Oberösterreich, 18. Jahrgang, Heft 2, 1968

Abb. 6 Grabstein eines Soldaten der legio II Italica aus der zwei ten Hälfte des 4. Jahrhunderts n. Chr. aus Lentia-Linz. •g'Äi '.mv ' gen Kirchenpatrones, des stadtrömischen Märtyrers Lauren tius, kamen, während die sterblichen Überreste der einheimi schen Blutzeugen nunmehr gesondert bestattet und verehrt wurden. Severin war, wie wir aus seiner Vita wissen, ein großer Reliquienfreund, einmal übernimmt er sogar Partikel der mailändischen Stadtpatrone Gervasius und Protasius, die über die Alpen gekommen waren, und es ist nicht aus zuschließen, daß die Wiederherstellung der ersten Lorcher Basilika zur ersten Laurentiuskirche am Platz ihn zum Initia tor hat. Jedenfalls gibt es in Orten, die mit Severin verbunden sind, alte Laurentiuspatrozinien, außer Lauriacum in loviacum (Aschach an der Donau) und Quintanis (Künzing in Bayern). Vom Blockaltar der Basilika des 5. Jahrhunderts wurde ein Stückchen der marmornen Mensaplatte gefunden, auf dem noch ein skurriler Paradieses-Apfelbaum mit einer ebenso wunderlichen Paradiesesschlange zu sehen sind. Der Baum soll eine Palme sein, wie sie z. B. als himmlische Flora auf Sarkophagen vorkommt — eine wirkliche hat der einheimische Steinmetz nie gesehen —,von einem klassischen Schlangenkopf weiß er ebenfalls nichts mehr, es ist aber trotz allem ein unerhörter Fund, da er ein provinziales plastisches Schaffen noch aus einer Zeit bezeugt, die für uns diesbezüglich bislang völlig außer Betracht stand. Lauracium-Lorch/Enns hat im 5. Jahrhundert der einstigen Hauptstadt von Ufernoricum, Ovilava-Wels, von der wir in der Vita S. Severini nichts mehr hören, längst den Rang abgelaufen, das unzerstörte Legionslager wird zum letzten Stützpunkt Roms an der Donau. Aber auch nicht mehr in militärischer Hinsicht, sondern als Auffangplatz aller heimat vertriebenen Romanen, die die germanische Expansion von Ost und West her schließlich hier zusammengedrängt hat. Mit der Räumung auch von Lauriacum endet die Römerzeit Ober österreichs, die Flüchtlinge ziehen unter Führung des hl. Seve rin nach Niederösterreich ab, von wo sie schließlich, soweit auswanderungswillig,488 auf Befehl des neuen Herrn Italiens, Odoaker, nach dorthin rückgeführt werden. Der Leichnam des sechs Jahre vorher verstorbenen Heiligen wird im Treck mit genommen, als „homo Latinus" hat er den Wunsch, nach einem langen, schweren Leben in der Fremde in der Heimat erde auszuruhen. Oberösterreichische Kirchen und Klöster tradieren das römer zeitliche Erbe. Aus der frühchristlichen Basilika von Lorch erwächst um 800 eine karolingische Kirche, die noch immer die alten Märtyrer kennt und verehrt, die Benediktinerstifte Kremsmünster (777) und Lambach (1056) fußen auf monu mentalen römischen Grabbauten, und auch in der Vorhalle der ehemaligen Stiftskirche von Mondsee (748) sind vier römische Grabsteine eingemauert. Noch weiter in die Zeiten reicht die frühmittelalterliche Florianslegende. Der Leichnam des in der Enns umgekommenen Märtyrers wird unter wunderbaren Begleiterscheinungen von einer frommen Frau aufgefunden und auf einem Ochsengespann nach seinem Bestattungsort St. Florian übergeführt. Am Wege dorthin können die ermüde ten Zugtiere nicht mehr weiter, da entspringt auf das Gebet der Begleiterin eine Quelle zur Labung, ,,die noch heute fließt". Die Stelle des Quellwunders bezeichnet das Markt kirchlein St. Johann Baptist, dessen Vergangenheit nach neue sten Forschungen allerdings in einem anderen Licht erscheint. Unweit davon wurde vor einigen Jahren ein römerzeitlicher Reliefstein vom Anfang des 3. Jahrhunderts mit einem gerü steten Krieger gefunden, der sich als sogenannter keltischer Mars erwies (Abb. 5). Dieser Mars übertrifft den römischen bei weitem an Funktionsumfang, er ist u. a. Stadt- und Stam mesgott, Beschützer des einzelnen und der Sippe, Himmelsgott und Geleiter der Toten, ganz besonders aber Herr der heilen den Wasser. Sein Bild war einst an der Segensquelle des Tauf kirchleins aufgestellt, das somit auf ein keltisches Wasser heiligtum zurückgeht. Der Mars dieses Kultes war Ahn und Vorkämpfer der Kelten von Lauriacum, der große Schützer des stets gefährdeten Donaulimes. Als ebensolcher Wächter abendländischer Gesittung und Kultur ist aber auch der hl. Florian in seiner karolingischen Legende gedacht, nur jetzt mit einer Frontwendung zur awarenbedrohten Ennsgrenze. So steckt in der christlichen Wundererzählung in Fortsetzung der historischen Realität des Märtyrers von Lauriacum letzten Endes noch der Mythos des vorrömischen Heidengottes, der dadurch auf geheimnisvoll versponnene Weise an der Grün dung des Stiftes St. Florian teilnimmt. Rechts oben: Gerichtsbrief des Konrad von Sumerau (Chunradus de Sumerawe) vom 1. Juli 1264, Landrichter von Oberösterreich (Ivdex prqvintie Austrie superioris). Orig. auf Pergament mit Siegel im Oö. Lan desarchiv, Stiftsarchiv Garsten; Urkundenbuch des Landes ob der EnnS/ Bd. 3, 5. 321.

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