Diese Tausendfältigkeit spiegelt sich im kleinen auch im oberösterreichischen Mittelalter. Sie steigerte sich noch in der Spätzeit, in den letzten Jahrhunderten des Mittelalters; fromme Stiftungen sorgten für das Jenseits und sollten auch zur Erfüllung irdischer Wünsche helfen. Sie waren eine Quelle der Kunstentwicklung, und wie die Bürger in ihren Pfarrkirchen Jahrtage und Messen stifteten, so ließen reiche Adelige ganze Klöster entstehen, wie Eberhard von Wallsee um 1350 etwa das Frauenkloster Schlierbach stiftete. Andere ließen kunstvoll geschnitzte Altäre für ihre Adelskirchen ver fertigen, wie jener Christoph von Zelking an der Schwelle der Neuzeit den berühmten Kefermarkter Altar. Nun war dieser Herbst des Mittelalters in Oberösterreich nicht nur ein Zeitalter kleinräumiger Stille, bürgerlicher Baufreudig keit, ein Zeitalter der Werkheiligkeit von fast barocker Oberfülle der Formen, eine Zeit zahlreicher Wallfahrten etwa nach St. Wolfgang, wo der Mondseer Abt Benedikt Eck den Tiroler Fächer mit der Herstellung des berühmten Altares betraute, es gab daneben auch Fehden, feindliche Einbrüche, Krieg und Not. Die tschechischen Hussiten etwa drangen dreimal — 1424, 1427, 1432 — ins Mühlviertel ein und die noch heute übliche Vierteleinteilung des Landes wurde damals aus militärischen Gründen geschaffen. Die Zwistigkeiten innerhalb des habsburgischen Hauses bedeuteten im 15. Jahr hundert Unruhe und ständige Verwirrung. Der Vorstoß der Ungarn nach Niederösterreich unter Matthias Corvinus war die Ursache, daß die Landeshauptstadt Linz dem Römischen Kaiser Friedrich III. als Fluchtresidenz diente. Hier starb dieser Herrscher des AEIOU, der seinen unerschütterlichen Glauben an Österreich in dieser Devise bekundete. Sein Herz wurde in der Linzer Stadtpfarrkirche beigesetzt. Er war der Vater Kaiser Maximilians L, der an der Zeitenwende um 1500 der Herr unseres Landes war. Als Maximilian 1519 in Wels starb, war bereits eine neue Zeit angebrochen. Dieses 16. Jahrhundert ist in Oberösterreich vor allem durch zwei Momente gekennzeichnet: durch das Eindringen und die Ausbreitung des Protestantismus und durch die ständige Türkengefahr, die auch das Schicksal Oberösterreichs sehr wesentlich mitbestimmte. Adel und Städte des Landes wandten sich frühzeitig dem neuen Evan gelium zu. Luthers Wort, das er an Dorothea Jörger nach Tollet bei Grieskirchen schrieb: „Bei euch ist Hunger und Durst nach dem Evangelium", zeugt von der Innerlichkeit, mit der im Lande ob der Enns die neue Lehre ergriffen wurde. Anläßlich des ersten Bauernkrieges 1525 forderten die Stände vom jungen, aus Spanien kommenden Erzherzog Ferdinand die „lautere Predigt des Evangeliums". Dem katholischen Landesfürstentum standen die evangelischen Landstände als Gegenpol gegenüber. Die Türkennot zwang die Habsburger stets, die Stände um Steuerbewilligungen anzugehen, die hie für immer Zugeständnisse hinsichtlich der Konfession zu er langen suchten. 1568 erhielten sie vom Kaiser Maximilian II. für einen Millionen-Gulden-Betrag Türkenhilfe die sogenannte Religionskonzession, die ihnen weitgehend Religionsfreiheit gewährte. Das Land war in großem Maße protestantisch ge worden. Im Anschluß daran standen die Stände auf dem Höhepunkt ihrer Macht, sie waren in vieler Hinsicht an die Stelle des Fürsten im Lande getreten, und eine evangelisch humanistische Kultur blühte im Schütze der politischen Macht der lutherischen Herren und Ritter. Sie bauten als ihre „Burg" das herrliche Renaissance-Landhaus zu Linz, sie schufen eine adelige Landschaftsschule, unter deren Lehrer wir keinen Geringeren als Johannes Kepler finden. Die große Krise kam, als die Habsburger zum Gegenangriff gegen Ständetum und Protestantismus schritten. Hatten die oberösterreichischen Landstände unter Führung des Calviners Georg Erasmus Tschernembl eine große Rolle im habsburgi schen Bruderzwist gespielt, hatten sie sich gegen Kaiser Ferdinand II. erhoben, mit allen Gegnern Habsburgs von den französischen Hugenotten über die protestantischen Nie derlande bis zu den rebellischen Ständen Böhmens und Ungarns ihre Beziehungen geknüpft, mit der großen Nieder lage des mitteleuropäischen Protestantismus und der ständi schen Konföderation in der Schlacht am Weißen Berge bei Prag 1620 stürzte auch das Land ob der Enns in die Tiefe. Es wurde von Kaiser Ferdinand II. an Bayern verpfändet, es kam die Zeit der bayerischen Besatzung, der Reformations patente, die Austreibung der Evangelischen wurde durch geführt und der große Bauernkrieg von 1626 unter dem bayerischen Statthalter Herberstorff lenkte die Blicke ganz Europas auf das widerstrebende kleine Land ob der Enns und seinen Kampf gegen fürstlichen Absolutismus und katholische Gegenreform. Kniend hatte der rebellische Adel vor dem Kaiser in Wien Pardon gesucht. Nach der Auslösung des Landes aus der bayerischen Pfandherrschaft 1628 war es ent machtet, ein Provinzialisierungsprozeß begann damals, der 100 Jahre später unter Kaiserin Maria Theresia sich voll endete. Das Land ob der Enns als Provinz des neuen moder nen Großstaates der letzten Habsburgerin! In dieser Zwi schenzeit hatte Oberösterreich Anteil genommen an dem Auf stieg Österreichs nach siegreicher Gegenreformation und Triumph über den Halbmond, der 1683 bis Wien vorgedrunDer „Triumph über den Halbmond" wurde zu einem bestimmenden Element der österreichischen Barockkultur. — Erbeutete Türken waffen aus dem Starhembergischen Familienmuseum in Eferding.
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