Oberösterreich, 18. Jahrgang, Heft 2, 1968

hängiges Herzogtum. Im Jahre 1186 schloß der Herzog von Österreich auf dem Georgenberg bei Enns mit dem steirischen Herzog einen Erbvertrag und erbte so dessen großen Besitz auch im Traungau. Es gibt keine Urkunde, welche den Über gang des Traungaues von Bayern an Österreich bezeugt, aber tatsächlich war die Lösung vom alten bayerischen Herzogtum voll im Gange. Als um die Mitte des 13. Jahrhunderts die babenbergischen Herzoge von Österreich ausgestorben waren, wurden deren Länder geteilt. Im Frieden von Öfen,1254, wurde der Traun gau dem neuen Herzog von Österreich Ottokar von Böhmen überantwortet, während die Steiermark vorübergehend zu Ungarn kam. Das hat man als die Geburt des Landes ob der Enns bezeichnet. In dieser Zeit tauchen auch die Bezeichnun gen „öberösterreich" (Austria superior) und „ob der Enns" auf, ein Landrichter von Oberösterreich tritt in Erscheinung, der später Hauptmann ob der Enns genannt wird — der Vor gänger des späteren Landeshauptmannes. Das Land ob der Enns, wie es später meist genannt wurde, war als eine Ein heit gleichen Rechtes geboren. Aber der Umfang entsprach noch keineswegs dem des heutigen Landes. Im oberen Mühl viertel eroberte Albrecht 1. die Burg Falkenstein (1289) und tat damit einen entscheidenden Schritt zur Verhinderung des Entstehens eines geistlichen Landes nördlich der Donau (Passau). Der Versuch der Grafen von Schaunberg, ein eigenes Land zwischen Österreich und Bayern von der Donau bis in den Attergau zu schaffen, wurde von den österreichischen Herzogen mit Gewalt verhindert. Das Land ob der Enns war nun wohl ein eigenes Land, aber nur mit Niederösterreich zusammen ein Herzogtum. Oberösterreich stand daher im Schatten Niederösterreichs. Erst allmählich trat eine gewisse Verselbständigung des Landes ein. Der Hauptträger dieser Politik der Absonderung von Nieder österreich waren die Landstände. Man versteht darunter die Korporation von Grundobrigkeiten, die auf den Landtagen mit dem Landesfürsten die Angelegenheiten des Landes verhandelten und ihm Steuern bewilligten. Sie setzten sich aus den sozial und politisch führenden Schichten zusammen. In öberösterreich gab es vier Stände: Die Prälaten, d. h. die Inhaber der großen Stifte des Landes, der höhere Adel — als Herrenstand bezeichnet —, der Ritterstand und die sieben landesfürstlichen Städte. Bezeichnend für die innige Bindung des Landes ob der Enns an Niederösterreich ist es, daß auf den frühen Landtagen am Ende des 14. Jahrhunderts und auch gelegentlich noch später die oberösterreichischen Stände gemeinsam mit den niederösterreichischen tagten. Erst im Jahre 1408 trat in Enns erstmals ein oberösterreichischer Landtag zusammen. Die Stellung dieser Landtage steigerte sich gerade am 15. Jahrhundert im Zusammenhang mit den habsburgischen Erbstreitigkeiten und die Landschaft ob der Enns — wie die Stände sich auch nannten — trat damals wiederholt selbständig in Erscheinung. Seit 1416/18 wurde auch das wahrscheinlich auf Rudolf IV. zurückgehende ober österreichische Landeswappen (goldener Adler auf schwarzem Feld rechts, links vier weißrote Pfähle) offiziell verwendet — ein Symbol der beginnenden Verselbständigung des Landes. Daß während einer kurzen Episode 1458 bis 1463 das Land ob der Enns in Herzog Albrecht VI. einen eigenen Landes fürsten hatte, mag ebenfalls wesentlich dazu beigetragen haben, daß öberösterreich sozusagen von Niederösterreich unabhängig wurde. Im Jahre 1466 wird das Land erstmals als „Fürstentum Österreich ob der Enns" bezeichnet, aber wesentlich später erst(1522) als Erzherzogtum. Nun hatte auch am Ende des Mittelalters das Land noch nicht die Ausdehnung und Gestalt des heutigen Bundes landes. Kaiser Maximilian I. erwarb im bayerischen Erbfolge krieg 1506 die Herrschaft Wildeneck mit dem Kloster Mond see und dem St. Wolfgangland,und erst unter Maria Theresia und Josef II., als die Tendenz des modernen Flächenstaates nach Arrondierung seiner Grenzen sich geltend machte, wurde die heutige Westgrenze des Mühlviertels durch Gebiets tausch mit dem Bistum Passau (1765) erreicht, im Jahre 1779 mußte im Teschener Frieden Bayern das Innviertel an Öster reich abtreten, 1782 kamen die passauischen Enklaven Obern berg am Inn und Vichtenstein zum Lande ob der Enns. In der Ära Josefs II. erhielt das Land öberösterreich im Jahre 1783 eine eigene Landesregierung und zur selben Zeit ein eigenes Bistum mit dem Sitz in Linz, während es durch tausend Jahre zur Diözese Passau gehört hatte. Das Land im heutigen Umfang war fertig. Die Gebietsveränderungen der napoleoni schen Zeit, die Abtretung eines großen Teiles an Frankreich beziehungsweise an Bayern, dann die Zugehörigkeit des Lan des Salzburg als Kreis bis 1849 zu öberösterreich blieben eine vorübergehende Erscheinung. Auch die Änderung der Landesgrenzen durch die Angliederung der böhmischen Be zirke Kaplitz und Krumau sowie des Ausseerlandes an öber österreich im zweiten Weltkrieg war nur episodenhaft. Als nach dem Zusammenbruch der Monarchie das Kronland Öster reich ob der Enns seinen Beitritt zur Republik Österreich be schlossen hatte, erhielt es, nachdem es gleichsam namenlos als das Land ob der Enns durch Jahrhunderte existiert hatte, nun auch amtlich seinen heutigen Namen öberösterreich. Das alles ist nur das dürre Gerüst des äußeren Geschehens, welches das Werden dieses Raumes zwischen Enns und Inn, Böhmerwald und Dachstein, angefangen von den römi schen Stadtbezirken Wels und Lorch bis zum heutigen Bun desland öberösterreich erkennen läßt. Zwischen diesen Pfei lern aber fließt in reicher Fülle das geschichtliche Leben in all seiner Vielfalt. Schon in vorgeschichtlicher Zeit sind hier in öberösterreich bedeutende Kulturen zu Hause. Jene eigenartige Mischkultur der Pfahlbauern (3000-2000 v. Chr.) an den Gestaden der Salzkammergutseen erhielt ihren Namen nach dem Mondsee, und die Salzlager des Plassen machten Hallstatt zum Vorort und Namensgeber jener Hallstattkultur, deren Träger die reichen Salinenherren des Salzortes waren (1100—400). Noch heute kann der Besucher Hallstatts sich von dem hohen Stand dieser Kultur an den Funden des vor etwas mehr als hundert Jahren entdeckten Gräberfeldes am Salzberg überzeugen. Nach der illyrischen Hallstattperiode folgte um etwa 400 vor Christus die Besiedlung unseres Landes durch die Kelten. Durch sie hatte öberösterreich Anteil an dem großen kelti schen Staatsverband, den das Königreich Norikum im östalpenraum darstellte, dessen Hauptstadt Noreia gewesen ist und dessen Umrisse bereits in der römischen Literatur in Erscheinung treten. Dieses keltische Alpenkönigtum hatte in seiner Politik der Selbsterhaltung am Rande des sich immer mehr ausbreitenden römischen Imperiums ein Schutz- und Freundschaftsbündnis mit dem römischen Reich geschlossen — ein Bundesverhältnis, das die tatsächliche Abhängigkeit des norischen Staates von der Weltmacht Rom nur verdeckte. Erst zur Zeit des Kaisers Augustus (15 v. Chr.) fiel die Selb ständigkeit des Alpenkönigreiches, und das südliche Ober österreich gehörte damit dem römischen Reiche an. Damit be gann für öberösterreich eine römische Ära von einem halben Jahrtausend, die sich noch heute offenbart, wenn die Archäolo gen an den Stätten der alten römischen Siedlungen von övilava, in Lauriacum, in loviacum und Lentia, an der Be festigungslinie des Limes entlang dem Grenzfluß Danubius ihre Grabungen durchführen, eine Epoche, die sich an den römischen Quadrafluren, wie bei St. Georgen im Attergau, bei Kirchdorf an der Krems auch ohne den Spaten des Forschers zu erkennen gibt, eine Epoche, deren Kunststraßen bis in die Zeiten Maria Theresias die Linien für den inter nationalen Verkehr gleichsam vorzeichneten. Damals hat auch das Christentum im Lande seinen Einzug gehalten und der heilige Florian, der in der Enns im Jahre 304 den Martertod gefunden hat, war ein hoher römischer Provinzialbeamter.

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