Oberösterreich, 18. Jahrgang, Heft 1, 1968

Die Nutzung der Enns im Spiegel der Jahrhunderte Die Enns, einer der wasserreichsten Flüsse Österreichs, durch fließt von ihrem Ursprung in den Radstädter Tauern bis zur Mündung in die Donau auf einer Lange von 254 km drei Bundes länder und liegt zur Gänze innerhalb Österreichs. Als Wasser weg für Flöße und Schiffszüge sowie als Holztriftstraße kam ihr seit Jahrhunderten eine wichtige wirtschaftliche Bedeutung zu. Auf der Enns dürften die Römer das Eisen für die Schilderzeugung in Lauriacum (nahe der heutigen Stadt Enns) bezogen haben. Flöße brachten einen Teil des Eisens vom Erzberg über Großreifling ennsabwärts. Die alte Eisenstadt Steyr war schon um die Jahrtausendwende der Mittelpunkt einer blühenden Eisenindustrie und betrieb einen regen Eisen- und Holzhandel über die Enns und Donau nach Wien und über Land nach Venedig. Von ent scheidender Bedeutung für die Erschließung der Enns als Ver kehrsweg war aber der wirtschaftliche und kulturelle Einfluß des Benediktinerstiftes Garsten, zu dessen Seelsorge- und Verwal tungsbereich etwa das Gebiet des Ennstales gehörte, welches von dem großen Ennsbogen zwischen Steyr und dem ehemals „Golde nen Markt" Weyer eingeschlossen wird. Der „GOLDENE Markt" Weyer an der Enns, begünstigt durch die Nähe zum Floßlandeplatz Kastenreith sowie die Lage an dem wichtigen Handelsweg vom Enns- in das Ybbstal, wurde zum Mittelpunkt des Eisenwesens und stand bis Ende des 14. Jahr hunderts ebenbürtig neben Steyr. Zahlreiche Eisenhämmer arbei teten in diesem Gebiet, das im 16. Jahrhundert noch einmal eine Blüte erlebte, als es mit dem Erzberg Hauptlieferant für West europa war. Als schließlich um die Wende des 16. Jahrhunderts der Holzmangel im oberen Ennstal besonders groß wurde (durch den damaligen Aufschwung der Technik hatte sich die Eisen erzeugung etwa verdreifacht), kam es zur Einführung der Schiff fahrt auf der Enns oberhalb von Steyr. Voraussetzung für die Ennsschiffahrt aber war die Entfernung der bedeutendsten Hinder nisse im Fluß sowie die Herstellung eines Treppe!weges, der den Schiffszug durch Pferdegespanne flußaufwärts ermöglichte. Der Bau dieses Roßweges (1559 bis 1563) war eine großartige tech nische Leistung für die damalige Zeit und verschlang außerdem eine gewaltige Geldsumme. Er begann bei Steyr am rechten Ufer, wechselte wiederholt auf das andere Ufer und war an vielen Stellen ganz in den Fels eingehauen. Auch die alte Eisenstraße vom Erzberg nach Steyr und in das Donautal folgte dem Flußlauf der Enns. Im 19. Jahrhundert verlor die Enns ihre Bedeutung als Schiff fahrtsstraße durch den Bau der Eisenbahn, doch blieb sie und ihr Nebenfluß Salza der billigere Weg für die Flöße, die wertvolles Holz in die Donau und auch donauabwärts verfrachteten. Die rasche technische Weiterentwicklung der Holzbringung nach dem zweiten Weltkrieg brachte schließlich das Ende der Flößerei. Das Eisenwesen — ab dem Jahre 1625 in der mächtigen Innerberger Hauptgewerkschaft zusammengeschlossen — ging Ende des 17. Jahrhunderts einer schweren Zeit entgegen. Der wirtschaft liche Einfluß des Stiftes Garsten ging im Ennstal zurück. Im Raum von Weyer wurden schließlich ab 1860 die letzten Eisenhämmer stillplegt, und nur vereinzelt konnten sich noch einige Klein betriebe in Seitentälern der Enns sowie im Ybbs- und Steyrtal behaupten. Schon in den Jahren nach dem ersten Weltkrieg wurden die günsti gen Vorbedingungen für einen energiewirtschaftlichen Ausbau des Ennsflusses erkannt; aber erst durch die wirtschaftlichen Erforder nisse des zweiten Weltkrieges wurde der Bau von vier Kraft werken an der Enns in Angriff genommen. Die Ennskraftwerke AG, vor mehr als 20 Jahren als Sondergesellschaft des Verbundkonzernes gegründet, vollendete in den Jahren bis 1950 die be gonnenen Werke und setzte den Kraftwerksbau auf der Ennsstrecke zwischen der steiermärkisch-oberösterreichischen Landes grenze und der Mündung in die Donau zügig fort. 1953 ging das Kraftwerk Rosenau in Betrieb, 1962 folgte das Werk Losenstein und 1965 nahm das Kanalkraftwerk St. Pantaleon als siebente und größte Staustufe der Ennskraftwerke AG die Stromerzeugung auf. Seit Jänner 1968 ist das Ennskraftwerk Garsten-St. Ulrich mit der Inbetriebnahme des zweiten Maschinensatzes in Voll betrieb. Dieses Kraftwerk, mit dessen Bau im Juni 1965 begon nen wurde, nutzt die Fließstrecke der Enns knapp oberhalb der Stadt Steyr über eine Fallhöhe von fast 13 Meter. Mit dem Bau des Kraftwerkes Weyer, der neunten Staustufe der Ennskraft werke AG, wurde im Sommer 1967 begonnen. Dieses Kraftwerk wird (ebenso wie das Kraftwerk St. Pantaleon) mit je einem Maschinensatz Einphasenstrom für den Zugsbetrieb der öster reichischen Bundesbahnen erzeugen. Im Spätherbst 1969 soll das Kraftwerk Weyer die Stromerzeugung aufnehmen. Nach diesem Kraftwerksbau folgt das derzeit baureif projektierte Kraftwerk Schönau als zehnte und oberste Stufe der Ennskraftwerke AG. Die Enns wird dann in einer geschlossenen Kraftwerkskette aus gebaut sein, die ein Arbeitsvermögen von 1668 Millionen Kilo wattstunden im Regeljahr besitzen wird. Die Enns und die Ennstallandschaft wurden durch den Kraftwerks bau weitgehend verändert. An die Stelle des rauschenden und wilden Ennsflusses sind die langgestreckten stillen Stauseen ge treten, und wo einst Flößer und Schiffer ihre gefährliche Fluß fahrt ausführten, spiegeln sich heute steile Ufer im ruhigen Was ser. Während in den vergangenen Jahrhunderten die ungezähmten Kräfte der Enns durch Flößerei, Schiffahrt und Holztrift kaum nennenswert genutzt werden konnten, arbeitet heute im gleichen Flußabschnitt eine geschlossene Kette von Kraftwerken mit einem Wirkungsgrad von beinahe 100 Prozent. Große Teile der ver alteten Eisenstraße wurden durch den Kraftwerksbau neu ver legt und für den zunehmenden Verkehr ausgebaut. Häuser und sogar ganze Ortschaftsteile (die im Stauraum lagen) wurden — dem modernen Lebensstandard und den hygienischen Erfordernis sen unserer Zeit entsprechend — neu aufgebaut. Moderne Trink wasseranlagen und Kanalisationen wurden errichtet, und durch die Anlage der Stauräume mit den Uferverbauungen konnte die Hoch wassergefahr weitgehend reduziert werden. An den Stauseen ent standen Erholungsräume, die von Jahr zu Jahr mehr Fremde an ziehen und den Gemeinden des Ennstales einen spürbaren wirt schaftlichen Aufschwung bringen. Das Ennskraftwerk Garsten-St. Ulrich hat im Jänner 1968 den Vollbetrieb aufgenommen.

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2