Oberösterreich, 18. Jahrgang, Heft 1, 1968

punkt der Anlage im wörtlichen Sinn. Hier werden Kloster und Kirche als Ganzes gesehen und in einem Gesamtkörper vereint, der die geistlichen und weltlichen Ansprüche restlos zu integrieren vermag. Die Aufzählung möglicher Vorformen reicht bis zu den ägyptischen Tempelanlagen; als unmittelbar wirksames Vor bild gilt der spanische Escorial. Der 1563 auf königliche An ordnung hin begonnene Bau sollte von Anfang an Kloster und Palast, Kirche und Begräbnisstätte vereinen, also Gott und dem weltlichen Herrscher gleichermaßen dienen. Seine Grund rißform geht auf die Beschreibung des Salomonischen Tem pels bei Ezechiel zurück, der nach der Meinung mancher Kommentatoren wegen seiner Schönheit von Gott selbst er dacht wurde. So war die architektonische Form theologisch verankert, der Kritik entzogen und ihrer Wirkung auf die katholische Welt sicher. Für ihre Verbreitung sorgte die Literatur, die den Escorial als neues Weltwunder pries; doch müssen bei Erörterung ihrer Übertragung nach Öster reich die zahlreichen Kontakte oberitalienischer Künstler mit dem Königskloster beachtet werden. Die in Grund- und Aufriß bestimmenden Momente sind: der Zusammenschluß aller Bauten zu einem nach außen hin ge schlossenen Quadrum mit gleichhohen Bautrakten, die An ordnung der Kirche mit Fassadenhof in der Mittelachse, die dazu symmetrische Aufteilung der restlichen Hoffläche und die Sichtbarmachung des Kirchengebäudes über die gesamte Anlage hinweg. Mit diesen Qualitäten wird der Escorial zum Vorbild hochbarocker Klosterarchitektur bis ins 18. Jahr hundert. Im Alpen-Donauraum zwangen freilich zahlreiche Rücksicht nahmen auf lokale Gegebenheiten und Wünsche zu Kompro mißlösungen, Vereinfachungen und Anpassungen; aber ge rade dazu eignete sich die Vorlage. Am weitesten geht die Reduktion, wenn sich die Wiederholung auf das vom Gottes haus geteilte querliegende Hofrechteck beschränkt (St. Geor gen a. L., Schlierbach I). Eine nächste Stufe ist die Einbezie hung des Fassadenhofes zur typischen Hofgruppierung auf drei Seiten des Kirchenbaues (Waldhausen, Garsten). Zwar kennt man den nur fassadenbreiten, tiefrechteckigen Vorhof auch in Österreich (Voran 1619, Pöllau), doch neigt man deutlich zum großen Querhof, der die westliche Hälfte des Klosterareals einnimmt (Seckau, Schlägl). Für seine Urbane Gestaltung (Garsten) bietet der Salzburger Domplatz eine durchaus relevante Parallellösung nördlich der Alpen. Schon die Beschränkung auf drei Höfe bedingte eine Ab änderung der Einzeldimensionierung gegenüber dem Vorbild, doch läßt sich die Komposition der Gesamtanlage aus zwei aneinandergeschobenen Rechtecken ebenso daraus ableiten wie die Anordnung des Festsaales in Garsten über dem Abb.15 Pöllau, Vischer 1681. <Cati9mxxrum 3ieaulanum'.^ lü'ii --*1 V.iKlosterhauptportal, die genau jener der Escorialbibliothek entspricht. Dies auch als Beispiel dafür, daß die Anregungen aus Spanien nicht alle gleichzeitig und gleichstark ausgewertet wurden. Von den Carlone-Klöstern abgesehen, wirken sie auf die ge samte austro-italienische Bautätigkeit ein, wie die bereits um 1637 im hochbarocken Typus konzipierte Klosteranlage von St. Paul im Lavanttal zeigt. Die vollendete Formulierung des Idealschemas in den Donauklöstern des 18. Jahrhunderts (Melk, Göttweig) erscheint jedoch undenkbar ohne den Bei trag der Carlone. 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