. Die Differenzierung von Burg und Stadt, die dann auch in neuen Bezeichnungen ihren Niederschlag findet, ist eine Folge des vor allen von wirtschaftlichen Faktoren bestimmten An wachsens der städtischen Siedlungen seit dem 12. Jahr hundert, dem jedoch auch grundlegende Veränderungen in der Wehrverfassung vorausgegangen waren. In den Städten entstehen nun häufig selbst wieder Burgen. Ihre Wurzel liegt in älteren Höfen des Stadtherren, die gerade in der begin nenden Auseinandersetzung mit der aufstrebenden Bürger schaft einen stärkeren Ausbau erfahren. Befestigte Höfe las sen sich bis tief ins Frühmittelalter hinein zurückverfolgen,und schon für die germanische Frühzeit sind mit Palisaden um wehrte Hofanlagen archäologisch bezeugt. Für solche feste Häuser findet sich freilich die Bezeichnung Burg damals noch nicht; eine enge funktionale Beziehung zu Burgen ist jedoch bei ihnen oft anzutreffen. Besonders für die karolingische und ottonische Zeit ist ein Zusammenhang zwischen Königshöfen und Burgen in verschiedensten Konfigurationen nachweisbar. Mehr oder minder bewehrte Wirtschaftshöfe finden sich innerhalb wie außerhalb der Umwallung von Burgen, im letzteren Falle sowohl bei besiedelten wie auch bei unbesiedelten. Die Wirtschaftshöfe konnten ihrerseits wie derum in ihrem Wohntrakt palastartig ausgestaltet sein, so daß als drittes Element die Pfalz hinzutritt. Königshof, Kö nigspfalz und Königsburg lassen sich höchstens nach ihrer baulichen Form typologisch voneinander trennen, nicht aber nach ihrer rechtlichen und wirtschaftlichen Funktion als Herr schaftsmittelpunkt. Als solcher sind sie Bezugspunkte aller königlichen Rechte innerhalb eines bestimmten Raumes. Ver schiedenste Regalien werden in Urkunden als Pertinenzen von königlichen Höfen aufgezählt, etwa Forste, Märkte, Zölle, Münzrechte u. a. Zu den Regalien, den dem König vorbehaltenen Rechten, zählte im Mittelalter auch das Recht, Burgen zu erbauen. Freilich konnten die Könige dieses Monopol auf die Errichtung von Wehranlagen nur in Zeiten starker Zentralgewalt eini germaßen durchsetzen. In Deutschland verloren sie es schon im 12. und 13. Jahrhundert endgültig an die Reichsfürsten. Diese konnten ihrerseits im Zuge des Ausbaues ihrer Lan desherrschaft einen Ausschließlichkeitsanspruch auf die An lage von neuen Burgen bzw. deren Genehmigung durchsetzen. Der Burgenbau und die Burgenpolitik wurden zu einem der entscheidenden Mittel in der Hand des werdenden Landes fürstentums. Die königliche Großburg als Zufluchtsort für einen umfas senden Burgbezirk, wie sie als Vorstufe bzw. als Frühform der mittelalterlichen Stadt begegnet, war im 11. Jahrhundert auch von der Wehrverfassung her längst überholt. Schon in der Zeit der Ungarn- und Normannenstürme hatte sich die Notwen digkeit zusätzlicher Wehranlagen ergeben. Herrenhöfe, meist Königshöfe, die in die Hand des Adels oder der Kirche über gegangen waren, wurden zu Befestigungen ausgebaut. Turm hügelburgen, feste Häuser und Motten entstanden, in denen sich ein neuer Burgtypus vorbereitete. Das Versagen der kö niglichen Macht zwang vielfach zur Selbsthilfe, so daß das Befestigungsrecht häufig an lokale Machthaber überging. Die adelige Dynastenburg trat immer stärker in den Vorder grund und wurde zum Ansatzpunkt regionaler Territorien bildung. Das Aufkommen der Ministerialität im 11. Jahrhun dert und die Bildung ritterlicher Gefolgschaften bewirkten schließlich die Entstehung zahlreicher neuer Wehranlagen, die sich in ihrer äußeren Erscheinung, vor allem aber in ihren Funktionen, wesentlich vom Typus der frühmittelalterlichen Burg unterscheiden. Aufgabe dieser hochmittelalterlichen Burgen ist es nun nicht mehr, den Bewohnern eines größeren Siedlungsraumes Zu flucht zu gewähren. Ihre Schutzfunktion erstreckt sich nur auf kleinräumige Bezirke. Die alten Frondienste für die Burgbefestigung, wie sie von ganzen Gauen, Grafschaften oder Burgbezirken zu leisten waren, fallen jetzt weg. Ver einzelt leben sie in Pflichten zum Mauerbau in Städten weiter. Nachbildungen des alten Burgwerks finden sich bloß in veränderten Formen und neuen rechtlichen Zusammen hängen. Die im hohen Mittelalter entstehenden Herrenburgen sind grundsätzlich Wohnbauten. Burg und Haus des Herren ste hen nicht nur in einer funktionalen Beziehung zueinander, sondern fallen prinzipiell auch örtlich zusammen. Die Kon zentration aller Herrenrechte in der Burg kommt deutlich etwa in der französischen Bezeichnung des neuen Typs der Turmburg, „donjon", zum Ausdruck, die sich von „dominatio", d. i. Herrschaft, ableitet. Die verschiedenen Herrschaftsrechte werden im hohen und späten Mittelalter ganz allgemein als Zubehör einer Burg betrachtet, die damit den wesentlichen Kern der Herrschaft ausmachte. Als Ausdruck für Herrschaft findet sich häufig die Formulierung „Castrum cum pertinentis". Der Pertinenzcharakter der einzelnen Hoheitsrechte geht so weit, daß Burg schließlich überhaupt synonym mit Herrschaft gebraucht wer den kann. Im Verständnis der Zeit ist freilich nicht jeder Wehrbau zugleich Burg. Für Befestigungsanlagen sind in den Quellen die verschiedensten Bezeichnungen belegt, im österreichischen Raum etwa die lateinischen Worte „Castrum", „castellum", „Urbs" und „arx" sowie die deutschen „bürg",„veste",„haus", „häusel" „gesess",„türm",„burgstall" u. a. Nicht alle meinen die Burg als Herrschaftsmittelpunkt. „Häusel", „türm" und „gesess" etwa wird in der Regel für die befestigten Sitze ritterlicher Leute verwendet, die keineswegs über Herreneigen und die damit verbundenen Rechte verfügten. „Burg" hingegen bezeichnet in der Regel tatsächlich das feste Haus eines Herren, dem die für die Zugehörigkeit zum Herren stand qualifizierenden Hoheitsrechte zustanden. Die wichtigsten dieser zu einer Herrschaft gehörigen und mit ihrem Burgmittelpunkt verknüpften Rechte waren die

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