Oberösterreich, 18. Jahrgang, Heft 2, 1968

bayerischen Landesgeschichte ein. Dieses Werk erschien 1950 in erster Auflage, im Sommer 1967 kam die fünfte durch gesehene Auflage heraus, die uns vorliegt. Im Vorwort erklärt der Autor seine Beziehung zum „alten Österreich", zur „nur scheinbar versunkenen Welt der einstigen Donaumonarchie". Und in der Lektüre erfahren wir anschaulich, wie sehr Bayern und Österreich, besonders Oberösterreich, historisch zusam menhängen. Benno Hubensteiner sieht diese Zusammen hänge nicht nur von bayerischer Warte. Somit ist seine Dar stellung im gewissen Sinne auch oberösterreichische Landes geschichte von der „Landnahme" bis zu den Napoleonischen Kriegen. Ein weiterer Vorzug dieses Geschiehtswerkes ist seine stark kulturgeschichtliche Orientierung. Der Autor definiert selbst, „daß eine moderne bayerische Geschichte nicht nur Fürsten-, sondern auch Volksgeschichte sein muß". Diese Ausrichtung macht seine Darstellung so lebendig. Sie vermittelt eine bild liche Vorstellung historischer Vorgänge und Zeiten. Es ist also nicht nur die Rede von dem streitbaren Heinrich dem Löwen, sondern mit gleichem Gewicht vom Ruodlieb, dem ersten Roman in der deutschen Literatur, von Minnesang, von Walther und Wolfram,aber auch von der Sozialordnung dieser Periode. Dieser Rhythmus setzt sich durch alle Kapitel des Werkes fort. Wir lesen u. a. vom „bayerischen Leben in der Spätgotik",„vom Geist der Montgelas-Zeit",„von der Kunst stadt München" etc. Gerade durch diese kulturgeschichtliche Orientierung erhielt die politische Geschichte neue Aspekte. Sie ist für Bayern — wie wohl für jedes Land — nicht nur blutig, sondern auch kompliziert in ihrem Ablauf. Es ist zu bedenken, daß in all den Jahrhunderten unter Bayern stets ein neuer Territorial begriff zu verstehen war. Überlegen wir nur die räumlichen Unterschiede vom bayerischen Stammesherzogtum zum heu tigen Bayern! Und überlegen wir auch, welche historische Ein heiten sich hinter diesem heutigen Bayern verbergen: Nieder bayern, Oberbayern, Schwaben, Oberpfalz, Ober-, Mittel- und Unterfranken. Der Autor weist auf diese territoriale Proble matik in der bayerischen Geschichte sehr genau hin und spricht von der Notwendigkeit, die Geschichte Altbayerns mit der von Neubayern (Altbayern und Schwaben und Franken) in einem richtigen Zusammenhang zu sehen. Das „Werden" Bayerns ist also von ähnlicher Vielfalt wie das „Werden" Österreichs. In diesem politischen Gesamtrahmen werden nun die Schwer punkte sehr genau gesetzt: die große Zeit Herzog Tassilos III., des Begründers von Kremsmünster, die Glanzzeit Herzog Heinrichs IV., des Heiligen, des späteren römischen Kaisers Heinrich II., die Weifenzeit, der Aufstieg der Wittelsbacher zum „Hause Bayern", die Bedeutung von Kurfürst Maximi lian 1. usw. Insgesamt sind es acht Themenkreise, in die Benno Hubensteiner seine Darstellung gliedert: 1. Vor der Land nahme (hier sehr lebendig und wichtig „die Welt der Kelten"), 2. Das bayerische Stammesherzogtum, 3. Die Zeit der Kai ser, 4. Das Werden des Fürstenstaates, 5. Das Zeitalter der Glaubensspaltung,6. Das barocke Bayern,7. Das neue Bayern, 8. Das XX. Jahrhundert — Ein Ausblick. Nicht zuletzt sei auf die angenehme Lesbarkeit dieses Werkes hingewiesen. Benno Hubensteiner besitzt unverkennbar lite rarische Anlagen. Geschichte verliert bei ihm jedwede Trocken heit und wird zu dem großen Welttheater, das sie nun einmal wirklich ist. Zwei neue Bücher über den Kirchenbau Erich Widder: Europäische Kirchenkunst der Gegenwart. — Linz: Oö. Landesverlag 1968, 140 Seiten Text, 218 Schwarzweißtafeln und 7 Farbtafeln, 57 Planskizzen und Zeichnungen,Ganzleinen,Ladenpreis S 396.—. Erich Widder: Alte Kirchen für neue Liturgie. — Wien: Dom-Verlag 1968, 203 Seiten, davon 140 Seiten Abb. (mit Plänen),Ladenpreis S 180.—. Unsere Generation erlebt im Kirchenbau eine Bauwelle, die den großen sakralen Bauperioden — Gotik und Barock — quantitativ sicherlich gleichgestellt werden kann. Um die qualitative Gleichstellung geht das Ringen der Theologen, Architekten, Künstler und Kunsthistoriker. Die Diskussion steigert sich oft zur Schärfe, zu Begeisterung neben harter Kritik. E. Widder steht als Diözesankonservator Oberöster reichs inmitten dieser Auseinandersetzung. Er tritt neben sei ner vielfachen beruflichen Arbeit seit Jahren auch als Fach schriftsteller mit Erfolg und Eifer hervor — und, wenn es sein muß, in die Bresche. In diesem Jahr brachte er zwei neue Werke heraus. Das eine erschien in seinem Stammverlag in Linz — OO. Landesverlag —, für das andere zeichnet der Wiener Dom-Verlag als Herausgeber verantwortlich. Wir wenden uns in der Besprechung zunächst dem zweitgenann ten Buch zu. Diese Reihung ergibt sich sachlich, denn das Thema „Alte Kirchen für neue Liturgie" liefert den An knüpfungspunkt an die Tradition des europäischen Kirchen baues. Linz scheint ein besonders fruchtbarer Boden für diese The matik zu sein. Im Heft 3 des Jahrganges 1968 beschäftigten sich bereits die „Christlichen Kunstblätter" unter dem Titel „Neuordnung alter Kirchen" damit. Als Sachbuch ist E. Wid ders Publikation die erste ihrer Art. Der Autor kommt von der Praxis, ausgestattet mit einem fundamentalen Wissen. Ihn bewegt nicht nur die Theorie, das Thema ist ihm auch ein Anliegen als Gläubiger. Daraus ergibt sich die besondere Wertigkeit seiner Darstellung. Er bekennt sich vorbehaltlos zur sinnvollen Verständigung von Alt und Neu, fordert je doch für die „kirchliche Denkmalpflege" zur Realisierung der neuen Liturgie Anerkennung ihrer Prinzipien, die bereits verbindlich festgelegt sind. Das Streitgespräch gruppiert sich um zwei entgegengesetzte Pole: einerseits um den Vorwurf, man wolle den Kirchen raum zum Museum degradieren, andererseits um die Behaup tung, die heutige Zeit besitze noch kein gültiges Kunstwollen. E. Widder widerlegt beides und ordnet sehr prägnant die wichtigsten Bau- und Gestaltungsprobleme. Sodann erläutert er an fünfzig Beispielen verschiedene Lösungsmöglichkeiten und zeigt dabei, daß jede Neuordnung einer historischen Kirche stets ein Einzelfall ist, der nur für sich behandelt werden kann. Die vorgeführten Beispiele umfassen roma nische, gotische und barocke Innenräume, aber auch die heiklen Situationen des späten 19. und frühen 20. Jahr hunderts. Dabei erweist sich deutlich, daß sich die barocken Kirchenräume am schwierigsten in eine „Neuordnung" pres sen lassen. Man sollte auch im Eifer nicht historische Irr tümer setzen, wie z. B., daß die Zeit des Historismus ungläu big oder verkitscht gläubig gewesen sei. Das wäre eigentlich die einzige Kritik, die an diesem vorzüglichen Werk anzuset zen ist. In seiner „Europäischen Kirchenkunst der Gegenwart", in vorzüglicher Ausstattung erschienen im OO. Landesverlag, kann sich E. Widder ganz zur Moderne hinwenden. Das Phänomen der Kirchenbauwelle des 20. Jahrhunderts wird hier noch deutlicher und wirkt noch überzeugender als in der Auseinandersetzung um die Umwandlung alter Räume. Wir müssen dem Autor für seinen unermüdlichen Sammeleifer dankbar sein. Seit fünfzehn Jahren ist er mit seiner Kamera

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