Oberösterreich, 18. Jahrgang, Heft 2, 1968

Gerhard Putschögl Die oberösterreichische Landesverwaltung in der Neuzeit Aufnahmen: M.Eiersebner I. Allgemeines Die Monarchie des Hauses Österreich, zu der das Land ob der Enns' gehörte, war kein einheitlicher Staat im modernen Sinn^. Sie bestand aus dem Territorialkomplex, den die Habsburger im späteren Mittelalter und zu Beginn der Neu zeit in ihrer Hand vereinigt haben. Eine Mehrheit von Län dern wurde durch die Person des gemeinsamen Herrschers, der in ihnen allen zugleich Landesherr war, zusammengehal ten. In ihrer inneren Struktur unterschieden sich die einzelnen Territorien oft beträchtlich, da die überkommenen Formen auch nach dem Erwerb weitgehend bestehen blieben. Gemein sam war ihnen aber die ständische Verfassung. Sie waren „Länder" im Sinne der damaligen Rechtsanschauung, der Staatsverband, den sie durch die Gemeinsamkeit des Landes herrn bildeten, eine monarchische Union von Ständestaaten. Zum Wesen des Landes'' gehört nicht nur der Herrscher, sondern auch eine mit diesem zusammen handelnde Heeres und Gerichtsgemeinde, die adeligen Landleute. Ohne die Mit wirkung der adeligen Landesgemeinde als Gerichtsgemeinde kann der Herrscher nicht Recht sprechen. In ihren Gerichts versammlungen bildet sich ein spezifisches Landrecht des be treffenden Landes aus. Landesgemeinde und ein eigenes Landrecht sind die Faktoren, die zusammen mit dem Landes herrn das Land als Ganzes ausmachen. Darum beriefen sich auch 1518 in dem Präzedenz- und Sessionsstreit mit den Innerösterreichern'' die Stände von ob der Enns zugunsten des selbständigen Landescharakters ihres Gebietes darauf, daß „diz Lannd ob der Enns gleich sowoll als die andern Land Steyr, Kharnndtn und Crain ainen sondern Landshaubtman, Gericht und Recht albeg gehabt und noch haben"^. In der Tat bedeuteten die Errichtung der Hauptmannschaft ob der Enns in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts und die damit verbundene Ausbildung einer eigenen Gerichts gemeinde ob der Enns einen wichtigen Schritt im Werden des Landes. Mit der dauernden Absonderung der Landleute ob von jenen „niederhalb" der Enns, die sich im Verlauf des 15. Jahrhunderts vollzogen hat, kam dann die Landesbildung zum Abschluß". Die adelige Landesgemeinde besteht aus den Herren von Herrschaften, die für ihren Bereich selbst Hoheitsrechte inne haben, Obrigkeit sind. Sie gliedert sich in die Herren und in die Ritter und edlen Knechte. Mit dem Entstehen der Land tage seit der Wende des 14. Jahrhunderts treten zu den adeli gen Landleuten die Prälaten und die landesfürstlichen Städte, in Tirol obendrein die Täler und Gerichte. Als Vorstände der landsässigen Klöster üben auch die Mitglieder des Präla tenstandes Grundherrschaft aus. Zwischen dem Landesherrn und den Landständen, der Land schaft, besteht ein gegenseitiges Treueverhältnis. Sein Inhalt ist die wechselseitige Verpflichtung zu Schutz und Schirm sei tens des Landesfürsten und zu Rat und Hilfe von selten der Stände. Begründet wird diese mutua obligatio anläßlich des Regierungswechsels bei der Erbhuldigung durch den Treueid der Landleute und den Eid des Landesherrn, das Recht zu wahren. Damit verbunden ist die Bestätigung der hergebrach ten ständischen Freiheiten. Landesherr und Landleute treffen sich im gemeinsamen Handeln in Heer und Gericht. Ihr Verhältnis erschöpft sich aber nicht im Miteinanderhandeln. Im Miteinanderverhandeln treten sie einander auch gegen über. Dabei geht es regelmäßig um die Verwirklichung der Pflicht der Landleute zu Rat und Hilfe, vor allem um die Be willigung von Steuerleistungen durch die Stände. Daraus er wächst die dauernde Institution der Landtage. Die vereinigende Klammer, welche die Länder der Monarchie des Hauses Osterreich zusammenhielt, war der gemeinsame Herrscher. Durch die Schaffung eines modernen, über die einzelnen Länder hinausgreifenden Behördenapparates be gann das Landesfürstentum, diese Verbindung zu institutiona lisieren. Gleichwohl blieb aber nach wie vor die Person des Herrschers der entscheidende Faktor. Den Zusammenhalt der Länder garantierte allein das Thronfolgerecht. Das zeigte sich noch im 16. Jahrhundert mit aller Deutlichkeit, als es nach dem Tode Ferdinands 1. 1564 zu einer Teilung der Länder kam. Innerösterreich (bis 1619) sowie Tirol und Vorderösterreich (bis 1665) wurden von der übrigen Monar chie abgetrennt. 1584 wurde Innerösterreich auch in die Zahl der Reichsstände aufgenommen'. Eine wirkliche Einheit konn ten die in der Hand eines Herrschers vereinigten Länder in der Zeit der Ständemacht nur dann werden, wenn zur Ge meinsamkeit des Monarchen auch eine einheitliche ständische Vertretung kam. Neben der monarchischen war die ständische Union notwendig. Ansatzpunkte hierfür hat es auch im Be reich der habsburgischen Länder gegeben. Aber aus den Länderversammlungen der General- und Ausschußlandtage ist keine ständige Institution geworden". Zu Beginn des 17. Jahrhunderts kommt es dann zwischen dem Landesfürstentum und den Ständen zu der entschei denden Auseinandersetzung. Der zwischen dem nach dem modernen Staat strebenden Landesfürstentum und den partikularistisch eingestellten Ständen bestehende Interessengegen satz, der durch das konfessionelle Moment noch eine zusätz liche Akzentuierung und Zuspitzung erfahren hatte, ließ an die Stelle des Miteinander ein Gegeneinander treten. Der Konflikt endete bekanntlich mit der Niederlage der Stände. In der Folge regierte das siegreiche Fürstentum wohl de facto in allmählich zunehmendem Maß absolutistisch, ließ aber die alten ständischen Formen aufrecht. Allerdings wurde ihnen ihr Inhalt sukzessive entzogen. So blieb die Monarchie auch nach 1620 und bis 1848 eine Union von Ländern mit ständischer Verfassung. Gemeinsam war allen Ländern der Herrscher, der für eine gemeinsame Außenpolitik sorgte und ein gemein sames Heer unterhielt. Einen Gesamtstaat gab es nicht. Seit 1713 bildete die Pragmatische Sanktion das Einheitsband der Monarchie und blieb es bis 1918. Interessant ist, daß die Tiroler Stände, welche auch die Teilung von 1564 begrüßt hatten, noch bei der Annahme der Pragmatischen Sanktion im Jahre 1720 zunächst den — dann allerdings wieder fallen gelassenen — Wunsch nach einem eigenen Landesfürsten oder zumindest nach einem eigenen Gubernator im Land äußerten. Seit Maria Theresia ging im Westen der Monarchie der Absolutismus mit Erfolg daran, einen einheitlichen, die öster reichischen und die böhmischen Länder umfassenden Ver waltungsstaat aufzubauen. Dieses Ziel wurde durch Maß nahmen der Verwaltung, wie vor allem die Aufhebung der böhmischen Hofkanzlei (1749), verfolgt. Die Verfassungen der einzelnen Länder hob man nicht auf. Das auf diese Weise geschaffene Staatsgebilde hatte aber keinen eigenen Namen. Diesen erhielt die Monarchie des Hauses Osterreich

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