Oberösterreich, 18. Jahrgang, Heft 1, 1968

fWiHä! ben 1676, 1695 und 1703 mögen zur Erbauung der Sebastianikapelle geführt haben. Beide sind offenbar spätere Zubauten. Da die Bauform der Kapelle mehr Mannigfaltigkeit aufweist als die des Hauptschiffes und reicheren Schmuck an den Kapitalen und reichere Stukkaturarbeiten und dadurch an die Kirche von Kallham gemahnt, so halte ich wie Ernst Klinger — er war von 1883 bis 1905 Pfarrer in Taufkirchen an der Trattnach — dafür, daß der Bau der Kapelle in dieselbe Zeit fällt wie die Kallhamer Kirche (1720 vollendet). Es möchten also nach Vollendung der Kirche von Kallham dieselben Architekten und Stukkateure auch die Kapelle unserer Pfarr kirche gebaut und ausgeschmückt haben. Hauptschiff und Presbyterium dürften vielleicht 40 bis 50 Jahre vorher die Renaissanceform erhalten haben, als die Formen dieses Bau stils noch strenger waren. Die Umformung der alten Kirche kann aber auch gleichzeitig mit dem Bau der Kapelle ge schehen sein, und die in die Kirchenwand geschriebene Zahl 1725 berichtet den erfolgten Abschluß. In der Kirche von Kallham war als Architekt Jakob Pawanger, Kapitel-Bau meister in Passau, tätig." Kurz, der Verfasser dieser Zeilen, erwähnte also Pawanger nur im Zusammenhang mit Kallham und mit der Tatsache, daß dort wie in Taufkirchen dieselben Meister beschäftigt worden sein sollen. Er wird allerdings damit recht haben, denn wer die beiden Gotteshäuser nacheinander besucht, ent deckt Parallelen, die nicht zu übersehen sind: vor allem in architektonischer Hinsicht. Den Rest des dritten Jahrzehnts des 18. Jahrhunderts ver brachte Jakob Pawanger mit dem Bau der Laurentiuskirche in Kapfham bei Fürstenstein im Bayerischen Wald, mit der Attersee, Pfarrkirche, Inneres, Blick gegen den Hochaltar. Barockisierung der Pfarrkirche von Pram in Oberösterreich und mit dem Bau des Pfarrhofes für Aicha vorm Wald: der fünfzigjährige passauisch-fürstbischöfliche Hofbaumeister mußte sich also mit Projekten herumschlagen, die ihn wahr scheinlich nicht immer befriedigten; außerdem wurde er von nun an vor allem als Begutachter von Plänen anderer ein gesetzt. Aber noch einmal leuchtete ihm der Stern: die Pfarre Gaspoltshofen verlangte nach einem tüchtigen Architekten zur Neugestaltung ihres Gotteshauses und kam dabei auf Pa wanger — nicht zuletzt vielleicht durch einen Hinweis von Johann Michael Prunner, der Pawanger nicht im Stich ließ und sich als Taufpate von zwei Kindern Pawangers mit dem Kollegen aus Passau — ungeachtet seiner Fehler — eng ver bunden fühlte. So wird Gaspoltshofen zu Jakob Pawangers Schwanengesang, beider fehlen konkrete Unterlagen: wir wissen nur, daß die Bausumme am 2. Mai 1735 die Höhe von 13.645 fl. erreicht hatte. Schließlich mußten sogar die Pfarrherren in ihre Privat schatulle greifen, aber es spricht für sie, daß sie nicht zöger ten und bereit waren, ein echtes Opfer für ihre Gemeinde zu bringen. Vielleicht erkannten sie auch, daß dieses Gotteshaus noch für Jahrhunderte das Denkmal eines Architekten dar stellen werde, zu dessen Ehrgeiz es gehörte, den Triumph des Barocks in Kurve und Linie zu markieren. Damit wurde die Pfarrkirche von Gaspoltshofen — trotz Pa wangers Arbeiten in Bayern, vor allem für das Kloster Niederaltaich — zum Hauptwerk des fürstbischöflichen Hof baumeisters. Hier, in diesem hellen, klaren Langhaus — das man an einem Sommer- und Sonnentag besuchen muß —, spürt man der Faust dieses vitalen Menschen am eindrucks vollsten nach, hier lebt er, hier konnte er sich austoben mit Gewölben und Pilastern, mit konkav gebogenen Wänden zum Turm und einem Chor, der ausschließlich vom Licht bestimmt wird. Was nach Gaspoltshofen kam, waren nur noch Alltäglich keiten. Kinder wurden geboren und starben rasch, zumeist schon in der Wiege. Johann Michael Prunner und seine zweite Gattin blieben weiterhin Taufpaten, und 1739 erhielt Pa wanger endlich Genugtuung: der Prozeß wegen des Schär dinger Vorfalls wurde zu seinen Gunsten entschieden, er war rehabilitiert, aber zu spät. Vielleicht beteiligte er sich noch am Bau der Pfarrkirche zu Hofkirchen im Mühlkreis, und 1741 entwarf Pawanger die Pläne für das Gotteshaus zu Hutthurm bei Passau. Doch das Leben und Wirken verloschen: was Pawanger ernsthaft beschäftigte — schließlich mußte er für eine Familie sorgen —, waren die Aufträge des Passauer Domkapitels, und die er schöpften sich in Gutachten und Feststellungen: „Trostlose Arbeiten für einen Architekten, der die totale Kraft in sich spürt. Nur des Geldes wegen führte er sie fort und fort bis an sein Ende." Am 5. August 1743 war das Ende da: Jakob Pawanger starb in Passau. Seine Witwe versuchte — sie verfügte praktisch über keine Mittel — die von Pawanger verfaßten Entwürfe für Hutthurm zu verkaufen — vergeblich: man wollte von dem Toten nichts mehr wissen. Zwei Jahre später heiratete Anna Francisca Pawanger den Nachfolger ihres Mannes, den Architekten Johann Michael Schneitmann. Was blieb nun von Jakob Pawanger? In Oberösterreich etliches — wenngleich urkundlich nur ge sichert Attersee, Sarleinsbach, Kallham, St. Georgen im Atter gau, Taufkirchen und Hofkirchen an der Trattnach sowie Gaspoltshofen, wahrscheinlich Aistersheim, Obernberg, Schärding, Pram, Hofkirchen im Mühlkreis —, in Bayern mehr: vor allem St. Nikola und Niederaltaich; dazu kommen

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