Oberösterreich, 18. Jahrgang, Heft 1, 1968

Johann Sturm Der Beitrag der Carlone zum österreichischen Klosterbau Die Carlone Die Carlone zählen wohl zu den bekanntesten der zahlreichen oberitalienischen Künstlerfamilien des Barocks in Österreich, aber auch zu den umfangreichsten. Beinahe ein volles Hundert künstlerisch tätiger Mitglieder ist seit dem 16. Jahrhundert namentlich bekannt, etwa die Hälfte davon arbeitete im Alpen-Donauraum. Im besonderen konzentrierte sich ihr Schaffen im Dienste des Hofes und der Landstände zunächst auf Wien und Graz, wobei ihre Herkunft aus zwei verschie denen Familien der Sippe anzunehmen ist; für die Wiener Carlone ist als Heimatort Verna (Gemeinde Ramponio), für die Grazer Scaria (Gemeinde Lanzo) belegt. Beide Dörfer liegen im Val d'Intelvi (Provinz Como), aus dem seit dem Mittelalter Tausende von Künstlern nach ganz Europa aus gewandert sind. Ein dritter Zweig der Carlone wohnte in Rovio am Luganer See, seine Mitglieder arbeiteten über wiegend in Italien. Die Bauleute und Architekten waren in der Mehrzahl, doch besitzen wir im Mausoleum Karls II. in Seckau ein vorzüg liches und frühes Denkmal ihrer plastischen Dekorations kunst. Sein Schöpfer Sebastian Carlone kehrte vermutlich nach Vollendung des Werkes im Jahre 1612 nach Scaria zu rück. Im Verlaufe des Jahrhunderts gewannen die Stuckplastiker der Familie zunehmend an Ansehen, und unter dem Eindruck ihrer Werkfülle entstanden Begriffe wie „Carlone-Kunst" und „Carlone-Kirchen", die auch auf die Architektur selbst angewendet werden. Die in Stuck und Farbe überquellende Raumzier ist aber nur ein typisches Element der Gesamt wirkung unter anderen. Eine Betrachtung des Klosterbaues erscheint besonders geeignet, die architektonische Leistung an sich hervorzuheben. Auf die Klosterarchitektur spezialisierte sich eine Nebenlinie der Grazer Carlone, die mit Peter Carlon (t 1628), Bürger in Leoben, erstmals auftaucht. Zu seinen Auftraggebern zählten die obersteirischen Stifte Admont, Göss und Seckau. Peters Sohn, Pietro Francesco (1607 bis 1680), dehnte seinen Wir kungskreis bereits bis Kärnten und Passau aus. Sehen wir von seiner nur stilkritisch erschließbaren Beschäftigung durch die Jesuitenklöster in Linz, Leoben, vielleicht auch Passau und Steyr und das Zisterzienserstift Schlierbach ab, so bleibt sie archivalisch belegt in Gurk, Garsten, Seckau und den Nonnenstiften St. Georgen am Längsee und Göss. Der Versuch seiner stilistischen Beschreibung wird an den oberösterreichischen Bauten erschwert durch die Mitarbeit von Carlo Antonio Carlone (t 1708), dem Architekten der dritten Generation. Über seinen Vater Pietro Francesco ge langte er in Stellung und Ansehen, sicher auch in Passau, wo er ab etwa 1670 zusammen mit seinem Bruder, dem Stukka teur Giovanni Battista, wohnte. Von den niederbayrischen Klöstern führte Carlo Antonio für Fürstenzell und Nieder altaich kleinere Aufträge aus, dagegen betraute ihn St. Nikola bei Passau teilweise mit dem Klosterneubau. Hier wurde er auch begraben. Von Passau aus leitete er den Stiftsbau von Reichersberg am Inn und stand im Dienste von Schlägl. Seine größten Bau herren aber wurden die Traunviertler Klöster, an denen er seine künstlerischen Vorstellungen beinahe uneingeschränkt verwirklichen konnte. Durch sie wurde er auch der berühmte ste Architekt der Carlone-Sippe. Den Anfang setzte Krems münster mit seiner Berufung spätestens 1676. Schrittweise setzte von da an die weitgehende Neuordnung des Kloster komplexes ein, zu der nur die Lage der Kirche, des Abtei traktes und des durch beide Bauten fixierten Prälaturhofes übernommen wurde. Auch Prandtauer hielt sich nach über drei Jahrzehnten noch an das von Carlone entwickelte Kon zept. Etwa ab September 1680 ist Carlo Antonio in Garsten nach weisbar, wo zunächst bis 1687 die Stiftskirche fertiggestellt wurde. Leider fehlen die Klosterrechnungen der Jahre nach 1690, so daß wir über den weiteren Baufortschritt nicht sicher unterrichtet sind. Carlone erscheint urkundlich erst wieder an läßlich der Errichtung der Wallfahrtskirche Christkindl bei Steyr im Jahre 1702 in Garsten. In St. Florian trat er vielleicht beim Bau des Gartenpavillons (1681) erstmals selbständig planend auf. Seit Anfang des Kirchenbaues im Jahre 1686 führen ihn die erhaltenen Rechnungen bis zu seinem Tode als Stiftsbaumeister mit einem Jahressold von 150 Gulden. Ein 1689 in der Kuppellaterne hinterlegtes Pergament nennt ihn an erster Stelle: „Carl Antoni Carlon von Milano, Paumaister." Die Arbeiten gingen ohne Unterbrechung von der Kirche auf die Klostergebäude über, und im Jahre 1708 waren Treppenhaus, Durchfahrt und Einfahrtsturm des Westflügels mitten im Aufbau begriffen, als der Baumeister verstarb. Neben diesen großzügigen Aufträgen nimmt sich Carlones Tätigkeit im Kloster Lambach (ab 1705) bescheiden aus; für Gleink (1700 bis 1702) und Spital am Pyhrn (Vertrag 1686) muß sie überhaupt erst genauer definiert werden. Die vom Vater übernommene Stellung als Stiftsbaumeister von Seckau hatte er schon 1684 quittiert und damit die Verlegung seiner Aktivität in den künstlerisch immer stärker aufblühenden bayrisch-österreichischen Voralpenraum besiegelt. Die Denkmäler St. Georgen am Längsee(Abb.1,2) 1654 begannen die Benediktinerinnen von St. Georgen am Längsee mit der Umgestaltung ihres Klosters nach Entwürfen von Pietro Francesco Carlone. Südlich der lagemäßig unver änderten Stiftskirche wurde ein annähernd quadratischer Hof errichtet, dessen Ostflanke hinter Chorschluß und Kirchturm Abb.1 St. Georgen am Längsee, Anlageplan, Ginhart 1955, Abb. 3. 0 5 t01520 30m I .fcn r —

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