Oberösterreich, 18. Jahrgang, Heft 1, 1968

Litanei und Gebet, mit Orgelgebraus und Glockengeläut — Gesang war nicht allzu viel dabei; dann die Nase mit Weih rauch und Kerzenduft; und nicht zuletzt auch die Empfindung von Schwere und Leichtigkeit. Gewichtig mußte das Opfer sein, schwer behangen die Altäre mit Devotionalien aus Holz, Wachs und Eisen oder gar aus Silber, zu dem sich der Bauer vielleicht gerade noch aufschwingen konnte. Geopfert wurde vom Lebendigen, in Oberösterreich mit Vorliebe schwarze Hühner, bis zum Abbild des Lebendigen, von dem lieblichen Wickelkind aus weißem oder farbigem Wachs bis zu ekel erregenden Modellen erkrankter Organe. Und auch Abgestor benes war viel dabei: Zähne, Knochen, abgeschnittene Zöpfe. Die Wallfahrt und das Opfer ersetzten weithin die Apotheke und den Arzt. Beides war oft nicht vorhanden, und der Glaube konnte tatsächlich Wunder wirken. Freilich ging der Glaube auch viele Irrwege. Zu keiner Zeit verlor er sich mehr in seltsamen, oft skurrilen Mystizismus wie in der des Barock. Im guten wie im schlechten Sinne. Er brachte unter tatkräfti ger Förderung durch den Jesuiten- und den Kapuzinerorden die Krippe mit all ihrem Wunderwerk ebenso zum Erblühen wie den Hexen- und Teufelsglauben. Oberall begegnen wir in den zwei Jahrhunderten zwischen 1600 und 1800 einem Fortwuchern und Austreiben von un scheinbaren Trieben zu undurchschaubarem Gerank. Und überall ist die ausgesprochene Volkstümlichkeit und Volksbezogenheit zu bemerken, die aus dem Glaubensinhalt Werke der Volkskunst schuf. Neben Krippe und Kreuz — da gibt es auch „Faustkreuz" und „Teufelskreuz" — nimmt das Volk seine Zuflucht zu Christus als lebendigem Blutquell des Lebens oder zu Christus in der Kelter. Es betet zu den Sieben Fällen Christi, es richtet seine Andacht zum Heiligen Haupt und liebt den Heiland vor allem als Guten Hirten. Das Barock findet den Kreuzweg und den Kalvarienberg als Hauptstrecke und Ziel seiner Wallfahrtszüge. Der Heilige Nagel und die Heilige Lanze mit seinem Träger Longinus werden nicht weniger fromm verehrt wie die Geheimen und Unbekannten Leiden Christi. Sebastian und Rosalia, Christophorus und Johannes von Nepomuk müssen nebeneinander und miteinander helfen wie immer noch Volto Santo und Heilige Kümmernis. Heilserwartung und Sündenfurcht halten sich im Volksbarock zitternd die Waage. Die „7 Todsünden der Kanzel von Reichenthal und der „Teufel der Fleischeslust von Zell am Pettenfirst gewährleisten, daß sie nicht zur Ruhe kommt. Volksart und Glaubensweise prägen nicht minder auch das profane Leben der oberösterreichischen Bauern. Beide sind in Brauch und Sitte zu unentwirrbarer Einheit verflochten. Man darf annehmen, daß im 17. Jahrhundert das bäuerliche Ritual des Lebens jene Formen anzunehmen begann, die dann im 18. und 19. Jahrhundert als oberösterreichischer Bauern brauch voll ausgebildet wurden. Neigt schon der Oberöster reicher von Haus aus eher zur Über- als zur Untertreibung, so läßt er sich im Barock in der Ausgestaltung seines Jahr lauf- und Lebenskalenders keine Grenzen setzen. Da ist nahe zu jeder Tag des Jahres, wenn auch nicht immer rot, so schwarz, grün oder violett angestrichen, die Zahl der „ßßwerufeiertage", der kleinen und der großen, machte zusammen nicht viel weniger aus als ein respektabler Sozialurlaub un serer Zeit. Nur war dieser ziemlich gleichmäßig über das Jahr verteilt und immer wieder auch mit „saurer Arbeit durch setzt. Nehmen wir als Beispiel nur einen Monat, den wonni gen Mai, der gar nicht im Verdacht steht, ein besonderer Feiertagsmonat zu sein. Gewiß, der 1. Mai war als Staats feiertag zu Maria Theresias Zeiten noch unbekannt. Aber er war ein großer Brauchtumstag mit Maibaumaufsetzen oder Maiaststecken auch schon damals. Am 3. Mai war Kreuzauf findung oder Heilig-Kreuz-Tag, ein halber Bauernfeiertag, am 4. Mai, besonders bedeutsam für Oberösterreich, war Florian, der Patron gegen Feuersgefahr, der zeit- und gegend weise gar als ganzer Feiertag gehalten wurde. Am Fest des heiligen Florian durfte in den Bauernhöfen des unteren Traunvierteis kein Feuer gemacht und kein Licht angezündet werden, bis man nicht dem Heiligen ein Opfer gebracht hatte. Im Mühlviertel mußte man die Suppe vom Vortag kalt essen, weil das Feuer im Ofen zum Erlöschen gebracht worden war und erst nach Mittag wieder mit den Spänen des Osterfeuers entzündet werden durfte. Am 10. Mai wurde pfarrweise Isidors, des heiligen Bauern, gedacht und ent sprechend gefeiert, und gleich am nächsten Tag war Philipp und Jakobus der Jüngere, kirchlich auch heute noch ein Feiertag 2. Klasse, an dem in Oberösterreich vielerlei Brauch tum geübt wurde, wie das Philippi-Setzen, eine Art Rüge brauch, der in Spuren noch im Mondseeland und um Schlier bach festgestellt werden kann. Nach Philippi beginnen die Eismänner Pankraz, Servaz und Bonifaz und verabschiedeten sich mit der „kalten Sophie", das waren ausnahmsweise nur Lostage und keine Feiertage. Dafür sollte man am 16. Mai, dem Tag des heiligen Johannes von Nepomuk, des Patrons gegen die Wassergefahr und des Beichtgeheimnisses, zumin dest zur Kirche gehen und entsprechende Andachten zu ihm verrichten. In den Mai fallen auch die Bittage, an denen man durch das jung aufsprießende Korn beten ging oder gar ritt, wie es in einzelnen Pfarren des Innviertels der Brauch war, und viel fach auch der „Auffahrtstag" genannte alte kirchliche Feiertag St. Florian bei Heipfau, Filialkirche, Figur des hl. Florian vom Hochaltar. ' . -r ... Ji

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