OBERÖSTERREICH IN DER GESCHICHTE Dr. Hans Sturmberger Oberösterreich in der Geschichte Dr. Lothar Eckhart Römisches Oberösterreich Dr. Othmar Hageneder Die Entstehung des Landes ob der Enns Dr. Gerhard Putschögl Die oberösterreichische Landesverwaltung in der Neuzeit Dr. Alois Zauner Die landesfürstlichen Städte ob der Enns im Mittelalter Prof. Georg Grüll Bauernkriege und Revolten in Oberösterreich Dr. Anneliese Schmölzer Leo Geslot — Lebensbild eines Bürgermeisters von Hall aus der Zeit des Werdens zum Badekurort Dr. Herta Hageneder Obderennsische Lebensbilder des 16. Jahrhunderts - Christoph Weiß und Johann Maximilian Bamberg Dr.Franz Pisecky Sonderheiten der oberösterreichischen Wirtschaftsgeschichte Dr. Heidelinde Klug Adolph Ludwig Graf von Barth-Barthenheim. Ein Lebensbild aus dem 19. Jahrhundert Rudolf Walter Litschel Ignaz Freiherr von Trollmann-Lov6enberg. Ein Porträt aus Altösterreich Schriftleitung: Dr. Otto Wutzel Das nächste Heft der Zeitschrift „Ober österreich" (Sommerheft 1969) beliandelt das Thema: Oberösterreichische Burgenkunde. Umschlagbild; Wolfgang Lazius (1514 bis 1565), Typi chorographici Austriae (1558), Austria supra Anisum (Karten sammlung der österreichischen Natio nalbibliothek). Das Kartenwerk des Wolfgang Lazius aus 1558 kann als älteste kartographische Darstellung der österreichischen Alpenländer bezeichnet werden. Kulturzeitschrift OBERÖSTERREICH Kunst, Geschichte, Landschaft, Wirtschaft, Fremdenverkehr. Halbjahreszeitschrift, Erscheinungstermine Mai und November. 18. Jahrgang, Heft 2, Sommerheft 1968/69. Eigentümer, Herausgeber und Verleger: Oberösterreichischer Landesverlag; verantwortlich für den Inhalt im Sinne des Pressegesetzes: Doktor Otto Wutzel, sämtliche Linz, Landstraße 41, Ruf 26 7 21. — Druck: Oö. Landesverlag Linz. — Jahresabonnement (2 Hefte) S 60.—, inkl. Porto. Einzelverkaufspreis S 35.—.
Hans Sturmberger Oberösterreich in der Geschichte Aufnahmen: M.Eiersebner Das Land Oberösterreich ist eines der neun Bundesländer, aus denen sich die Republik Österreich zusammensetzt. Diese Aufgliederung des an sich schon kleinen Staatswesens in neun Länder scheint dem modernen Betrachter im Zeitalter großräumigen Denkens nicht so ganz berechtigt, erscheint ihm fast etwas verschwenderisch, und der Unkundige, der die historische Entwicklung im Herzen Europas nicht kennt, wird diese Tatsache nie verstehen können. Denn diese Länder der Republik Österreich — mit Ausnahme des Burgenlandes und der Stadt Wien als Land — sind rein historische Gebilde, keine Schöpfungen der Republik, sondern in Jahrhunderten orga nisch gewachsen. Sie haben in der Geschichte eine ganz un wahrscheinliche Widerstandskraft und Zähigkeit bewiesen, haben die alte Monarchie überdauert und haben, als die Erste Republik unterging, als Reichsgaue de facto weiter existiert. Diese kleinen österreichischen Länder sind charak teristisch für Österreich, und es wurde mit Recht betont, daß man das Wesen Österreichs selbst verändern würde, wenn man daran dächte, diese Gebilde aus rein rationalen Er wägungen modernen Staatsdenkens abzuschaffen. Auch das heutige Bundesland Oberösterreich ist das Produkt einer reichen, tausendjährigen Geschichte, und wenn der oberösterreichische Dichter Hans von Hammerstein einmal sagte, die Geschichte Österreichs sei eine „schwere Ge schichte", das heißt, eine komplizierte Geschichte, so kann man dies vor allem von der Geschichte des Landes ob der Enns sagen. Denn so wohl abgerundet und von natürlichen Grenzen bezeichnet sich das Bild dieses Landes darbieten mag, so mannigfaltig ist seine Geschichte, so vielfältig ver flochten, so ungeklärt ist noch immer sein geschichtliches
Werden. Die so klaren, naturgegebenen Grenzen sind nicht immer Zeichen einer ebenso eindeutigen naturgegebenen Ent wicklung, sie täuschen oft den Unkundigen, und gerade die am meisten ins Auge springenden natürlichen Grenzlinien — wie etwa die heutige Inngrenze — erweisen sich als Ergebnisse einer neuzeitlichen Staatspolitik. Sucht man nach bestimmenden Faktoren, die an der Gestal tung der oberösterreichischen Landesgeschichte maßgebend beteiligt waren, so ist in erster Linie die Lage im mittel europäischen Kernraum, im Bereich der Schnittpunkte nord südlicher und westöstlicher geschichtlicher Linien zu nennen. Gewiß hat Oberösterreich diese Lage und die damit ver bundenen geschichtsgestaltenden Auswirkungen in vielem mit dem ganzen Österreich gemeinsam. Aber die besondere Mit tellage zwischen dem Herzen des altbayerischen Gebietes und dem eigentlich österreichischen Raum, der verbindend in die östlichen Gegenden Mitteleuropas übergreift, also die größere Nähe zu Bayern, verleiht der Geschichte des Landes Ober österreich doch ein ganz anderes Profil. Denn lange stand das Land ob der Enns zwischen Bayern und Österreich, und selbst in den späteren Jahrhunderten der Neuzeit war es noch gelegentlich das Exerzierfeld habsburgisch-wittelsbachischer Gegensätze. Oberösterreich ist altbayerischer Siedelboden. Es gibt eine Jahrhunderte andauernde vorösterreichische Epoche unserer Landesgeschichte. Die Lösung von Bayern ging ganz allmählich vor sich, und lange Zeit war die rechtliche Zu gehörigkeit des Landes zu Bayern oder Österreich ungeklärt. Durch die Nachbarschaft zu Böhmen wurde das Land ge legentlich in die großen politischen Konzepte verstrickt, die von Prag her das Schicksal Mitteleuropas gestalten wollten, in der Ära Pfzemysl öttokarsII. ebenso wie später am Beginn des Dreißigjährigen Krieges. Die oberösterreichische Landes geschichte ist wesentlich bestimmt durch das Aufsteigen Österreichs als Territorialmacht innerhalb des mittelalterlichen deutschen Reiches, aber auch durch die Sonderungstendenzen, die damit verbunden waren; sie ist dann mitbestimmt durch die Weltpolitik des kaiserlichen Hauses Österreich in den neueren Jahrhunderten, weil das Land ob der Enns in den großen europäischen Auseinandersetzungen unmittelbar durch kriegerische Einmärsche und Besatzungen von der inter nationalen Politik betroffen wurde. Es ist weiter das histori sche Antlitz dieses Landes Oberösterreich in wesentlichen Zügen dadurch gestaltet, daß es lange Zeit hindurch gerade aus seiner Zwischenstellung zwischen Bayern und Österreich heraus und wegen seiner lange Zeit unklaren staatsrecht lichen Stellung nicht als vollwertiges Land galt, sondern als bloßes Anhängsel, als „Landl". Dieses Land besaß auch keine ständige fürstliche Residenz. Die Kultur des Landes ist daher stark vom Adel, von den großen mächtigen Abteien und von den Städten geprägt, und das Fehlen einer fürst lichen Hofhaltung zwang gerade die Hauptstadt des Landes, die Stadt Linz,lange zu einer bescheidenen Stellung. Versuchen wir nun ganz knapp das Werden dieses Landes Oberösterreich an den Knotenpunkten seines Wachsens zu skizzieren. Zunächst müssen wir hiebei feststellen, daß es durch Jahrhunderte kein Oberösterreich oder Land ob der Enns gab und daß es sich zunächst nur darum handelt, die verwaltungsmäßige Struktur des Gebietes, welche heute das Land Oberösterreich ausfüllt, festzustellen. Eine ausgebildete Verwaltungsorganisation auf dem Gebiet des heutigen Ober österreich gab es erstmals in spätantiker Zeit. Die römische Provinz Ufernorikum — seit dem Beginn des 4. Jahrhirnderts unter Kaiser Diokletian — war in Stadtbezirke geteilt. Auf dem Boden Oberösterreichs lag der Stadtbezirk von Ovilava — Wels, der vom Inn bis etwa westlich der Enns reichte und von der Donau im Norden bis etwa zu den Tauern im Süden. Im Osten schloß sich der Stadtbezirk von Lauriacum — Enns an, der sich bis an die Ybbs erstreckte. Man sieht in dieser römischen Verwaltungseinteilung, in der gelegentlich auch die Enns als Grenze in Erscheinung tritt, das spätere Oberösterreich bis zu einem gewissen Grade vorgebildet. Man hat aus verschiedenen Tatsachen der mittelalterlichen Verwaltung, wie z. B. daß die Funktionen des Landeshaupt mannes von Oberösterreich im 13. und 14. Jahrhundert bis an die Ybbs reichten, den Schluß gezogen, daß hier die römi sche Verwaltungseinteilung durch Jahrhunderte weiterwirkte. Nach dem Zusammenbruch der Römerherrschaft in unserem Lande traten zwei Ereignisse ein, die für die ganze spätere Geschichte Oberösterreichs grundlegend wurden: 1. Die Be siedlung dieses Raumes durch den germanischen Volksstamm der Bayern, etwa um die Mitte des 6. Jahrhunderts. 2. Die Einführung des Christentums westlicher, d. h. römischer Prä gung. Um diese beiden Fakten herum gruppiert sich alles
Die Abbildungen auf Seite 1 bis 10 sind nicht als Illustrationen zu dem gleichlaufenden Aufsatz von Dr. Hans Sturmberger, sondern als Bilddoku mente allgemeiner Art aufzufassen, die bestimmte Akzente der Land geschichte Oberösterreich anschaulich machen sollen. Seite 1 Wappenrelief vom Friedrichs tor der mittelalterlichen Burz zu Linz, Original heute im Schloßmuseum: Reichswappen mit Krone Friedrichs III., links kaiserliches Monogramm, rechts Wappenschild Altösterreichs, unten Inschrift mit den Wappenschildern Oberösterreichs und der Steiermark. Seite 2 Schwert und Sporen des „Fernhart von Scherffenperch der zeit Hauptman ow der Enns.. 1478 als Landeshauptmann und Burgherr von Kaiser Friedrich III. eingesetzt (Schloß museum Linz). Seite 3 Der österreichische Erzherzogs hut, wie er 1616 gestiftet worden ist. Aufnahmen: Dr. E. Widder - . . 1 übrige Geschehen, und auf dieser Basis erhielt die Kultur des Landes ihren Gleichklang zur Gesamtkultur des Abendlandes. Mit der Landnahme der Bayern im Gebiet unseres Landes gehörte dieses zum bayerischen Stammesherzogtum. Durch den Westvorstoß der Avaren war hier jedoch keineswegs eine stabile Lage gegeben und um das Jahr 700 wich die bayerische Herrschaft bis westlich der Traun zurück. Für die weitere Entwicklung Oberösterreichs war die Unterwerfung Bayerns durch die Franken von Bedeutung. Denn durch die Avarensiege Karls des Großen, der Bayern zu einer fränki schen Provinz gemacht hatte, wurde das Gebiet unseres Landes in das fränkische Grenzverteidigungssystem ein gebaut. Es gab damals hier mehrere Gaue, deren wichtigster der Traungau mit dem Hauptort Wels gewesen ist. In ihm zeichnet sich der alte römische Stadtbezirk Ovilava ab. Als nach der Besiegung der Ungarn im Jahre 955 auf dem Lechfeld bei Augsburg die Ostmark gegründet wurde, gehörte der Traun gau, das Gebiet zwischen Enns und Hausruck, nicht dazu. Nur das Machland und seit etwa 1100 auch die Riedmark, der östliche Bereich des heutigen Mühlvierteis, waren ein Teil der neuen Markgrafschaft. Es war jener Landstrich Oberöster reichs, der zuerst „österreichisch" wurde. Das mächtige Adels geschlecht der Grafen von Wels-Lambach, das im Herzen des heutigen Oberösterreich saß, hatte im Jahre 1035 auch die Kärntnermark erworben. Als es ausstarb, wurde es durch die Otakare beerbt, welche die neuerworbene Kärntnermark nach ihrer Burg in Steyr „Steiermark" nannten. Der Traungau war seit dieser Zeit engstens mit der Steiermark verbunden. Die tatsächliche Loslösung vom bayerischen Herzogtum, zu dem das Gebiet des heutigen Oberösterreich noch immer gehörte, nahm immer größere Ausmaße an. Auf dem Regensburger Reichstag von 1156 wurde Österreich ein von Bayern unab-
hängiges Herzogtum. Im Jahre 1186 schloß der Herzog von Österreich auf dem Georgenberg bei Enns mit dem steirischen Herzog einen Erbvertrag und erbte so dessen großen Besitz auch im Traungau. Es gibt keine Urkunde, welche den Über gang des Traungaues von Bayern an Österreich bezeugt, aber tatsächlich war die Lösung vom alten bayerischen Herzogtum voll im Gange. Als um die Mitte des 13. Jahrhunderts die babenbergischen Herzoge von Österreich ausgestorben waren, wurden deren Länder geteilt. Im Frieden von Öfen,1254, wurde der Traun gau dem neuen Herzog von Österreich Ottokar von Böhmen überantwortet, während die Steiermark vorübergehend zu Ungarn kam. Das hat man als die Geburt des Landes ob der Enns bezeichnet. In dieser Zeit tauchen auch die Bezeichnun gen „öberösterreich" (Austria superior) und „ob der Enns" auf, ein Landrichter von Oberösterreich tritt in Erscheinung, der später Hauptmann ob der Enns genannt wird — der Vor gänger des späteren Landeshauptmannes. Das Land ob der Enns, wie es später meist genannt wurde, war als eine Ein heit gleichen Rechtes geboren. Aber der Umfang entsprach noch keineswegs dem des heutigen Landes. Im oberen Mühl viertel eroberte Albrecht 1. die Burg Falkenstein (1289) und tat damit einen entscheidenden Schritt zur Verhinderung des Entstehens eines geistlichen Landes nördlich der Donau (Passau). Der Versuch der Grafen von Schaunberg, ein eigenes Land zwischen Österreich und Bayern von der Donau bis in den Attergau zu schaffen, wurde von den österreichischen Herzogen mit Gewalt verhindert. Das Land ob der Enns war nun wohl ein eigenes Land, aber nur mit Niederösterreich zusammen ein Herzogtum. Oberösterreich stand daher im Schatten Niederösterreichs. Erst allmählich trat eine gewisse Verselbständigung des Landes ein. Der Hauptträger dieser Politik der Absonderung von Nieder österreich waren die Landstände. Man versteht darunter die Korporation von Grundobrigkeiten, die auf den Landtagen mit dem Landesfürsten die Angelegenheiten des Landes verhandelten und ihm Steuern bewilligten. Sie setzten sich aus den sozial und politisch führenden Schichten zusammen. In öberösterreich gab es vier Stände: Die Prälaten, d. h. die Inhaber der großen Stifte des Landes, der höhere Adel — als Herrenstand bezeichnet —, der Ritterstand und die sieben landesfürstlichen Städte. Bezeichnend für die innige Bindung des Landes ob der Enns an Niederösterreich ist es, daß auf den frühen Landtagen am Ende des 14. Jahrhunderts und auch gelegentlich noch später die oberösterreichischen Stände gemeinsam mit den niederösterreichischen tagten. Erst im Jahre 1408 trat in Enns erstmals ein oberösterreichischer Landtag zusammen. Die Stellung dieser Landtage steigerte sich gerade am 15. Jahrhundert im Zusammenhang mit den habsburgischen Erbstreitigkeiten und die Landschaft ob der Enns — wie die Stände sich auch nannten — trat damals wiederholt selbständig in Erscheinung. Seit 1416/18 wurde auch das wahrscheinlich auf Rudolf IV. zurückgehende ober österreichische Landeswappen (goldener Adler auf schwarzem Feld rechts, links vier weißrote Pfähle) offiziell verwendet — ein Symbol der beginnenden Verselbständigung des Landes. Daß während einer kurzen Episode 1458 bis 1463 das Land ob der Enns in Herzog Albrecht VI. einen eigenen Landes fürsten hatte, mag ebenfalls wesentlich dazu beigetragen haben, daß öberösterreich sozusagen von Niederösterreich unabhängig wurde. Im Jahre 1466 wird das Land erstmals als „Fürstentum Österreich ob der Enns" bezeichnet, aber wesentlich später erst(1522) als Erzherzogtum. Nun hatte auch am Ende des Mittelalters das Land noch nicht die Ausdehnung und Gestalt des heutigen Bundes landes. Kaiser Maximilian I. erwarb im bayerischen Erbfolge krieg 1506 die Herrschaft Wildeneck mit dem Kloster Mond see und dem St. Wolfgangland,und erst unter Maria Theresia und Josef II., als die Tendenz des modernen Flächenstaates nach Arrondierung seiner Grenzen sich geltend machte, wurde die heutige Westgrenze des Mühlviertels durch Gebiets tausch mit dem Bistum Passau (1765) erreicht, im Jahre 1779 mußte im Teschener Frieden Bayern das Innviertel an Öster reich abtreten, 1782 kamen die passauischen Enklaven Obern berg am Inn und Vichtenstein zum Lande ob der Enns. In der Ära Josefs II. erhielt das Land öberösterreich im Jahre 1783 eine eigene Landesregierung und zur selben Zeit ein eigenes Bistum mit dem Sitz in Linz, während es durch tausend Jahre zur Diözese Passau gehört hatte. Das Land im heutigen Umfang war fertig. Die Gebietsveränderungen der napoleoni schen Zeit, die Abtretung eines großen Teiles an Frankreich beziehungsweise an Bayern, dann die Zugehörigkeit des Lan des Salzburg als Kreis bis 1849 zu öberösterreich blieben eine vorübergehende Erscheinung. Auch die Änderung der Landesgrenzen durch die Angliederung der böhmischen Be zirke Kaplitz und Krumau sowie des Ausseerlandes an öber österreich im zweiten Weltkrieg war nur episodenhaft. Als nach dem Zusammenbruch der Monarchie das Kronland Öster reich ob der Enns seinen Beitritt zur Republik Österreich be schlossen hatte, erhielt es, nachdem es gleichsam namenlos als das Land ob der Enns durch Jahrhunderte existiert hatte, nun auch amtlich seinen heutigen Namen öberösterreich. Das alles ist nur das dürre Gerüst des äußeren Geschehens, welches das Werden dieses Raumes zwischen Enns und Inn, Böhmerwald und Dachstein, angefangen von den römi schen Stadtbezirken Wels und Lorch bis zum heutigen Bun desland öberösterreich erkennen läßt. Zwischen diesen Pfei lern aber fließt in reicher Fülle das geschichtliche Leben in all seiner Vielfalt. Schon in vorgeschichtlicher Zeit sind hier in öberösterreich bedeutende Kulturen zu Hause. Jene eigenartige Mischkultur der Pfahlbauern (3000-2000 v. Chr.) an den Gestaden der Salzkammergutseen erhielt ihren Namen nach dem Mondsee, und die Salzlager des Plassen machten Hallstatt zum Vorort und Namensgeber jener Hallstattkultur, deren Träger die reichen Salinenherren des Salzortes waren (1100—400). Noch heute kann der Besucher Hallstatts sich von dem hohen Stand dieser Kultur an den Funden des vor etwas mehr als hundert Jahren entdeckten Gräberfeldes am Salzberg überzeugen. Nach der illyrischen Hallstattperiode folgte um etwa 400 vor Christus die Besiedlung unseres Landes durch die Kelten. Durch sie hatte öberösterreich Anteil an dem großen kelti schen Staatsverband, den das Königreich Norikum im östalpenraum darstellte, dessen Hauptstadt Noreia gewesen ist und dessen Umrisse bereits in der römischen Literatur in Erscheinung treten. Dieses keltische Alpenkönigtum hatte in seiner Politik der Selbsterhaltung am Rande des sich immer mehr ausbreitenden römischen Imperiums ein Schutz- und Freundschaftsbündnis mit dem römischen Reich geschlossen — ein Bundesverhältnis, das die tatsächliche Abhängigkeit des norischen Staates von der Weltmacht Rom nur verdeckte. Erst zur Zeit des Kaisers Augustus (15 v. Chr.) fiel die Selb ständigkeit des Alpenkönigreiches, und das südliche Ober österreich gehörte damit dem römischen Reiche an. Damit be gann für öberösterreich eine römische Ära von einem halben Jahrtausend, die sich noch heute offenbart, wenn die Archäolo gen an den Stätten der alten römischen Siedlungen von övilava, in Lauriacum, in loviacum und Lentia, an der Be festigungslinie des Limes entlang dem Grenzfluß Danubius ihre Grabungen durchführen, eine Epoche, die sich an den römischen Quadrafluren, wie bei St. Georgen im Attergau, bei Kirchdorf an der Krems auch ohne den Spaten des Forschers zu erkennen gibt, eine Epoche, deren Kunststraßen bis in die Zeiten Maria Theresias die Linien für den inter nationalen Verkehr gleichsam vorzeichneten. Damals hat auch das Christentum im Lande seinen Einzug gehalten und der heilige Florian, der in der Enns im Jahre 304 den Martertod gefunden hat, war ein hoher römischer Provinzialbeamter.
Böhmisches Konföderationsinstrument vom 25. April 1620 (Oö. Landesarchiv; siehe H. Sturmberger: Georg Erasmus Tschernembl, Linz 1953), das von Kurfürst Maximilian 1. nach der bayerischen Besetzung von Linz für ungültig erklärt und daraufhin zerschnitten wurde.
!!■' ••N . vv.':x . u y,;. .. £ jrfs-t'XL ; -■ •;- Der 30jährige Krieg hat nicht nur in der Reichsgeschichte eine Zäsur geschaffen. Er war ebenso für die oberösterreichische Landesgeschichte von entscheidender Bedeutung. In der Schlacht am Weißen Berg vor Prag am 8. November 1620 wurde der ständische Gedanke vernichtend getroffen. Die Barockkultur der Gegenreformation konnte ihren Einzug halten. Als unter der Bedrängnis durch die Germanenstämme das verfallende Römerreich die Randgebiete aufgab, als König Odoaker 488 die romanische Bevölkerung Ufernoricums evakuierte, war die Zeit der römischen fderrschaft in unserem Lande zu Ende. Der Abzug der römischen Oberschicht nach Italien, welche dem unsicheren Grenzdasein entgehen wollte und mit dem Leichnam des heiligen Severin das Land ver ließ, ist das äußere Zeichen für das Ende eines Zeitalters. Nun brach aber der Strom des Lebens hier keineswegs ab, ein Teil der römischen Bevölkerung blieb im Lande zurück und die sogenannten Walchenorte (Seewalchen) deuten auf die Kontinuität der Besiedlung. In jüngsten Grabungen auf dem Georgenberg in Micheldorf im Kremstal, in der Laurentius kirche zu Lorch konnte wahrscheinlich gemacht werden, daß auch der christliche Kult sich bis in das frühe Mittelalter erhalten hatte. Dieses Mittelalter, nach Auffassung der Humanisten das „mittlere Zeitalter" zwischen Antike und ihrer eigenen Zeit —, umspannt ein volles Jahrtausend. Im Raum von Oberöster reich bildet die Landnahme der Bayern, deren Herkunft in der Wissenschaft noch immer nicht ganz geklärt ist, die Grundlage des Geschehens. Die Stiftungen der agilolfingischen bayerischen Herzöge, das Kloster Mondsee (748) und das Kloster Kremsmünster (777), sind die ehrwürdigsten Stätten dieser christlich-baiuvarischen Vergangenheit unserer Heimat. Der Tassilokelch von Kremsmünster aus der Zeit des tat kräftigen Bayernherzogs Tassilo III. ist das lebendige Symbol der Christianisierung unseres Landes und auch der damit engstens verbundenen Germanisierung der im Lande siedeln den Slaven. Der Tassiloleuchter aber, der ebenfalls in Krems münster aufbewahrt wird und nach neuesten Erkenntnissen das umgestaltete Zepter des Agilolfingers ist, kündet noch heute von der Unterwerfung der Bayern durch die Franken und von der Tragik des Herzogs, der von Karl dem Großen gestürzt und in Haft gehalten wurde. Die Avaren- und Ungarnstürme, die über unser Land hinweggingen, konnten wohl die Entwicklung stören, aber nicht auseinanderreißen. Nach diesen unruhigen Jahrhunderten folgte eine Epoche des Siedeins und Rodens, und die deutschen Hochstifte wie Passau, Regensburg, Bamberg und Würzburg faßten Fuß im Lande durch zahlreiche Grundvergabungen, die der deutsche König ihnen zuwendete. Wurden die alten Klöster wie Krems münster und das um 800 entstandene St. Florian reformiert, so setzte nach dem Jahre 1000 eine Welle von Kloster-
neugründungen ein. Um 1020 entstand das Frauenkloster Traunkirchen, im Jahre 1056 wurde von Bischof Adalbero von Würzburg Lambach gegründet, um 1060 erstand Suben am Inn, 1082 Garsten, 1084 Reichersberg, 1122 Gleink, 1125 Ranshofen, 1141 und 1146 Baumgartenberg und Waldhausen im Mühlviertel, 1146 die Zisterze Wilhering, 1190 das bam bergische Hospital am Pyhrn, etwas später, 1218, Schlägl im oberen Mühlviertel. Eine wahrhaft imponierende Reihe! Da mals wurde unser Land ein Land der Abteien und Klöster, ein geistliches Land — ein Charakter, den es sich trotz aller Wandlungen bis heute irgendwie erhalten hat. Die lange verborgenen romanischen Fresken im Turm der Lambacher Sitftskirche, die baulichen Reste aus der Romanik in zahl reichen Klosterkirchen lassen die reiche klösterliche Kultur dieser Zeit ahnen. Diese geistlichen Institutionen übten auch weltliche Herr schaftsrechte wie der Adel aus. Die Einrichtung der Grund herrschaft, die wie so vieles im Lande im 13. Jahrhundert im Zusammenhang mit der großen Siedlungsbewegung eine Än derung im Sinne einer größeren Freiheit des Bauern (Ein führung des Erbrechtes) erfuhr, hatte hier im Lande bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts öffentliche Funktionen im Verwaltungs- und Gerichtswesen inne. Die heute als Ruinen die Landschaft mitgestaltenden alten Sitze des grundherrlichen Adels sind nicht nur romantische Erinnerungen an die Zeit der Ritter, an Minnesang und adelige Fehden, sondern in unsere Zeit ragende Zeugnisse der sozialen Struktur des mittelalterlichen Landes ob der Enns. Seit dem Jahre 1100 läßt sich hier im Lande auch eine steigende Bewegung des Handels und Verkehrs feststellen. Brücken und Reisehospitä ler entstanden (Vöcklabruck erwähnt 1134/43 und Wels 1128/43), immer häufiger tauchen in den Urkunden Markt orte auf. Das Ennser Stadtrecht von 1212 ist das urkundliche Dokument für das Aufblühen des oberösterreichischen Städte wesens in dieser Zeit. Nicht nur die sieben landesfürstlichen Städte, die dem Landesfürsten unmittelbar unterstanden — Linz, Wels, Enns, Freistadt, Gmunden, Steyr und Vöckla bruck —, erhielten zahlreiche Privilegien und Freiheiten zum Schütze und zur Förderung des Handels, auch viele grund herrschaftliche Kleinstädte und zahlreiche Märkte waren die Träger bürgerlichen Fleißes und Ausdruck des korporativen Geistes des Mittelalters. Manche alten Städte, vor allem Steyr und Freistadt, beweisen in ihrem bis heute vielfältig bewahrten mittelalterlichen Stadtbild, daß die Vergangenheit mitten unter uns lebt. Die machtvollen gotischen Pfarrkirchen von Eferding etwa, von Braunau am Inn, von Steyr künden täglich in unverfälschter Reinheit von der bürgerlichen Fröm migkeit des Mittelalters, von den Zünften und Zechen der Bürgerschaft, von jener eigenartigen Mischung jenseitiger Lebensausrichtung und diesseitiger Lebensfreude. Jakob Burckhardt hat über das Mittelalter gesagt, daß es „gebunden und doch unendlich frei und tausendgestaltig" gewesen sei. Abb. S. 6 Tillyburg, einst Besitz der Volkensdorfer, die ihre Burg unter dem Druck der Gegenreformation um 1630 an Graf Werner Tserklaes von Tilly, den Neffen des Feldherrn der katholischen Liga aus belgischem Geschlechte, verkaufen mußten. Abb. 5. 7 Darstel lung der „Prager Schlacht anno 1620" im Schloßmuseum Linz. m VÄ. "vieG. f ■ ' m E.^«^ G.Siin.snntn« SE^üm "sUjimtnf (Oiittj w« (ütmfhn ««'(rc-rt
Diese Tausendfältigkeit spiegelt sich im kleinen auch im oberösterreichischen Mittelalter. Sie steigerte sich noch in der Spätzeit, in den letzten Jahrhunderten des Mittelalters; fromme Stiftungen sorgten für das Jenseits und sollten auch zur Erfüllung irdischer Wünsche helfen. Sie waren eine Quelle der Kunstentwicklung, und wie die Bürger in ihren Pfarrkirchen Jahrtage und Messen stifteten, so ließen reiche Adelige ganze Klöster entstehen, wie Eberhard von Wallsee um 1350 etwa das Frauenkloster Schlierbach stiftete. Andere ließen kunstvoll geschnitzte Altäre für ihre Adelskirchen ver fertigen, wie jener Christoph von Zelking an der Schwelle der Neuzeit den berühmten Kefermarkter Altar. Nun war dieser Herbst des Mittelalters in Oberösterreich nicht nur ein Zeitalter kleinräumiger Stille, bürgerlicher Baufreudig keit, ein Zeitalter der Werkheiligkeit von fast barocker Oberfülle der Formen, eine Zeit zahlreicher Wallfahrten etwa nach St. Wolfgang, wo der Mondseer Abt Benedikt Eck den Tiroler Fächer mit der Herstellung des berühmten Altares betraute, es gab daneben auch Fehden, feindliche Einbrüche, Krieg und Not. Die tschechischen Hussiten etwa drangen dreimal — 1424, 1427, 1432 — ins Mühlviertel ein und die noch heute übliche Vierteleinteilung des Landes wurde damals aus militärischen Gründen geschaffen. Die Zwistigkeiten innerhalb des habsburgischen Hauses bedeuteten im 15. Jahr hundert Unruhe und ständige Verwirrung. Der Vorstoß der Ungarn nach Niederösterreich unter Matthias Corvinus war die Ursache, daß die Landeshauptstadt Linz dem Römischen Kaiser Friedrich III. als Fluchtresidenz diente. Hier starb dieser Herrscher des AEIOU, der seinen unerschütterlichen Glauben an Österreich in dieser Devise bekundete. Sein Herz wurde in der Linzer Stadtpfarrkirche beigesetzt. Er war der Vater Kaiser Maximilians L, der an der Zeitenwende um 1500 der Herr unseres Landes war. Als Maximilian 1519 in Wels starb, war bereits eine neue Zeit angebrochen. Dieses 16. Jahrhundert ist in Oberösterreich vor allem durch zwei Momente gekennzeichnet: durch das Eindringen und die Ausbreitung des Protestantismus und durch die ständige Türkengefahr, die auch das Schicksal Oberösterreichs sehr wesentlich mitbestimmte. Adel und Städte des Landes wandten sich frühzeitig dem neuen Evan gelium zu. Luthers Wort, das er an Dorothea Jörger nach Tollet bei Grieskirchen schrieb: „Bei euch ist Hunger und Durst nach dem Evangelium", zeugt von der Innerlichkeit, mit der im Lande ob der Enns die neue Lehre ergriffen wurde. Anläßlich des ersten Bauernkrieges 1525 forderten die Stände vom jungen, aus Spanien kommenden Erzherzog Ferdinand die „lautere Predigt des Evangeliums". Dem katholischen Landesfürstentum standen die evangelischen Landstände als Gegenpol gegenüber. Die Türkennot zwang die Habsburger stets, die Stände um Steuerbewilligungen anzugehen, die hie für immer Zugeständnisse hinsichtlich der Konfession zu er langen suchten. 1568 erhielten sie vom Kaiser Maximilian II. für einen Millionen-Gulden-Betrag Türkenhilfe die sogenannte Religionskonzession, die ihnen weitgehend Religionsfreiheit gewährte. Das Land war in großem Maße protestantisch ge worden. Im Anschluß daran standen die Stände auf dem Höhepunkt ihrer Macht, sie waren in vieler Hinsicht an die Stelle des Fürsten im Lande getreten, und eine evangelisch humanistische Kultur blühte im Schütze der politischen Macht der lutherischen Herren und Ritter. Sie bauten als ihre „Burg" das herrliche Renaissance-Landhaus zu Linz, sie schufen eine adelige Landschaftsschule, unter deren Lehrer wir keinen Geringeren als Johannes Kepler finden. Die große Krise kam, als die Habsburger zum Gegenangriff gegen Ständetum und Protestantismus schritten. Hatten die oberösterreichischen Landstände unter Führung des Calviners Georg Erasmus Tschernembl eine große Rolle im habsburgi schen Bruderzwist gespielt, hatten sie sich gegen Kaiser Ferdinand II. erhoben, mit allen Gegnern Habsburgs von den französischen Hugenotten über die protestantischen Nie derlande bis zu den rebellischen Ständen Böhmens und Ungarns ihre Beziehungen geknüpft, mit der großen Nieder lage des mitteleuropäischen Protestantismus und der ständi schen Konföderation in der Schlacht am Weißen Berge bei Prag 1620 stürzte auch das Land ob der Enns in die Tiefe. Es wurde von Kaiser Ferdinand II. an Bayern verpfändet, es kam die Zeit der bayerischen Besatzung, der Reformations patente, die Austreibung der Evangelischen wurde durch geführt und der große Bauernkrieg von 1626 unter dem bayerischen Statthalter Herberstorff lenkte die Blicke ganz Europas auf das widerstrebende kleine Land ob der Enns und seinen Kampf gegen fürstlichen Absolutismus und katholische Gegenreform. Kniend hatte der rebellische Adel vor dem Kaiser in Wien Pardon gesucht. Nach der Auslösung des Landes aus der bayerischen Pfandherrschaft 1628 war es ent machtet, ein Provinzialisierungsprozeß begann damals, der 100 Jahre später unter Kaiserin Maria Theresia sich voll endete. Das Land ob der Enns als Provinz des neuen moder nen Großstaates der letzten Habsburgerin! In dieser Zwi schenzeit hatte Oberösterreich Anteil genommen an dem Auf stieg Österreichs nach siegreicher Gegenreformation und Triumph über den Halbmond, der 1683 bis Wien vorgedrunDer „Triumph über den Halbmond" wurde zu einem bestimmenden Element der österreichischen Barockkultur. — Erbeutete Türken waffen aus dem Starhembergischen Familienmuseum in Eferding.
Defectum lumine senti Temesvar = Spür den Untergang des Halb monds, Temesvar — Emblem in der Nordostecke des Marmorsaales im Stift St. Florian (Beschreibung und Übersetzung Dr. Franz Lin ninger). gen war. Aus dem ungeheuren Siegesgefühl des neuen Machtstaates war der Geist des Barocks erwachsen. Auch Oberösterreich wurde damals ein barockes Land, in ländische und italienische Meister schufen aus den alten Landklöstern barocke geistliche Schlösser und die kleinsten unter ihnen, wie Schlierbach, standen in ihrer Baulust den größten, wie St. Florian, nicht nach. Der Reichspatriotismus, der im Anschluß an die großen Kriege gegen die Franzosen am Ende des 17. Jahrhunderts aufflammte, hatte in Simon Rettenpacher von Kremsmünster einen bedeutenden literarischen Interpreten im Lande gefunden. In dieser Zwischenzeit von 100 Jahren erblühte aus dem Geist des Merkantilismus die Wirtschaft, es entstand unter anderem die große Wollzeugund Teppichfabrik in Linz (1674) — eine stark planwirtschaftlich orientierte Epoche, welche in Oberösterreich die große Vergangenheit des Salinenwesens und der Eisen industrie, der Sensenhämmer und Nagelschmiede fortsetzte. In diesen 100 Jahren aber hatten die Schweden im Dreißig jährigen Krieg das Land bedroht, die Bayern waren im spani schen Erbfolgekrieg 1704/05 in Oberösterreich eingedrungen und der österreichische Erbfolgekrieg brachte im Jahre 1741 Bayern und Franzosen ins Land. In der Theresianisch-Josephinischen Ära wirkten sich die Re formen auch auf das Land ob der Enns aus. Der moderne Staat schaltete die landständischen Zwischengewalten weit gehend aus, an die Stelle der Landeshauptmannschaft trat eine rein staatliche Behörde, die sogenannte Repräsentation und Kammer, und als 1783 durch die Einrichtung einer eige nen Landesregierung das Land gegenüber Niederösterreich ganz selbständig geworden war, da war es fast ein reines Verwaltungsdepartement des Josephinischen Staates ge worden. Die Regierung suchte und fand durch die Einrichtung von Kreisämtern über die Grundherrschaften hinweg unmittel baren Kontakt zum Untertan. Dazu kam eine starke Bürokratisierung des ganzen Lebens und eine Broschüre fragte da mals „Warum wird Kaiser Joseph von seinem Volke nicht geliebt?" Das war der Staat aus dem Geiste der Aufklärung. Sie hatte in Oberösterreich auch geistig Eingang gefunden, hatte selbst geistliche Bezirke erfaßt, und die Sternwarte von Kremsmünster, der mathematische Turm, wie er im Volks mund genannt wird, ist das ragende Monument des Denkens des 18. Jahrhunderts und seiner Einwirkung im Lande. Der Josephinismus, diese österreichische Sonderform der Auf klärung, brachte nicht nur den Schutz der Bauern gegen die Herrschaften, die Toleranz gegenüber den Protestanten, zahl reiche neue Pfarren, er zerstörte durch seinen unhistorischen Geist viel geschichtlich Gewordenes, und die Reihe der alten Landklöster schmolz unter der Regie des Linzer Kloster aufhebungskommissärs Josef Valentin Eybel zusammen. 24 Ordenshäuser wurden im Lande damals aufgehoben, dar unter das alte Mondsee, Garsten, Gleink, Waldhausen und andere Stiftungen des Mittelalters. Inzwischen war die große Revolution in Frankreich zum Ausbruch gekommen. Die Idee der Souveränität des Volkes und der Nation war geeignet, die ganze bisherige Struktur der Gesellschaft und der politischen Verhältnisse umzustür zen. Der Josephinismus hat durch seine Revolution von oben her diese revolutionäre Entwicklung in Österreich abgefan gen und um ein halbes Jahrhundert — bis 1848 hinaus geschoben. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts mußte das Land 1800—1802,1805—1806 und 1809—1810 die Invasion der napoleonischen Armee und die Besetzung ertragen. Aus den Befreiungskriegen und der folgenden Resignation er wuchs das Biedermeier und fand auch hier im Lande Oberpw-a .'f v'•'3 y jcmm : - . kl ...., .„.111 11 _ Ii Österreich einen günstigen Nährboden. Es war dies auch die Zeit der Romantik, man entdeckte das Mittelalter und die „Altdeutsche Kunst" im Lande. Die modernen politischen Ideologien des Liberalismus, des Nationalismus und des Sozialismus faßten im Vormärz auch hier Fuß. Es war dies aber auch die Zeit der ersten Bahnen und die Zeit der be ginnenden Dampfschiffahrt. Als im Jahre 1848 die Revolution ausbrach, da geschah dies im Lande ob der Enns in bescheidenen Formen, und das böse Wort von dem pustenden Spießbürger, der sich mit Schärpen und Dolchen behängt und seine Stammtischbegeisterung auf der Straße trägt, galt in vieler Hinsicht auch für unser Land. Im Landtag von 1848 gab es in Oberösterreich neben den Vertretern der alten Landstände auch bereits gewählte Ab geordnete. Wenn die Revolution im ganzen scheiterte, so geht doch die moderne Verwaltung des Landes, die Ab schaffung der Grundherrschaften, die Einrichtung der Be zirkshauptmannschaften und der politischen Ortsgemeinden sowie die staatliche Gerichtsorganisation auf die Revolutions zeit zurück. Auch das Repräsentativsystem im Landtag, der erstmals im Jahre 1861 als ein gewählter Landtag zusammen trat, hat seine Wurzel im Jahre 1848. Aus dem Untertan war der Staatsbürger geworden. In der Folge der Revolution von 1848 erwuchs das moderne politische Leben, es entstanden in der zweiten Jahrhundert hälfte die politischen Parteien zunächst als Vereine — der liberal-politische Verein und der katholische Volksverein von Oberösterreich. Und während der in Linz wirkende Adalbert
.rSyiEiäiil Stifter hier seine letzten Werke schuf und Anton Bruckner seine Symphonien schrieb, begann im Lande Oberösterreich ein leidenschaftlicher politischer Kampf zwischen einer mäch tigen bürgerlich-liberalen Bewegung und den katholisch-kon servativen Kräften. Der Linzer Bischof Franz Josef Rudigier ist die bedeutendste Erscheinung dieser klassischen Zeit des jungen oberösterreichischen Parlamentarismus. Zu den libera len und katholischen Gruppen gesellten sich erst wesentlich später die sozialistischen. Daß sie im Landtag erst 1909 auf scheinen, hängt natürlich mit dem Kurienwahlsystem zu sammen. Als unmittelbar nach dem Zusammenbruch des alten kaiserlichen Österreich, nach dem Beitritt Oberöster reichs zur neuen Republik, der oberösterreichische Landtag auf Grund des demokratischen Verhältniswahlrechtes gewählt wurde, da war die uns heute geläufige Gliederung in drei politische Gruppen bereits voll ausgebildet. Mit diesem republikanischen Oberösterreich von 1918 beginnt auch im Bereich der Landesgeschichte jene Phase, da Ver gangenheit und Gegenwart sich zu berühren beginnen, die sogenannte Zeitgeschichte. Der Mensch ist hier Zeitgenosse geschichtlicher Ereignisse, er hat selber diese Zeit mitgestaltet durch sein bloßes Sein oder durch aktives Handeln, er hat an seinem eigenen Schicksal die Kraft der Geschichte erlebt und steht ihr noch subjektiv gegenüber. Auch die Landes-Zeitgeschichte Oberösterreichs zeigt ganz bedeutende Aspekte: Ich erinnere nur daran, daß hier in Oberösterreich am 12. März 1938 Hitler in Linz das Anschlußgesetz unter zeichnete, daß in dieser Phase die so entscheidende Industriali sierung des Landes erfolgte, das bis dahin noch immer seinen alten agrarischen Charakter an sich hatte, ich weise darauf hin, daß am Schluß des zweiten Weltkrieges in unserem Lande an der alten Ennslinie Ost und West aneinandertrafen, daß schließlich das alte Land ob der Enns von zwei Welt mächten in zwei Besatzungszonen aufgeteilt wurde und daß die ungeheure Kraft des Landesbewußtseins damals trotz dieser Zerreißung in zwei Zonen die Einheit des Landes bewahren konnte. Damals, in diesen schicksalhaften Jahren unmittelbar nach dem zweiten Weltkrieg, hat gleichsam die ganze geschichtliche Vergangenheit des Landes ob der Enns sich ausgewirkt und mitgeholfen, Norden und Süden Ober österreichs über die damals trennende Donau hinweg zu sammenzuhalten. Damit sind wir dem großen Bogen gefolgt, der sich von der ältesten Zeit unseres Landes bis heute spannt. Es war nur eine Skizze und wollte auch nicht mehr sein. Es war jedoch ein Blick zurück, den gelegentlich auch der Mensch von heute machen soll. Denn die Geschichte ist eine gewaltige Kraft, die in der Gegenwart weiterwirkt. Hatten die alten Römer von ihr als von der Lehrmeisterin des Lebens gesprochen, wußte Nietzsche von Nutzen und Nachteil der Historie für das Leben zu berichten, so haben wir das sichere Gefühl, daß die Geschichte — ja die Vergangenheit selbst als ein Regulativ des Geistes der Gegenwart wirkt und daß gerade für unser Zeitalter des Hastens und der inneren Unruhe dieses Gegen gewicht der Besinnung, die uns die Geschichte vermittelt, zu der sie uns zwingt,besonders heilsam ist. 'tr ; 't-Rh". • saii ü-« V ■ -'4' ' m ■if: Die politische Geschichte des Landes wurde bis zur Gegenwart oft von Krieg und Kriegsgefahr gezeichnet. — Einsames Franzosen kreuz in der Landschaft um St. Florian.
Lothar Eckhart Römisches Oberösterreich Aufnahmen: M.Eiersebner Fast ein halbes Jahrtausend war das Bundesland Oberöster reich vom Inn bis zur Enns, von der Donau bis zum Pyhrn Teil der Provinz Noricum und somit ein Bestandteil des Römischen Reiches. Von der Mitte des 1. Jahrhunderts n. Chr., als das keltische regnum Noricum, das Kernland des heutigen Österreich, unter Kaiser Claudius (41—54 n. Chr.) unblutig in den Provinzstatus übergeführt wurde, bis zum Jahre 488, dem Ende der römischen Herrschaft an der Donau. Fünf Jahr hunderte des Friedens und des Aufbaues, dann des Krieges und der Not, gewaltige geistige und materielle Erschütterun gen, den sukzessiven Zerfall der Donauprovinzen und das bittere Ende hat Oberösterreich mit dem Reiche geteilt, seine römische Vergangenheit ist die seiner Siedlungen und Militär lager, die sich wiederum in den Funden spiegelt. Jahrhundert für Jahrhundert römischer Geschichte in Oberösterreich kann in diesem Sinne durch die Archäologie beispielhaft zu uns sprechen. Als unter Kaiser Tiberius (14—37 n. Chr.) das gewaltige Eegionslager Carnuntum (Petronell — Bad Deutsch-Altenburg östlich von Wien) im Westen der Provinz Pannonien erbaut wird, genügen zur Sicherung der norischen Donaugrenze noch kleine Militärstützpunkte mit 500, höchstens 1000 Mann Be satzung. Sie stehen zur Disposition des Provinzstatthalters, eines Mannes ritterlichen Standes (procurator Augusti), der seinen Amtssitz in Virunum am Zollfeld bei Klagenfurt hat, anläßlich von pflichtgemäßen Inspektionen und zur Abhaltung von Gerichtstagen aber auch das donaunahe Gebiet der Provinz Noricum und damit Oberösterreich bereiste. Unsere Kenntnis seiner römischen Epoche im 1. nachchristlichen Jahrhundert ist noch denkbar gering, wir meinen mutmaßen zu können,daß es bereits damals Kastelle in Lentia-Linz, Lauriacum-Lorch/Enns und Eferding-Ad Mauros gab. Zu einer derartigen Militär station gehörte immer auch eine zivile Niederlassung, die, ent standen aus den Buden der Händler und Schankwirte, ver größert durch die Wohnhäuser verabschiedeter Soldaten,lebens fähig und autark geworden durch ein entsprechendes Hinter land,in besonders begünstigten Fällen durch kaiserliche Gnade zur autonomen Stadt (municipium bzw. colonia) aufsteigen mochte. Die Lage der Zivilsiedlung des Kastells Lentia-Linz kennen wir ungefähr, sie befindet sich unter den mittelalterlichen Hausfundamenten der Altstadt, und hin und wieder geben Zufallsfunde bei Neubauten oder kleine planmäßige Grabun gen Reste ihrer Mauern und der beweglichen Hinterlassen schaft ihrer Bewohner preis. Viel besser als über die Gemeinde der Lebenden sind wir über die ihrer Toten orientiert, über den großen Brandgräberfriedhof des 1. und 2. nachchristlichen Jahrhunderts auf dem Gelände der „Kreuzschwestern" an der StockhofStraße und Wurmstraße. Der Tod macht zwar alle Menschen stumm, nicht aber ihre soziale Herkunft, ihr Milieu, das hat zu allen Zeiten gegolten. So liegt auch hier das Armengrab neben der Patriziergruft, der kostbare Bronzekrug aus Gallien (Abb. 1) neben dem einfachen irdenen Geschirr lokaler Erzeugung, das kunstvolle Goldgeschmeide neben dem primi tiven Tonpferdchen als Weggeleiter in die Unterwelt. An die 150 Gräber hat der Boden der „Kreuzschwestern" preisgege ben, aber ob nun der Leichenbrand in zerbrechliche Glasflaschen mit dem Stempel der Glasfabrikantin Sentia Secunda aus Aquileia oder in die schlichte graue, gelbe oder schwarze Ware des Töpfers aus Lentia gebettet wurde, die liebende Pietät des Armen wie des Reichen für seine teuren Toten blieb dieselbe. Das 1. und 2. Jahrhundert n. Chr. bescheren dem römischen Oberösterreich die Epoche des längsten Friedens in seiner Geschichte, es hatte Anteil an den zivilisatorischen und kul turellen Errungenschaften eines Weltreiches, auf der Grundlage der Städteautonomie blühten Handel und Gewerbe, ein solides Straßennetz verband die entferntesten Orte, Recht, Sitte und geistiges Leben, praktiziert in kommunalen wie religiösen Gemeinschaften, schienen auf ewig verankert zu sein in der pax Romana, im immerwährenden Kaiserfrieden. Kaiser Hadrian (117—138 n. Chr.) verlieh Ovilava-Wels das Stadt recht, seine Einwohner wurden damit römische Bürger, den Mitgliedern des dem stadtrömischen Senat nachgebildeten Gemeinderates stand eine Karriere zu hohen und höchsten zivilen und militärischen Staatsämtern offen. Baulich wissen wir vom römischen Wels, dessen Stadtgebiet den größten Teil Oberösterreichs einnahm (auch Lentia-Linz gehörte dazu), bis auf die Stadtmauer, die jedoch erst dem 3. Jahrhundert n. Chr. entstammt, fast nichts, dafür aber einiges von einem seiner militärischen Vorwerke an der Donau. Am Scheitelpunkt der großen Donauschlinge von Schlügen wurde in den Jahren 1957 bis 1960 ein römisches Kleinkastell und ein Teil der dazugehörenden dörflichen Siedlung (vicus) ausgegraben, sein konserviertes Westtor ist das einzige sicht bare Lagertor am österreichischen Donaulimes. Die Grün dungszeit des Kastells fällt in das 2. Jahrhundert n. Chr., es wird um 300 niedergebrannt, im 4. Jahrhundert wieder auf gebaut und funktioniert noch im 5. Jahrhundert. Die Besat zungstruppe ist wahrscheinlich ein Detachement einer in Boiodurum-Innstadt/Passau stehenden Infanterieeinheit, beide Kastelle sind durch eine Donauuferstraße verbunden, der Hauptzweck Schlögens ist die Sicherung von Ovilava-Wels, das als municipium bald eine wichtige Rolle spielen sollte. Aus dem Lagerheiligtum Schlögens stammt ein weibliches Marmorköpfchen, das eine severische Kaiserin als Schutzgeist des Kastells, als mater castrorum, wiedergibt. Unter Kaiser Mark Aurel (161—180 n. Chr.) war der Traum vom neuen goldenen Zeitalter ausgeträumt, eine Koalition germanischer und nichtgermanischer Stämme durchbrach 171 n. Chr. den mittleren Donaulimes und konnte mit ihren Sturmspitzen erst an der Adria aufgefangen werden. Auch Römerorte Oberösterreichs mögen damals in Mitleidenschaft gezogen worden sein, jedoch weiß man darüber noch zu wenig. Militärische Gegenaktionen Roms bereinigten zwar die Lage wieder, jedoch war das Leben nach den „Markomannenkrie gen" ernst und karg geworden, Sicherheitsgefühl und Wohl stand alter Zeiten waren für immer dahin. In die Provinz Noricum wird jetzt eine Legion von rund 6000 Mann Stärke verlegt, die legio II Italica, die schließlich in LauriacumLorch/Enns ihr Standlager baut. Der Legionskommandant, ein Mann senatorischer Herkunft, wird als legatus Augusti pro praetore zugleich auch Provinzstatthalter, einen Teil der Statthaltereiämter transferiert man von Virunum nach Ovilava-Wels, dessen nunmehr gehobener Bedeutung seine vorgeschobene Bastion Schlügen an der Donau Rechnung trägt (s. o.). Zugleich mit dem Legionslager wächst ca. 200 m weiter west lich eine planmäßig angelegte Zivilsiedlung, die schon unter Kaiser Caracalla (211—217 n. Chr.), der Ovilava-Wels vom municipium zur colonia macht, autonom wird, kleine Frag mente des ehemals auf Bronzetafeln eingegrabenen Stadt rechts haben sich — eine große Seltenheit! — gefunden. Wir kennen dieses municipium Lauriacum durch Grabungen 1951 bis 1959 einigermaßen gut, unter dem archäologisch unzu gänglichen Lorcher Friedhofsgelände befanden sich Forum und Kapitol, jüngste Ausgrabungen (1960—1966) in der Friedhofs-,
jetzt Pfarrkirche St. Laurentius, konserviert und größtenteils betretbar gemacht (Abb. 2), brachten Kenntnis vom ersten Heiligtum am Platz, einem keltischen Umgangstempel aus der Gründungszeit Lauriacums. Ein quadratischer Turm war sein Allerbeiligstes (cella), um das in gleichen Abständen ein nied riger gehaltener Säulenumgang (daher der Name) herumlief, der für rituelle Prozessionen bestimmt war. Nicht nur die starken Götter der einheimischen Kelten wurden in diesem Stadtheiligtum verehrt, sondern auch der offizielle Reichs gott, der Schützer des Imperium Romanum, Jupiter Optimus Maximus. Die junge Bürgersiedlung Lauriacum-Lorch/Enns erlebt im 3. Jahrhundert n. Chr. bereits mehr schlechte als gute Tage, sie wird durch Germanentrupps, die jetzt immer häufiger von Nordwesten her in das Donautal einfallen, des öfteren gebrandschatzt, so daß für die Bevölkerung der mauerlosen Stadt das nahe Legionslager schließlich zur gewohnten Zuflucht Abb. 1 Bronzekännchen aus der ersten Hälfte des 2. Jahr hunderts n. Chr. vom frühkaiserzeitlichen Brandgräberfriedhof der „Kreuzschwestern" in Linz. wird. Aber selbst in diesen wüsten Zeiten waren nicht immer Mord und Totschlag an der Tagesordnung, nicht an der Donaugrenze des Reiches und noch viel weniger im Hinter land. Wir wissen von mosaikgeschmückten Villen am freund lichen Gestade des Attersees in Weyregg, die im 3. und 4. Jahrhundert n. Chr. blühten, von einer behäbigen Siedlung im romantischen Hallstatt, die noch zu Ende des 4. Jahr hunderts bestand, von jahrhundertealten Einzelgehöften, die dann in der Spätantike durch Mauern geschützt wurden (Bachloh bei Bad Wimsbach-Neydharting), von weitläufigen, mittel- bis spätkaiserzeitlichen Straßenstationen, die die Paß höhen sicherten (Windischgarsten) und von stillen ländlichen Heiligtümern, in denen der mehr oder weniger romanisierte Kelte in bösen Zeitläuften Trost und Hilfe suchte (Abb.3). Die Orientkriege Roms brachten auch neue Religionen ins Reich, unter denen sich die des Mithras, einer alten iranischen Lichtgottheit, alsbald einer ungeheuren Beliebtheit bei Sol daten wie Zivilisten erfreute. Sein kämpferisches Lehen, sein Sieg über alle Widrigkeiten des Schicksals wurden zum Vor bild, Mithraszellen gab es überall, wir kennen eine aus LentiaLinz, können eine für Lauriacum-Lorch/Enns erschließen und finden eine ländliche Mithrasgrotte der Spätzeit in Schachadorf bei Ried im Traunkreis. Das Kultbild, eine steinerne Rund skulptur, stellt die Geburt des Mithras dar, mühsam entringt er sich dem Felsen, die Arme emporgestemmt, von seiner Schlange umringelt, ihm zur Seite standen auf Steinsockeln seine fackelhaltenden Begleiter Cautes und Cautopates, be scheidene Tonlampen sorgten für eine stimmungsvolle Be leuchtung, Münzen, Tongeschirr, Eisengerät und Speisenreste zeugen vom kultischen Zeremoniell. Durch die Mithrasverehrung und schier zahllose andere östliche Mysterienreligionen und -brauche, die allesamt ein glückseliges Jenseits verhießen, war der Boden zur Aufnahme des Christentums vorbereitet, das sich in der Stille organisierte, und dessen entscheidender Durchbruch zur religio licita zu Anfang des 4. Jahrhunderts erfolgte. Mit dem Dalmatiner Diokletian war ein Gardegeneral auf den Cäsarenthron gekommen (284—305 n. Chr.), der in einschnei denden Heeres- und Verwaltungsreformen sowie in der Rück kehr zu Väter Art und Sitte das Heil des in allen Fugen kra chenden Staatsgehäudes sah und es auch noch für Generatio nen lebensfähig erhielt. Wie andere Provinzen wird jetzt auch Noricum geteilt, Oberösterreich gehört zum donaunahen Noricum ripense, die Grenze zu Binnennoricum (Noricum mediterraneum) verlief über die Tauern bzw. nördlichen Kalkalpen. Militär- und Zivilverwaltung werden getrennt, der Zivilstatthalter (praeses) von Ufernoricum residiert mit sei nem Amt (officium), dessen Vorsteher princeps heißt, in der neuen Metropole Ovilava-Wels, in Lauriacum-Lorch/Enns wird die Legionsstärke gewaltig reduziert, eine Abteilung der legio II Italica kommt nach Lentia-Linz, eine zweite nach loviacum, das ist Aschach an der Donau. Die patriarchalischen Zeiten der augusteischen Monarchie, wo der Herrscher noch als primus inter pares mit Adel und Bürgertum vertrauten Umgang pflog, sind längst vorbei, der Kaiser ist jetzt zum dominus et deus geworden, dem man als Garanten der Ewigkeit des Imperiums pflichtgemäß zu opfern hatte. Dieser Opferzwang stößt bei den Christen naturgemäß auf strikten Widerstand, der Staat sieht wiederum darin Subversion und Hochverrat, und so kommt es in Durchführung von vier auf einanderfolgenden kaiserlichen Edikten, deren Sanktionen, sich steigernd, bei Opferverweigerung Vermögenskonfiskation bis Marter und Tod androhen,zur größten Christenverfolgung des Römischen Reiches. Als einziges namentlich bekanntes Opfer in Noricum fällt der hl. Florian, ehemaliger Amts-
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