Oberösterreich, 18. Jahrgang, Heft 2, 1968

lEO GESIOT Lebensbild eines Bürgermeisters von Hall aus der Zeit des Werdens zum Badekurort Nach Urkunden und Überlieferungen werden die unweit des heutigen Jodsolebades Bad Hall aufbrechenden salzig schmekkenden Jodsolequellen schon seit dem frühen Mittelalter ge nutzt. Die neuerdings als Fälschung einer späteren Zeit er kannte sogenannte Gründungsurkunde Kremsmünsters be richtet von einer in den Talgründen des Sulzbaches bestehen den Saline. Wohl kam diese mit der Wiederentdeckung der Salzbergwerke des Salzkammergutes zum Erliegen. Durch viele Jahrhunderte wurde das Wasser der bescheidenen Wie senquelle jedoch als wirksames Heilmittel gegen den in den Alpenländern weit verbreiteten Kropf verwendet. In Flaschen und Krügen sowie in Form des Kropfbrotes bis weit in die Steiermark versandt, wurde die Jodsolequelle des späteren Bad Hall so zu einer der ältesten Grundlagen unbewußter Jodtherapie des Kropfes auf europäischem Boden. Das wirtschaftliche Leben des seit dem 12. Jahrhundert als Siedlung von Handelsleuten und Handwerkern urkundlich belegten und von den Landesfürsten mit reichen Privilegien ausgestatteten freien Marktes Hall wurde durch dieses Quell vorkommen bis ins erste Viertel des 19. Jahrhunderts hinein kaum merkbar beeinflußt. Der inmitten eines dicht besiedel ten Bauernlandes gelegene Marktflecken war Sitz eines der größten Landgerichte des Landes ob der Enns und vieler HandWerkszünfte. Erst die josefinische Untertanenbefreiung scheint die wirtschaftliche und politische Lage des Ortes ver schlechtert zu haben. Wohl hatten diese Reformen die Stel lung der umwohnenden bäuerlichen Bevölkerung verbessert, das bürgerliche Gemeinwesen Hall verlor jedoch zugleich zahl reiche seiner altüberkommenen Vorrechte. Verheerende Feuersbrünste, fremde Besetzung, Verfall des Geldwertes brachten in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts zu sätzliche schwerste Belastungen für den Markt und seine Bürger. Umso mehr mußte das zu Beginn des 19. Jahrhunderts in Europa allerorts aufblühende Heilbäderwesen in Halls Bürgern die Hoffnung auf bis dahin ungeahnte Möglichkeiten wecken. Was in Karlsbad und Marienbad, in Gleichenberg und Ischl ebenso wie in vielen anderen, bisher kaum bekannt gewesenen Orten möglich geworden war, durfte auch für Hall nicht ausgeschlossen sein. Wohl waren nur wenige der Bürger des von den Hauptverkehrswegen abgelegenen Markt fleckens für solche Träume zu gewinnen. Diese wenigen aber verfochten zäh den Gedanken, daß die Quelle im Talgrund zur Grundlage eines Heilbades und damit eines wirtschaft lichen Wohlstandes für das verträumte Örtchen werden könnte. Die ersten Ideen dieser Art gingen nicht von Hall, sondern von einem Wundarzt im Nachbarort aus. Matthias Steppich war es, der — aufbauend auf den in Ischl gemachten Erfah rungen — in Pfarrkirchen chronische Entzündungen durch Badekuren zu heilen versuchte. Seine Erfolge ließen die Fach welt aufhorchen. Da durfte Hall nicht nachstehen. Am 7. Mai 1827 wurde dem Markt und dem Wundarzt Steppich vom Stift Kremsmünster die gemeinsame Benützung der Salz quelle genehmigt. 1828 eröffnete Alois Urlaub, bürgerlicher Lottokollektant im Hinterhaus des Gebäudes Hauptplatz 15 (Konskriptionsnummer 131), das erste Haller Badehaus mit 14 Kabinen. Die Gründung hatte einen guten Start, da der Linzer Apotheker Josef Pelikan um die Weihnachtszeit des Jahres 1827 eine Analyse der Quellwasser bekanntgegeben hatte, welche recht erhebliche Mengen des Wirkstoffes Jod auswies. Nun waren auch die Skeptiker bekehrt. Stolz ver zeichnete der Markt schon 1830 insgesamt 275 Kurgäste, die hauptsächlich von Wiener Ärzten gesandt waren, um durch Bade- und Trinkkuren Heilung von chronisch gewordenen Leiden zu suchen. Die Erfolge weckten die Aufmerksamkeit der europäischen Fachwelt. Immer neuere und genauere Analysen und eingehendere Berichte über Heilergebnisse, ja sogar eine Reihe von Dissertationen wurden über Hall ver öffentlicht. Für den Ort selbst war die weitere Entwicklung durch Zwistigkeiten zwischen den beiden Badeinhabern ebenso wie durch Schwierigkeiten mit der das Salzregal wahrenden Hof kammer gehemmt. Eine gründliche Änderung trat erst ein, als die oberösterreichischen Landstände auf dringende Bitte der Haller Bürgerschaft die Quelle im Talgrund in ihre Obhut nahmen und den bis dahin bescheidenen Marktflecken zum Heilbad des Landes Oberösterreich ausbauten. In diesen Jahren, in denen sich Hall — es hatte im Jahre 1806 insgesamt 126 Häuser — anschickte, aus einer Siedlung von Ackerbürgern zum Heilbad zu werden, stand ihm als Bürger meister ein Mann vor, in dessen Schicksal und Gesinnung sich die großen weltgeschichtlichen Auseinandersetzungen der Jahrhundertwende widerspiegelten. Dieser an den Universi täten von Douai und Wien ausgebildete Wundarzt hatte an den ersten Bemühungen um den Ausbau Halls zum Heil bad zweifellos einigen Anteil, wenngleich er leider in der seinem Sohn hinterlassenen Autobiographie darüber nichts berichtet. Zu sehr standen in jener Zeit andere Ereignisse im Vordergrund seiner Schilderungen*. Diese aber sprechen vom Schicksal eines Mannes, der als junger Student sein französisches Vaterland als Gegner der Revolution verlassen mußte und nach 20jährigem Leben als Flüchtling in Hall ein Heim, Aufgabe und Ansehen, aber trotzdem nicht das er sehnte Glück fand. So ist die Lebensgeschichte des im Jahre 1771 in Parbencon (Barbasane) in Frankreich geborenen und 1853 in Linz ver storbenen Leo Geslot wie selten eine andere ein Stück Zeitdokument der Wende des 18. zum 19. Jahrhundert, zu gleich aber auch ein interessantes Stück Lokalgeschichte des Raumes von Hall. Geslot, der nach dem frühen Tode seines Vaters gemeinsam mit drei Geschwistern im Hause seines Onkels, eines „lieben und sanftmütigen Pfarrherrn", aufwuchs, besuchte — zum Arzt ausersehen — die Universität Douai. Da aber griff das gewaltige äußere Ereignis der Französischen Revolution in das Schicksal des jungen Studenten ein, der von da an jahrelang das Leben eines Emigranten führte, wie es vor und nach ihm Millionen Menschen erleiden mußten. Es war ein langer und mühsamer Weg bis zur Endstation Hall. Am Beginn des Weges noch trug die Magd den „Buckel korb mit Tischwäsche und dem Silberzeug, bestehend aus 60 Paar Eßlöffel und Gabeln, dazu mehrere Schöpfer, Vorlege löffel und etwa 60 Kaffeelöffel. Das war der Notpfennig. So lange sie noch genügend Silber oder Gold hatten, gaben sie dieses her. Als dieses ausgegeben war, mußten sie das Silber- *) Handschriftliche Autobiographie, verwahrt in der Bibliothek des Stiftes Kremsmünster

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