Oberösterreich, 18. Jahrgang, Heft 2, 1968

eigentlich erst 1804: Kaisertum Österreich. Ungarn war von der absolutistischen Neuordnung ausgenommen. Hier bestand nicht nur formell eine ständische Verfassung, sondern Ungarn blieb auch der Realität nach ein wirklicher Ständestaat. Das Experiment Josephs II., unter Einbeziehung Ungarns einen Einheitsstaat zu schaffen, ist gescheitert. Leopold II. mußte zum Status quo zurückkehren. In dieser Entwicklung liegt die Wurzel für den späteren Dualismus der österreichisch ungarischen Monarchie. Seit 1526 setzte sich der habsburgische Territorialbesitz aus den österreichischen Erbländern, den Ländern der Wenzels krone (Böhmen und seine Nebenländer) und aus den Ländern der Stephanskrone (Ungarn und seine Nebenländer) zu sammen. Diesen komplizierten Aufbau der Monarchie spie gelte die landesfürstliche Behördenorganisation' wider. Die moderne, auf einer verstärkten Heranziehung von gelehrten Juristen als Berufsbeamten basierende Verwaltung ist in Österreich ein Werk Maximilians I. und seines Enkels Fer dinand I. Die von diesen Herrschern geschaffene Organisation blieb bis zur Neuordnung unter Maria Theresia bestimmend und übte nachweisbar auch auf andere deutsche Territorien Einfluß. Die Behördenreform Maximilians I. geht nicht nur, wie man einst angenommen hat, auf das Vorbild des Be hördenwesens in Burgund, das Maximilian als Regent an Ört und Stelle kennengelernt hatte, und in Frankreich zurück. Es ist auch durch die bodenständigen Einrichtungen, und hier vor allem durch die hochentwickelte Tiroler Organisation, nachhaltig beeinflußt worden. Nach der örtlichen Zuständigkeit der Behörden gliederte sich der landesfürstliche Verwaltungsapparat in die gemeinsamen Zentralstellen, die Mittelbehörden für die Ländergruppen und schließlich in die Landesbehörden. Für die Zentralverwaltung, die unter Maximilian 1. noch nicht zu einer bleibenden Ord nung gelangt war, schuf die Hofstaatsordnung Ferdinands 1. von 1527 den Hofrat, den Geheimen Rat, die Hofkanzlei und die Hofkammer. Dazu kamen seit 1556 der Hofkriegsrat als oberste Militärbehörde, der auch die politischen Beziehungen zur Türkei unterstanden, und seit 1659 die Geheime Kon ferenz, eine Abspaltung des Geheimen Rates. Im Gefolge der Länderteilung von 1564 entstanden eigene innerösterreichische und oberösterreichische Zentralbehörden'". Als solche wurden in Graz und in Innsbruck je ein Hofrat, ein Geheimer Rat, eine Hofkanzlei und eine Hofkammer, in Graz obendrein ein innerösterreichischer Hofkriegsrat eingerichtet. Diese Behör den überdauerten zum Teil und mit beschränkteren Befug nissen sogar die Wiedervereinigung Innerösterreichs und Oberösterreichs mit der übrigen Monarchie. Sie wurden erst unter Joseph I. beseitigt. Die österreichischen Erbländer waren verwaltungsmäßig in drei Gruppen gegliedert: in die niederösterreichischen Länder (bestehend aus Osterreich ob und unter der Enns, Steiermark, Kärnten und Krain), die oberösterreichischen Länder (Tirol und die Vorlande) sowie in Vorderösterreich (die habsburgischen Besitzungen im Elsaß und in Schwaben). Für jede dieser Ländergruppen bestand seit Maximilian I. ein Regiment (Regierung) als kollegial organisierte Behörde für die Justiz und die allgemeine Verwaltung. Das niederösterreichische Regiment hatte seinen Sitz zuerst in Enns, dann in Linz und endlich ab 1510 für dauernd in Wien. Das oberösterreichische Regiment war in Innsbruck eingerichtet. Für Vorderösterreich gab es in Ensisheim ein Regiment, das aber weitgehend der Innsbrucker Regierung unterstand und nur eine Art Außen stelle von dieser bildete. Neben den Regimenten gab es in Wien und in Innsbruck je eine Kammer als Sonderbehörde für die Finanzverwaltung und die Rechnungskontrolle. Die Kammern waren ebenfalls kollegial organisiert. Unter den Regimenten und Kammern standen die landes fürstlichen Behörden in den einzelnen Ländern. Ebenso wie die Mittelinstanz beruhte auch die Landesverwaltung auf dem Prinzip der Trennung des Finanzwesens von der übrigen Administration. Als Vertreter des Landesfürsten fungierten in den Ländern der Landeshauptmann (in Osterreich unter der Enns der Landmarschall) und der Vizedom. Ein Oberblick über die Verwaltungsorganisation der öster reichischen Länder wäre aber einseitig und unvollständig, wollte man sich dabei nur auf die landesfürstlichen Behörden beschränken. Allerlanden hat nämlich auch der zweite Faktor des Landes, das Ständetum, einen eigenen Amtsapparat auf gebaut". Die Errichtung neuer Behörden durch Maximilian 1. und ihre Besetzung mit besoldeten, vom Landesfürsten ab hängigen Beamten waren nicht ohne Rückwirkung auf die Landstände geblieben. Als sich herausstellte, daß die Regimente nicht nur als eine vorübergehende Maßregel für die Zeit der Abwesenheit Maximilians, sondern als auf Dauer eingerichtete landesfürstliche Behörden anzusehen waren, ver suchten die Landschaften zunächst, darin festen Fuß zu fassen und sie ihren Zwecken dienstbar zu machen. Trotz ver schiedener Konzessionen, die er im einzelnen einräumen mußte, gelang es Maximilian aber, den Charakter der neuen Behörden als Instrumente des Landesfürsten zu erhalten. Im Gegenzug kommt es nun überall in den Ländern zum Aufbau einer eigenen landschaftlichen Verwaltung. Die Landes gemeinde, die im Mittelalter noch eher einen losen Verband gebildet hatte, beginnt sich am Anfang der Neuzeit zu organi sieren, sie entwickelt sich zur Korporation. Als sinnfälliges Zeichen nach außen hin und als fester Mittelpunkt des ständi schen Körpers entstehen im 16. Jahrhundert überall die Landhäuser. In dem von Auseinandersetzungen mit dem Fürstentum erfüllten 16. Jahrhundert bedeutete das land schaftliche Behördenwesen eine außerordentliche Stärkung der ständischen Position. Damit stand den Ständen der not wendige bürokratische Apparat zur Verfügung. Durch den Aufbau eigener ständischer Behörden beginnt jene Zweigeleisigkeit, der Dualismus von landesfürstlicher und land schaftlicher Verwaltung, der bis 1848 bestand und darüber hinaus in Österreich sogar noch bis 1925 fortwirkte'^. II. Das Land ob der Enns A. Landesfürstliche Verwaltung 1. Die Einrichtung der Hauptmannschaft ob der Enns" geht auf die Mitte des 13. Jahrhunderts zurück. Eigene Landrichter, die als Vorläufer dieses Amtes angesehen werden können, kennen wir im Traungau schon unter den letzten Baben bergern. Zwischen 1254 und 1256 setzte Ottokar II. von Böhmen für Österreich ob der Enns einen obersten Stell vertreter in Gericht und Verwaltung ein. Je nach seiner Tätigkeit führte dieser Amtsträger anfangs bald den Titel eines Landrichters (iudex provincialis), bald den eines Haupt mannes (capitaneus). Um die Mitte des 14. Jahrhunderts wurde der Hauptmannstitel dann ständig, die Bezeichnung „Landrichter" geht auf einen dem Hauptmann unterstehenden Beamten über. Von einem „Landeshauptmann" ob der Enns hören wir zum ersten Mal im Jahre 1478. In der Folge bürgerte sich diese Benennung ein und blieb schließlich seit dem Anfang des 16. Jahrhunderts der endgültige Titel des obersten Stellvertreters des Landesherrn in Österreich ob der Enns. Ihren ständigen Sitz hatte die Hauptmannschaft ur sprünglich in der Ennsburg. Um das Jahr 1330 wurde er von dort in die landesfürstliche Burg nach Linz verlegt. Das Amt des Landeshauptmannes umfaßte sowohl richter liche Aufgaben als auch solche der Verwaltung. Nicht in seine Kompetenz fiel jedoch das Finanzwesen. Es war einem be sonderen Beamten übertragen. Auch die militärischen Auf gaben des Landeshauptmannes, von denen sich wohl der Hauptmannstitel herleitet, traten in der Neuzeit gegenüber

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