Oberösterreich, 18. Jahrgang, Heft 1, 1968

Brigitte Heinzl Der Beginn der Barockplastik in Oberösterreich Hans Spindler Dieser Aufsatz wurde in Zusammenarbeit mit Eva Groiss verfaßt. Fotos; Max Eiersebner Der Einbruch des Barocks in die oberösterreichische Plastik erfolgte mit dem Moment, als Hans Krumper, der Münchner Hofbildhauer, mit dem Stift Spital am Pyhrn einen Vertrag über die Verfertigung eines Hochaltars abschloß: am 22. Fe bruar 1610. Für diesen zeichnete er in einem Memorial vom 23. September 1611 auch eine flüchtige Skizze. Am 19. Okto ber 1611 bereits wurde der Altar aufgestellt. In einer Ab rechnung vom 20. Dezember 1611 an das Stift erwähnt der Kistler Hans Sailer drei Bildhauer; in seiner Abrechnung vom 20. Dezember 1612 einen Bildhauer aus Weilheim'. Hans Krumper war ein gebürtiger Weilheimer, aus dem kleinen Ort im Pfaffenwinkel in Bayern, aus dem so viele bedeutende Bildhauer, wie etwa Georg Petel, stammten. Krumper lernte in München in der Werkstatt von Hubert Gerhard und heiratete später die Tochter von Franz Sustris. Nach seiner Lehrzeit ging er nach Italien, das im späten 16. Jahrhundert noch immer Vorbild für die deutsche Kunst war. Von seinem Schwiegervater übernahm Krumper dann nach seiner Rückkehr die Rolle des fürstlichen Kunstinten danten. Als solcher betätigte er sich auch als Architekt und Organisator von Kircheneinrichtungen, vor allem von Altären. Dabei arbeitete er mit anderen Künstlern zusammen,in erster Linie mit seinem Schwager Hans Degler aus Weilheim. Wie aus den Quellen hervorgeht, arbeitete er mit diesem in Altötting- 1610 und in Kremsmünster 1614/1618®. Es ist also auch anzunehmen, daß der Weilheimer Bildhauer, mit dem Krumper für Spital am Pyhrn arbeitete, Hans Degler war. Degler betrieb in Weilheim eine große Werkstatt und war auch im Rat der Stadt tätig'. Krumpers persönlicher Stil als Bildhauer wirkte sich in diesen Altarunternehmungen nicht aus. Er betätigte sich als Entwerfer der Altararchitektur®. Sein Lehrer Hubert Gerhard wußte als in Italien geschulter Flame den italienischen Manierismus in eine gewisse gotische Erstarrung überzuführen, die dem Bronzematerial nicht an gepaßt erscheint und eher an Holzbearbeitung erinnert, wie im heiligen Michael der Jesuitenkirche in München. In Ger hards Augustusbrunnen in Augsburg wirkt der höfiscbe Ma nierismus Giovanni da Bolognas ein, der dem Augsburger Milieu stärker entsprach. Von diesem höfischen sowie auch von dem mehr erstarrten Stil Gerhards ist Hans Krumper weitgehend beeinflußt. Infolge seiner Herkunft aus Weilheim weisen seine Steinplastiken manchmal auch volkstümliche Züge auf, die sich deutlich von dem italienischen Manierismus seines Lehrers abheben. Krumpers Patrona Bavariae an der Münchner Residenzfassade 1616 zeigt jene spätgotische schwäbische Lieblichkeit, die er zweifelsohne aus seiner Zu sammenarbeit mit Weilheimer Künstlern bezog. In Weilheim ging die Gotik unmittelbar in den Barock über, ohne durch die italienische Renaissance unterbrochen worden zu sein. Die sanfte Lieblichkeit der Madonna Krumpers, ihre innige Beziehung zu dem Kind, die Kurvatur des Gewandes, bedingt aus dem Stand- und Spielbein, sind gotische Elemente. Die sanfte Schwellung des Fleisches hingegen, die plastische Fülle stammen aus den Erfahrungen, die der Künstler mit dem italienischen Manierismus Giovanni da Bolognas gemacht hatte; die Bewegung der Madonna läßt allerdings die manie rierte Drehung Bolognas vermissen. Somit kommt Krumper aus der Verbindung von spätgotischen und manieristischen Elementen zu einer Stilstufe, die der des italienischen Früh barocks entspricht. Die Patrona weist eine vertikale Achsen ausrichtung und keine Torsion, nur eine leichte Wendung des Kopfes nach rechts und die Hervordrängung des Spielbeins auf. Die Stellung ist einfach, ungekünstelt und schlicht, wie es dem frühen Barock entspricht. Krumpers Patrona Bavariae ist für die oberösterreichische Barockplastik, besonders für die Garstener Konventmadonna Hans Spindlers, von Bedeutung gewesen. Von Bedeutung war vor allem die Idee, die Madonna in einen architektonischen Rahmen zu stellen, der in seinen Formen rein barock ist. Aufbau, Untergeschoß mit Taber nakel, Hauptgeschoß mit Nische, in der die Madonna steht, und Giebelaufsatz entsprechen im Prinzip Krumpers Ideen für den Altarbau, nur daß dieser mehr in die Breite gelagert ist. Von seinen für Oberösterreich entworfenen Altären be findet sich keiner mehr an Ort und Stelle. Sie lassen sich jedoch unschwer rekonstruieren. Der mit Krumper bei diesen Unternehmungen eng zusam menarbeitende Hans Degler, sein Schwager, ist nur in weni gen Werken faßbar, vor allem in den drei monumentalen Altären von St. Ulrich und Afra in Augsburg. Dieser Künstler unterscheidet sich von Krumper in erster Linie soziologisch. Während es Krumper bis zum Münchner Hofkünstler brachte und in Italien geschult wurde, war Degler als Holzbild schnitzer für Klöster tätig und blieb in seinen Werken daher entsprechend volkstümlicher als sein Schwager. Von 1591 bis 1637 lebte er in der kleinen Stadt Weilheim, südlich der Residenz München". 1604 bereits schuf er den Hochaltar von St. Ulrich und Afra, 1607 die beiden Seitenaltäre. Hier erweist er sich als Plastiker, der die spätgotische Tradition auch im Altarbau weiterführt. Diese drei monumentalen Altäre zeigen eine an spätgotische Schreinaltäre erinnernde Gestrecktheit. Die Architekturformen sind rein manieristisch, im Sinne des deutschen Manierismus. Barocke Ideen sind nirgendwo spür bar. Wir finden noch den Predellagedanken der alten gotischen Schnitzaltäre an Stelle des später in den Krumper-Entwürfen verwendeten Tabernakels. Die bildhafte Gestaltung wirkt hier viel stärker. Die Monumentalität der Figuren wird durch ihre große Anzahl zurückgedrängt. Ebenso wie in den spät gotischen Schreinaltären wird in die Rundung des Haupt geschosses eine große Anzahl von Figuren hineingepreßt,durch die ein fast bildhafter Effekt erzielt wird. Von Konzentration, die ein Charakteristikum des frühbarocken Stils war, ist hier noch nichts spürbar. Eine ungeheure Fülle von Putti, größe ren Engeln und Hauptfiguren, die alle rundplastisch gestaltet sind, drängt sich in der Hauptszene. Die Idee wirkt durchaus reliefhaft. Von rein manieristischer Wirkung sind auch die Hauptszenen der Seitenaltäre, deren Figuren sehr gedrehte Stellungen aufweisen. Die Figuren selbst zeigen spätgotische Lieblichkeit und die Härte des gotischen Faltenliniaments. Von den in den Kremsmünsterer und Weilheimer Akten ge nannten Gesellen wissen wir nichts'. Um den riesigen Werk stattbetrieb aufrechtzuerhalten, hat Degler eine große Anzahl von ihnen beschäftigt; im Kremsmünsterer Archiv werden sechs genannt. Unter ihnen befand sich auch Hans Spindler, der spätere Bildschnitzer von Kloster Garsten in Oberösterreich. Er wird Hans Degler, Madonna vom Hochaltar der Frauenkirche in Reichersberg, vor 1617, Stift Reichersberg, Museum.

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