Oberösterreich, 18. Jahrgang, Heft 1, 1968

Franz Lipp Oberösterreichisches Bauernbarock Fotos: Max Eiersebner Oberösterreichisches Bauerntum im Zeitalter des Barocks (1600 bis 1740) ist durchaus nicht dasselbe wie oberöster reichisches Bauernbarock, das seinem Begrif¥ nach bis in das hohe 19. Jahrhundert hinein nachwirkte. Das ganze Rokoko gehört solcherart zum „Bauernbarock", aber selbst das bunte, rosenselige Bauernbiedermeier ist nichts anderes als der Nach klang einer Zeit, in der Lust und Leben, Schauspiel und Augenweide ganz groß geschrieben wurden. Man wird jedenfalls gut daran tun, das oberösterreichische Bauernbarock erst nach dem blutigen und herben Ende des Bauernkrieges beginnen zu lassen. Aus dem Jahre der Nieder schlagung des oberösterreichischen Bauernaufstandes stammt der mächtige schwarzgoldene Hochaltar der Stiftskirche in Mondsee von Hans Waldburger. In großen römischen Zif fern, als bedeuteten sie eine Wende, prangt golden die Jahres zahl MDCXXVI vom First des schwarzen Altares. Länger als ein volles Jahrhundert währte im Volk das „schwarze Barock" der Gegenreformation, das in Tracht und Stil, bis in die Ausgestaltung der Innenräume hinein, so sinnfälligen Ausdruck fand. Schwarz waren Schauben, Röcke, Hosen und Kittel der bäuerlichen Tracht, nur aufgehellt von den weißen Mühlsteinkrausen und den anfangs noch scheu versteckten roten Brustflecken und Lätzen bei Mann und Frau. Je näher dem 18. Jahrhundert, desto mehr Farbe gewinnt das äußere von dem inneren Erscheinungsbild des Volkes. Das 18. Jahr hundert ist schon recht bunt, aus dem schwarzen Frühbarock wird das sehr rote Hochbarock, daraus das rosenrote und himmelblaue Rokoko und dem folgt wieder das gelb-grünusw. -bunte bäuerliche Biedermeier, mit dem die Hoch-Zeit unserer Volkskultur endigt. Seinen Grund und seine Mitte erhält das bäuerliche Barock (wie übrigens jede Epoche) von Leib und Seele des Menschen, der die barocke Volkskultur trägt und von der Zeit, die sie im direkten Zugriff oder im Wege des herrschaftlichen Vor bildes formt. So kommt der „Zeit" eine hervorragende gei stige, bildende Funktion zu. Und ebenso steht fest, daß die Religion in ihrer römisch-katholischen Erscheinungsweise das wesentlich formende Element des barocken Zeitgeistes dar stellt. Der Mensch in Oberösterreich ist trotz des tiefgreifen den Erlebens der Glaubenskämpfe und trotz des Aderlasses und der Vertreibung von Zehntausenden aufrechter und un gebeugter Menschen derselbe geblieben wie vor der Refor mation. Oder scheint es nur so? Hat er nur besser sich an zupassen gelernt? Wurden die Unbeugsameren dezimiert und blieben die Schmiegsameren, Klügeren an der Oberfläche? Das wird man kaum entscheiden können. Gewiß ist, daß nach dem Ausweis der Zeugnisse der Volkskultur gerade im Hochbarock (etwa von 1650 bis 1740) die Volksfrömmigkeit des späten Mittelalters im Wallfahrts- und Devotionalwesen, in Heiligen- und Reliquienverehrung, in der Erfindung von Sonderandachten, „geheimen" Anrufungen und religiösen Übungen wieder fröhlich Urständ feiert, als hätte nie eine Reformation stattgefunden. Jedenfalls sieht es ganz danach aus, als wäre der oberöster reichische Bauer grundsätzlich so geblieben wie hundert Jahre vor dem Bauernkrieg Aventinus-Thurmair den Baiern schlecht hin zeichnete: grob bis flegelhaft, sinnenfreudig, zu Rauf händeln aufgelegt, mehr Bauer als Kaufmann, Handwerker oder Soldat. Pfiffig und schlau, aber nicht eben sehr gewitzt oder gar besonders gescheit. Eifrig in der Ausübung der Religion, jedoch nicht allzu innerlich und wahrhaft fromm. Es ist das Bild des Bauern, das bis in das zwanzigste Jahr hundert, bis zur Erschließung aller Bildungsmittel auch für die Landbevölkerung eine gewisse Gültigkeit hatte. Deckt sich dieses Bild des spätmittelalterlichen Bauern nicht völlig mit der Schilderung seines barocken Nachfolgers durch einen Landsmann, der es aus eigener Anschauung bezeugen konnte? Johannes Beer, der „verliebte Österreicher" aus dem Attergau, um 1620 seines lutherischen Glaubens wegen nach Regensburg emigriert — Wirt (wie Stefan Fadinger und Andreas Hofer), Hauslehrer und Hofkomponist — dieser Nachfolger Grimmelshausens spricht einen Landsmann, der ihm als Knecht Dienste leistete, so an: „Du bist ein Bauernflegel, wie es auch dein Vater und deine Brüder sind ... Ja, mein lieber Hanß, wenn du den Acker gepflügt und dein Korn gesät hast, gehst du heim, setzest dich zu einer Schüssel voll Buttermilch, herzest die Magd ein paarmal über den Kamm, damit legst du Schelm dich zu Bette und schnarchst wie ein alter Karrengaul. Morgens, wenn die Sonne aufgeht, guckst du hinter dem Deckbett hervor wie eine Katze aus dem Tauben schlag, ziehst deine Hosen an und packst die Stiefel, dann führst du zwei Wagen Holz aus dem Wald und pfeifst dir unterwegs mit dem Maul etliche Tänze auf, zuweilen klatschest du mit der Peitsche und hörst im Wald, wie hübsch die Vögel singen. Als dann, wenn du aufgeladen und deine Pferde das fremde Korn zum Futter hast fressen lassen, spannst du wieder an und fährst du etwan ein paar Fuder Mist auf das Brachfeld und streust solchen mit der Gabel in der allgemeinen Welt so weit herum, als du langen kannst. Damit machst du dir einen guten Appetit, deinen Käs und dein Brot zu verzehren. Siehst du etwan ein kleines Häslein hüpfen oder im Lager sitzen, fängst du Galgen vogel an zu lachen und zu schreien, daß man dich ins nächste Dorf hört. Abends, wenn du wieder heimkommst, legst du dich wohl gar zu der Viehmagd und kaufst dafür ein Miederzeug, wenn etwan in derselben Woche auf einem Dorf Kirchtag ist. Am Sonn- und Feiertag gehst du morgens ein bißchen in die Kira, schaust vielmehr auf die hübsche Gredel als auf den Pfaffen, danach scheibst du auf der langen Kegelstatt um die Wette und gewinnst die meisten Schanzen. Unterweilen gehst du auch zum Bier auf Obernberg hinein und saufst dir einen Rausch an, daß es pumpert. Oder du gehst auch wohl auf den allgemeinen Tanz boden, dort schollerst du mit dem Drehbrett oder spielst mit denen Würfeln; wenn du dort einen halben Gulden gewonnen, so fängst du mit deiner Urschel eins zu tanzen an, wozu dir der Sackpfeifer einen hupfenden Steirertanz aufludelt. Äfften fängst du an mit dem Knecht Jogel zu raufen, da heißt es: Wehr dich, Hansel, unser Bua! und ihr gebt einander Pötzen und Ohrwascheln, daß enk Schan und Heran*) vergeht. Uaberling da kimt des Nachba Anderl a dazua, da fangt ihr an auf eure Sprach zu schelten und zu fluchen, daß es in der Luft schallt. Nach diesem greift ihr nach euren Stecken, damit schmeißt ihr euch erst recht auf den Grind und an den Schädel, daß euchs Bluat über die Leibpfaiden hinunterrinnt. Ha, ihr Mausköpf, ich weiß gar zu wohl, wie ihrs macht, und wer unter euch am hurtigsten rauft, der ist dann ein hantiger Bua, ob er schon sonsten ein grober Flegel und grober Bachant ist wie du. Gelt, Hanß, es ist wahr?" *) „Hören und Sehen." Dies ist die erste und älteste realistische Beschreibung eines Oberösterreichers, wenn man von dem nicht weniger rühm lichen Meier Helmbrecht absieht, der mit Fug und Recht von den Bayern (mit y) reklamiert wird und es hat den Anschein, als hätte sich bis zum heutigen Tag „auf dem Lande" in Oberösterreich nicht sehr viel geändert. Wallfahrt zum hl. Wolfgang . . . alle Gebresten, auch Besessenheit und Geisteskrankheiten, finden Heilung (rechts im Bild Wachsvotivkasten). Schloßmuseum Linz.

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