Oberösterreich, 18. Jahrgang, Heft 2, 1968

.rSyiEiäiil Stifter hier seine letzten Werke schuf und Anton Bruckner seine Symphonien schrieb, begann im Lande Oberösterreich ein leidenschaftlicher politischer Kampf zwischen einer mäch tigen bürgerlich-liberalen Bewegung und den katholisch-kon servativen Kräften. Der Linzer Bischof Franz Josef Rudigier ist die bedeutendste Erscheinung dieser klassischen Zeit des jungen oberösterreichischen Parlamentarismus. Zu den libera len und katholischen Gruppen gesellten sich erst wesentlich später die sozialistischen. Daß sie im Landtag erst 1909 auf scheinen, hängt natürlich mit dem Kurienwahlsystem zu sammen. Als unmittelbar nach dem Zusammenbruch des alten kaiserlichen Österreich, nach dem Beitritt Oberöster reichs zur neuen Republik, der oberösterreichische Landtag auf Grund des demokratischen Verhältniswahlrechtes gewählt wurde, da war die uns heute geläufige Gliederung in drei politische Gruppen bereits voll ausgebildet. Mit diesem republikanischen Oberösterreich von 1918 beginnt auch im Bereich der Landesgeschichte jene Phase, da Ver gangenheit und Gegenwart sich zu berühren beginnen, die sogenannte Zeitgeschichte. Der Mensch ist hier Zeitgenosse geschichtlicher Ereignisse, er hat selber diese Zeit mitgestaltet durch sein bloßes Sein oder durch aktives Handeln, er hat an seinem eigenen Schicksal die Kraft der Geschichte erlebt und steht ihr noch subjektiv gegenüber. Auch die Landes-Zeitgeschichte Oberösterreichs zeigt ganz bedeutende Aspekte: Ich erinnere nur daran, daß hier in Oberösterreich am 12. März 1938 Hitler in Linz das Anschlußgesetz unter zeichnete, daß in dieser Phase die so entscheidende Industriali sierung des Landes erfolgte, das bis dahin noch immer seinen alten agrarischen Charakter an sich hatte, ich weise darauf hin, daß am Schluß des zweiten Weltkrieges in unserem Lande an der alten Ennslinie Ost und West aneinandertrafen, daß schließlich das alte Land ob der Enns von zwei Welt mächten in zwei Besatzungszonen aufgeteilt wurde und daß die ungeheure Kraft des Landesbewußtseins damals trotz dieser Zerreißung in zwei Zonen die Einheit des Landes bewahren konnte. Damals, in diesen schicksalhaften Jahren unmittelbar nach dem zweiten Weltkrieg, hat gleichsam die ganze geschichtliche Vergangenheit des Landes ob der Enns sich ausgewirkt und mitgeholfen, Norden und Süden Ober österreichs über die damals trennende Donau hinweg zu sammenzuhalten. Damit sind wir dem großen Bogen gefolgt, der sich von der ältesten Zeit unseres Landes bis heute spannt. Es war nur eine Skizze und wollte auch nicht mehr sein. Es war jedoch ein Blick zurück, den gelegentlich auch der Mensch von heute machen soll. Denn die Geschichte ist eine gewaltige Kraft, die in der Gegenwart weiterwirkt. Hatten die alten Römer von ihr als von der Lehrmeisterin des Lebens gesprochen, wußte Nietzsche von Nutzen und Nachteil der Historie für das Leben zu berichten, so haben wir das sichere Gefühl, daß die Geschichte — ja die Vergangenheit selbst als ein Regulativ des Geistes der Gegenwart wirkt und daß gerade für unser Zeitalter des Hastens und der inneren Unruhe dieses Gegen gewicht der Besinnung, die uns die Geschichte vermittelt, zu der sie uns zwingt,besonders heilsam ist. 'tr ; 't-Rh". • saii ü-« V ■ -'4' ' m ■if: Die politische Geschichte des Landes wurde bis zur Gegenwart oft von Krieg und Kriegsgefahr gezeichnet. — Einsames Franzosen kreuz in der Landschaft um St. Florian.

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