Oberösterreich, 18. Jahrgang, Heft 2, 1968

Abb. 5 Kultbild des keltischen Mars von Lauriacum-Lorch/Enns aus St. Florian vom Anfang des 3. Jahrhunderts n. Chr. Durch Bodenfunde wissen wir vom arm und gefahrvoll gewordenen Leben der Provinzialen Oberösterreichs im 4. Jahrhundert, FLaus und Hausrat sind von einer uns heute kaum mehr begreiflichen Primitivität, aus zertrümmertem Alten wird Neues zusammengeflickt, Inschriften, immerhin ein Gradmesser für geistige Muße und einen, wenn auch bescheidenen Bildungsstand, gibt es kaum mehr, Brandschutt und Scherben sprechen von sozusagen alltäglich gewordenem Feindüberfall und gewaltsamem Tod. Aber in aller Not lebt der Mensch, das Reich wird an der Donau verbissen weiter verteidigt, ein bildliches Zeugnis dieses heroischen Abwehr kampfes, geformt aus künstlerischem Unvermögen und einem neuen inneren Leben zugleich, hat sich erhalten. Es ist der Grabstein eines einfachen Soldaten der legio II Italica aus Lentia-Linz der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts, der, für die Austria Romana einzigartig, nur mehr im Grabrelief eines Infanteristen der legio VIII Augusta in Straßburg seine uniforme wie ideelle Entsprechung findet (Abb. 6). Hoch- auf gereckt hält der Legionär einsam Wacht, Helm, Kettenhemd, Schild, Schwert, Lanze und ein Mäntelchen bilden seine Feld adjustierung, es ist das alles ganz schlicht und naturgetreu nachgebildet, aus dem maskenhaften Antlitz mit den weit aufgerissenen Augen meinen wir aber etwas vom Geist der Grenzprovinz zu spüren, in der man trotz letzten Wissens um den Untergang seine Pflicht tat. Kaiser durchquerten bei ihren militärischen Unternehmungen Oberösterreich, vom Konstantinssohn Constantius II und von Gratian wissen wir, daß sie in Lauriacum weilten (341 und 378 n. Chr.), und ein kaiserliches Monument ist uns auch aus dieser Stadt überkommen. Ein Marmorköpfchen mit Diadem stellt den zehnjährigen Kronprinzen Konstantin II dar, der im Hochrelief, zusammen mit seinem Vater Konstan tin d. Gr. und seinen jüngeren Brüdern, ein Denkmal schmückte, das die Stadt Lauriacum dem Kaiser zu seinem zwanzigjährigen Regierungsjubiläum (vicennalia) im Jahre 326 n. Chr. gewidmet hat. Es ist, abgesehen von den Münz bildern und einer Porträtstatue in Rom, das einzige authen tische Porträt des Konstantinssohnes und als solches in jeder Hinsicht von europäischer Bedeutung. Um die Wende zum 5. Jahrhundert wuchs der Feinddruck von Ost und West auf das heutige Oberösterreich, von Osten fielen längs der Donau die Vandalen ein, von Westen rückte die Alamannengefahr näher, und als 433 das Wiener Becken und das Burgenland von Reichs wegen an die Hunnen ab getreten wurden, war der Einfluß Roms an der Donaugrenze auf den Abschnitt vom Wienerwald bis etwa Quintanis (Künzing westlich von Passau) zusammengeschrumpft. 451 zogen Attilas Horden durchs Donautal nach Gallien und, nach der Niederlage auf den katalaunischen Feldern, denselben Weg wieder zurück, mit dem Tode des Hunnenführers 453 beginnt dann die eigentliche Epoche der „Völkerwanderung". In jener chaotischen Zeit, in der die administrative und mate rielle Verbindung mit Italien nur mehr eine lose war, tritt um 450/60 im Osten der Rom noch verbliebenen Donaustrecke ein Laienmönch auf, der allein kraft seiner Persönlichkeit, seines diplomatischen Geschickes und seiner Vorbildlichkeit den völligen Zusammenbruch der römischen Herrschaft am Grenz strom noch um eine Generation hinauszuzögern vermochte, der hl. Severin. Niemand wußte, woher er kam, in wessen Auftrag er handelt, er war einfach als geistlicher Führer und Wundertäter immer da, wenn es galt, praktische Nächsten liebe zu üben, das Gottvertrauen der bedrängten Bevölkerung zu stärken und zwischen Romanen und Barbaren zu vermit teln. In Oberösterreich sind zwei Orte mit seinem Wirken «Ii verknüpft, loviacum (Aschach an der Donau), das er vor einem Germanenüberfall vergeblich warnen läßt, und Lauria cum, wo er einige Male weilt, durch Weissagung einen feind lichen Handstreich auf die Stadt, die bereits mit dem Legions lager identifiziert erscheint, vereitelt und in einer Basilika öl an die Armen verteilt, das sich wunderbar vermehrt. Die Basilika des ölwunders kennen wir, es ist die Kirche des in der Vita S. Severini genannten Bischofs Constantius, die Nachfolgerin der ersten Lorcher Basilika des 4. Jahrhunderts. Diese hatte vermutlich durch die Hunnenzüge Schaden gelit ten und wurde im Inneren neu adaptiert. Die alte Heizung funktionierte längst nicht mehr, und an die Stelle des Steinkistenaltares mit den Lauriacenser Märtyrerreliquien tritt jetzt ein durchgemauerter Blockaltar. Die Gebeine, die bei der Brandschatzung verstreut und teilweise angesengt wurden, werden in derselben Steinkiste wieder gesammelt, mit einem Leinentuch, das in Resten noch vorhanden ist, umhüllt und knapp östlich des Blockaltares im Fußboden wieder bestattet. Der Grund für die Trennung von Reliquiar und Altar lag darin, daß in den Altar die Reliquien eines neuen, des heuti-

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